Produktion: Touchstone Pictures, USA 1991 – Regie: Mary Agnes Donoghue – Buch: M. A. Donoghue, nach dem Film "Am großen Weg" von Jean Loup Hubert – Kamera: Jerzy Zielinski – Schnitt: Eva Gardos, Debra MacDermott – Musik: David Newman – Darsteller: Melanie Griffith (Lily Reed), Don Johnson (Ben Reed), Eljah Wood (Willard Young) u. a. -Laufzeit: 110 Min. – Farbe – FSK: ab 6, ffr. – Verleih: Warner (35mm) – Altersempfehlung: ab 12 J.
In einem kleinen amerikanischen Küstenort verbringt ein etwa zehnjähriger Junge seine Sommerferien bei einer verheirateten Freundin seiner Mutter. Der schüchterne Junge bekommt schnell mit, dass sich seine Gastgeber häufig streiten. Gleichwohl kümmern sich beide liebevoll um ihn. Während der raubeinige Fischer dem Jungen zeigt, wie man angelt, nimmt die verhärmte Hausfrau ihn schon mal mit ins Café der nächsten Ortschaft. Der Junge lässt bei dem Ehepaar alte Wunden wieder aufbrechen: Er erinnert beide an den kleinen Sohn, der vor Jahren an einem Bonbon erstickt ist. Seit diesem traumatischen Erlebnis erträgt die schuldbewusste Mutter keine Berührungen mehr, auch die ihres Mannes nicht. Eines Nachts wird der Junge sogar Zeuge einer gewalttätigen Auseinandersetzung seiner Gasteltern.
Zum Glück bringt ihn die freche gleichaltrige Nachbarstochter auf andere Gedanken. Sie zeigt ihm nicht nur ihre Lieblingsverstecke, sondern enthüllt auch die erotischen Geheimnisse der Landbewohner. Als sie ihm jedoch verrät, dass sein eigener Vater die Mutter wegen einer anderen Frau verlassen hat, läuft er wütend und enttäuscht weg. Nach langer Suche finden ihn die Gasteltern auf einem Aussichtsturm, wo der Fischer ihm bei einer Mutprobe beispringen muss. Durch die Aufregung und die gemeinsame Suche kommen sich die zerstrittenen Ehepartner wieder näher. Für den Jungen kommt mit dem Ferienende auch der Abschied.
Die US-Version des französischen Films "Am großen Weg" von Jean Loup Hubert, der 1987 beim Frankfurter Kinderfilmfestival den Hauptpreis erhielt, erreicht wie die meisten Remakes die Qualität des Originals keineswegs. Daran ändern auch Hollywood-Stars wie Melanie Griffith und Don Johnson als Gasteltern nichts. Die Kantigkeit des französischen Films, in dem der Regisseur autobiografische Erfahrungen verarbeitet hat, ist hier zu einer gefälligen Glätte abgeschliffen. Wohin der Weg führt, signalisiert schon die Titeländerung zum sentimentalen "Sommerparadies". So wurde aus der robusten und verbitterten Dörflerin aus der Bretagne, die ihr Kind bei der Geburt verlor, in der Hollywood-Fassung eine verhuschte Provinzschönheit, die sich ständig Vorwürfe macht und still vor sich hin leidet.
Während die angedeutete Vergewaltigungsszene durch den betrunkenen Ehemann in "Am großen Weg" heftige Diskussionen über Gewalt in der Ehe und die Grenzen ihrer Darstellung im Kinderfilm auslöste, dürfte die gewöhnliche Prügelei im "Sommerparadies" niemanden mehr aufregen. Ließ Hubert vor allem die einfühlsam inszenierten Bilder sprechen, so ergehen sich die Protagonisten der US-Kopie in langatmigen Problemerörterungsdialogen. Dabei wird der Gastjunge immer wieder in die unglaubwürdige Rolle eines hochtalentierten Mini-Psychologen gedrängt.
Eine allgegenwärtige Untermalung der idyllischen Szenerie durch süßliche Musik darf in einem solchen Ferienmelodram natürlich nicht fehlen. Ein Happy End selbstverständlich auch nicht: Während Hubert die spätere Rückkehr des Jungen ins bretonische Dorf offen ließ, gibt der Held des US-Films seiner kleinen Freundin demonstrativ ein Faustpfand für seine Rückkehr.
Reinhard Kleber
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