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Ausgabe 51-3/1992

MEINE TOCHTER GEHÖRT MIR

Produktion: Regina Ziegler Filmproduktion / WDR, Bundesrepublik Deutschland 1992 – Regie: Vivian Naefe – Buch: Walter Kärger, Vivian Naefe – Kamera: Gernot Roll – Schnitt: Susanne Schett – Musik: Hubert Bartholomae – Darsteller: Barbara Auer (Ruth), Georges Corraface (Nikos), Nadja Nebas (Sofia) u. a. – Laufzeit: 95 Min. – Farbe – FSK: ab 12, ffr. – Verleih: Tobis (35mm)

Vivian Naefe schildert die Geschichte einer jungen deutschen Ärztin aus Berlin, deren sechsjährige Tochter vom griechischen Vater in seine Heimat entführt wird. Nikos ist überzeugt, dass er dem Kind in Griechenland mehr Geborgenheit geben kann als die stressgeplagte Mutter, die sich wegen der zeitaufwändigen Arbeit im Krankenhaus zu wenig um Sofia kümmern kann. Obwohl Ruth seit der Scheidung das Sorgerecht hat, ist die angehende Karrierefrau angesichts der komplizierten Rechtslage in solchen bi-nationalen Ehen machtlos. Denn sie darf das Kind mit griechischer Staatsbürgerschaft nach geltendem Recht nicht gegen den Willen des Vaters einfach zurückholen.

Ein Blitzbesuch in Athen bleibt erfolglos, weil sich Ruth mit Nikos nur streitet. Da Botschaft, Behörden und Rechtsanwalt ihr nicht helfen können, startet sie auf eigene Faust einen plumpen Befreiungsversuch, der prompt misslingt. Zurück in Berlin, heuert die verzweifelte Frau einen Experten für Rückführungen verschleppter Kinder an. Doch das Honorar von 100.000 Mark kann sie nur aufbringen, indem sie eine Unterschrift für einen Bankkredit fälscht. Der Detektiv tüftelt einen raffinierten Befreiungsplan aus. Doch dann geht einiges schief. Beim Start des Fluchtflugzeugs kommt es zu einer gefährlichen Auseinandersetzung.

Filmtitel und -thema erinnern an den umstrittenen US-Film "Nicht ohne meine Tochter" nach dem Bestseller von Betty Mahmoody, der im vergangenen Jahr in Deutschland nicht nur eine heftige Diskussion über den islamischen Fundamentalismus und die gewachsene Ausländerfeindlichkeit auslöste, sondern die Aufmerksamkeit auch auf die Problematik bi-nationaler Ehen lenkte. Vivian Naefe und ihr Co-Autor Walter Kärger, mit dem sie schon bei den Fernsehfilmen "Pizza-Express" und "Für immer jung" (1990 und 1991) zusammenarbeitete, behandelt einen ähnlichen Fall – auch hier geht es um eine mutige Frau aus dem Westen, die mit allen Mitteln um ihre Tochter kämpft, die vom Vater in dessen Heimat festgehalten wird.

Die beiden Filme beruhen auf authentischen Fällen. "Nicht ohne meine Tochter" ist eine Verfilmung des Erfahrungsberichts einer Amerikanerin, die nach einem Urlaub mit ihrem iranischen Mann in Teheran von diesem vor die Wahl gestellt wurde, auf Dauer mit ihrer Tochter dort zu bleiben oder ohne das Kind in die USA zurückzukehren. "Meine Tochter gehört mir" geht auf eine Zeitungsnotiz über einen tatsächlichen Fall aus dem Jahr 1985 zurück. Der deutsche Film setzt in entscheidenden Punkten jedoch andere Akzente. Während der anti-islamische US-Propagandafilm bei aller berechtigten Kritik an der Teheraner Diktatur immer wieder in Schwarzweißmalerei verfällt, verzichtet Naefe auf simple Schuldzuweisungen und klischeehafte Feindbilder. Vor allem der traditionelle Familienverband in der griechischen Kleinstadt wird sehr differenziert dargestellt.

Alle wichtigen Figuren haben bei Naefe ihre Licht- und Schattenseiten. Besonders deutlich arbeitet die Regisseurin in ihrem ersten Kinofilm nach fünf Fernsehfilmen die egoistischen Antriebe der beiden Kampfhähne heraus, die angeblich nur das Beste für das Kind wollen. Aus ihrem rücksichtslosen Kampf um die Verfügungsgewalt über Sofia geht keiner unbeschadet hervor. Am meisten leidet das kleine Mädchen unter der Rechthaberei der Eltern. Als die Mutter beim letzten Streit Nikos mit einem Revolver bedroht, schreit es verzweifelt: "Ich hasse euch beide."

Die Hauptdarsteller Barbara Auer und Georges Corraface verkörpern die Eltern, deren einstige Liebe in blanken Hass umgeschlagen ist, mit großer Intensität. Die attraktive Mutterrolle machte es Barbara Auer, die zuletzt in dem Spielfilm "Herzlich willkommen" von Hark Böhm eine hervorragende Leistung gezeigt hatte, etwas leichter zu glänzen, als der schwierigere Part des Vaters ihrem Gegenspieler Georges Corraface. Der gebürtige Grieche, der in Frankreich als Darsteller in Shakespeare-Stücken seit Jahren ein Begriff ist, spielt den ebenso starrsinnigen wie sympathischen Vater dennoch überzeugend.

Der Besitzanspruch der Eltern äußert sich mehrfach in dem verräterischen Satz "Meine Tochter gehört mir". Sofia wird dagegen nie gefragt, wo und bei wem sie leben will. So kritisiert das Familiendrama, das sich nach einem schleppenden Beginn bis zum spannenden Schlussduell immer mehr steigert, nicht nur die unzureichenden Regelungen des Sorgerechts bei Scheidungen bi-nationaler Ehen, sondern plädiert auch für mehr Toleranz zwischen den Geschlechtern und Kulturen. Naefe und Kärger setzen sich zugleich nachdrücklich für das legitime Mitspracherecht der ohnmächtigen Scheidungsopfer ein. Denn auch ein Kind darf niemals einem Menschen gehören, es kann höchstens zu einem Menschen gehören.

Reinhard Kleber

 

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