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Ausgabe 52-4/1992

ZEIT DER SCHMETTERLINGE

MOTYLÍ CAS

Produktion: Krátky-Film Praha (Studio Jiri Trnka) / La Fête, CSFR / Kanada 1990 – Regie: Bretislav Pojar – Buch: Bretislav Pojar, Jiri Fried – Kamera: Ervín Sanders, Vladimír Malik, Zdenek Pospisil – Schnitt: Alois Fisarek – Musik: Petr Skoumal – Darsteller: Ludek Navrátil (Jan), Katerina Machácková (Jans Mutter), Lubor Tokos (Großvater), Vlastimil Brodsky (Dr. Renz), Katerina Pokorná (Lucie) u. a. – Länge: 95 Min. – Farbe – Vertrieb – 35mm: Filmexport Praha – 16mm: voraussichtlich ab Frühjahr 1993 Institut für Film und Bild FWU – Altersempfehlung: ab 6 J.

Entdeckt beim 31. Tschechoslowakischen Kinderfilm-Festival in Zlín (1991), prämiert im selben Jahr von der Jury zum Internationalen Jugendfilmtest, erstaufgeführt beim Kinderfilmfest 1992 / Filmfest München – so präsentiert sich die bisherige erfolgreiche Laufbahn dieses neuen Kinderfilms aus bester Tradition des tschechoslowakischen Kinderfilmschaffens.

Im Gegensatz zu seinen Mitschülern muss der zehnjährige Jan während der meisten Zeit des Jahres auf seinen Vater verzichten, denn der ist Schiffsarzt auf einem Trampdampfer und ist in allen fernen Ländern mehr zuhause als in seiner tschechoslowakischen Heimat. Voll Sehnsucht wartet Jan Tag für Tag auf Post von seinem Vater, bis eines Tages ein Paket mit geheimnisvollem Inhalt ankommt: Schmetterlingspuppen aus Brasilien. Jan ist begeistert, und voller Eifer macht er sich daran, den Rat des alten Naturkundeprofessors zu befolgen, der in einem schönen alten Haus gleich um die Ecke wohnt: Die Puppen müssen gut warm gehalten werden, damit sie irgendwann schlüpfen und zu schönen bunten Schmetterlingen werden.

Die Zeit bis dahin vergeht Jan viel zu langsam, und Lucie, seine gleichaltrige Nachbarin, nervt ihn mit ihren Mathematikaufgaben und Kinoeinladungen. Aber dann endlich ist es soweit, die Schmetterlinge flattern fröhlich in Jans Zimmer herum. Unter ihnen ist auch eine Schmetterlingsfee, mit der Jan sich anfreundet. Sie kennt unzählige Zaubertricks, und tagelang verbringt der faszinierte Junge mit Urugu, wie er die Fee nennt, in seinem verdunkelten Zimmer und lässt sich von ihr die Zeit vertreiben. Aber Jan kann all die Schmetterlinge nicht in seinem Zimmer behalten, und so beschließt er, sie in das tropische Gewächshaus des botanischen Gartens zu bringen, wo es ihnen, wie er glaubt, gut gehen wird inmitten all der exotischen Blüten. Nur Urugu bleibt bei ihm und die beiden erfinden immer neue fantastische Spiele. So bauen sie ein Modellflugzeug und erregen mit dessen Flugkünsten Erstaunen und Neid bei Jans Freunden.

Aber die zauberhafte Episode der Freundschaft zwischen Jan und seiner Fee kann nicht lange dauern. Ihr Ende kündigt sich durch mehrere Ereignisse an. Eines Nachts erfährt Jan von Urugu, dass der Vollmond alle Feen nach Hause ruft in ihre außerirdische Welt, und Jan solle bei Vollmond immer bei ihr sein. Die Freundschaft wird auch empfindlich getrübt, als sie erfahren, dass Botaniker im Gewächshaus alle Schmetterlinge aufgespießt und eine Schausammlung mit ihnen angelegt haben. Aber die lang ersehnte Heimkehr des Vaters überdeckt Jans Ahnungen, noch dazu wegen seiner vielen fremdartigen Mitbringsel. Ihretwegen denkt Jan auch nicht daran, dass just an diesem Abend Vollmond ist. Als er voller Freude Urugu seine Geschenke zeigen will, entdeckt er, dass die Fee verschwunden ist. Jan hatte vergessen, das Fenster zu schließen ... In tiefer Trauer muss Jan erkennen, dass seine Freundschaft mit der unirdischen Besucherin nur eine kurze, aber intensive Episode in seinem Leben sein konnte, und mit diesem Wissen wendet sich Jan fröhlich wieder seinem ganz und gar irdischen Alltag zu.

Drei Pluspunkte erlauben es dem Rezensenten nach mehreren Sichtungen, zum Teil mit Kindern, diesen fröhlichen und sensiblen Film für Kinder ab 6 Jahren uneingeschränkt zu empfehlen:

Das Drehbuch erzählt glaubhaft und mit guten Dialogen eine ganz alltägliche Kindergeschichte von dem Jungen Jan, seiner Familie, seinen Freunden, seinen schulischen Problemen, und bezieht ganz selbstverständlich und unaufdringlich märchenhafte Motive in ihre nonchalant beschriebene Alltäglichkeit ein. Diese Kombination, die man in manchen anderen Filmen schon als penetrant konstruiert empfand, schafft bei "Zeit der Schmetterlinge" ein sorgsam ausbalanciertes, im Sinne des Wortes zauberhaftes Erzählklima, das noch dazu leicht und luftig wirkt.

Die Regie entspricht adäquat der Intention der Drehvorlage. Ihre besondere Leistung liegt in der meisterhaften Montage von Real- und Trickfilm (Puppen-, Lege- und Filmtrick). Kein Wunder: Regisseur Bretislav Pojar kommt aus der renommierten tschechoslowakischen Trickfilmszene und hat bei dem unvergessenen Jiri Trnka gelernt. Auch technisch ist diese Kombination, die teilweise Trickbilder in Realfilmbilder hinein animiert, hervorragend realisiert. Wer wird es dem Regisseur verargen, wenn er in manchen Tricksequenzen ein wenig des Guten zuviel tut, und ihm dadurch einige Längen und Wiederholungen unterlaufen sind! Dem Jubel der zuschauenden Kinder tut das keinen Abbruch, etwa, wenn in Jans Klasse durch Urugus Tricks die Zahlen an der Wandtafel plötzlich Ballett tanzen. Aber auch die liebevolle Schauspielerführung ist exzellent und gibt selbst den Randfiguren, wie dem freundlich grantelnden Großvater oder dem Rotwein trinkenden und Zigarren rauchenden, von einer mystischen Aura umgebenen väterlichen Professor Profil und Präsenz.

Schließlich der beeindruckende Umgang mit Gefühlen, die bei allzu ängstlichen oder sentimentalen Produzenten von Kinderfilmen häufig zu kurz kommen oder ein unerträgliches Übermaß annehmen. Hier herrscht ein schön ausgewogenes Nebeneinander von Fröhlichkeit und Traurigkeit, von Humor und Ernst, von Realismus und Traum. Ganz kleine Kinder können die teilweise abrupten Stimmungswechsel noch nicht nachvollziehen und werden, wie vom Rezensenten beobachtet, ihre vom Tod der Schmetterlinge oder von Urugus somnambuler Vollmondtrance erzeugten Tränen nur schwer wieder los. Aber die befriedigende Lösung liegt schließlich, in der realistischen Einschätzung seiner Situation, ganz bei Jan, dessen Filmerfahrung den kindlichen Zuschauern ein ganz ungekünsteltes Stück eigener Lebenserfahrung vermittelt.

Bernt Lindner

 

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