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Ausgabe 57-1/1994

THE SNAPPER

THE SNAPPER

Roddy Doyle, nach seinem gleichnamigen Roman – Kamera: Oliver Stapleton – Schnitt: Mick Audsley – Musik: div. Songs – Darsteller: Tina Kellegher (Sharon Curley), Colm Meaney (Dessie), Ruth McCabe (Kay), Colm O'Byrne (Craig), Eanna MacLiam (Kimberley) u. a. – Länge: 90 Minuten – Farbe – FSK: ab 12, ffr. – O.m.U. – Verleih: Concorde (35mm) – Altersempfehlung: ab 14 J.

In einer Arbeiterfamilie in Nord-Dublin sorgt die älteste Tochter Sharon für helle Aufregung, als sie von ihrer ungewollten Schwangerschaft erzählt. Den hartnäckigen Fragern zum Trotz verrät sie nicht, wer der Vater ist. Als ein verheirateter Nachbar, der so alt ist wie ihr Vater Dessie, plötzlich seine Familie verlässt, breiten sich rasch Gerüchte aus, er könnte der Erzeuger sein. Die von allen Seiten bedrängte Sharon gibt nun plötzlich preis, sie habe mit einem geheimnisvollen spanischen Matrosen eine Nacht verbracht. Doch diese Geschichte klingt zu unwahrscheinlich, um die Spekulationen zu beenden. Die Eltern und die fünf Geschwister, aber auch Sharon selbst, sehen sich zunehmend Spötteleien und Anfeindungen ihrer Nachbarn, Bekannten und Mitschüler ausgesetzt. Während der Druck weiter zunimmt, entwickelt sich unerwarteter Weise der raubeinige Dessie zum engsten Vertrauten von Sharon. Als die Niederkunft naht, beginnt der angehende Großvater Ratgeber zu lesen und erweist sich als ein verlässlicher Beistand. Hinter der harten Schale des strengen pater familias steckt doch ein weicher Kern.

Nach den drei millionenschweren Kino-Großproduktionen "Gefährliche Liebschaften", "Grifters" und "Ein ganz normaler Held" ist der britische Regisseur Stephen Frears aus Hollywood nach Europa zurückgekehrt. Im Auftrag des britischen TV-Senders BBC drehte er in 30 Tagen in Dublin diesen verhältnismäßig preiswerten Film. "Es ist eine bescheidene, kleine Produktion über eine bescheidene Familie", sagte Frears dazu in einem Interview. Mit dem ersten Fernsehfilm seit 1985 gelang dem 1941 in Leicester geborenen Regisseur, der in den Siebziger Jahren bei der BBC als Spezialist für sozialkritische Themen galt, wiederum ein Kunststück. Wie schon der Szene-Film "Mein wunderbarer Waschsalon", den Frears hier übrigens beiläufig zitiert, war auch "The Snapper" zunächst als kleiner Fernsehfilm geplant. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass sein neues Werk an den Kino-Erfolg des "Waschsalon" anknüpfen kann.

Seit Beginn seiner Karriere verfilmt Frears gerne Drehbücher namhafter Autoren. So verhält es sich auch bei "The Snapper", der auf einem Roman des irischen Schriftstellers Roddy Doyle beruht. Dieses Buch ist nach "The Commitments" der zweite Teil einer Trilogie über Dublin. "The Snapper" – zu deutsch etwa "Der Wechselbalg" – erinnert denn auch in mancherlei Hinsicht an den "Commitments"-Film, den Alan Parker als temperamentvolle Musikerkomödie inszenierte. Neben den bissigen Dialogen und dem trockenen Humor gehören die vielschichtige Figurendarstellung und die realistische Alltagsbeschreibung zu den unübersehbaren Parallelen.

Außerdem spielte Colm Meaney, der Darsteller von Dessie, auch schon in "The Commitments" mit. Meaney und die talentierte Tina Kellegher als Sharon überragen die übrigen Mitglieder des ansehnlichen Ensembles bei weitem. Dabei profitieren sie allerdings von einer dramaturgischen Akzentverschiebung vom anfänglichen satirischen Sozialdrama um eine junge Schwangere zu einem sensiblen Porträt einer komplexen Vater-Tochter-Beziehung. Höchst amüsant wirkt dabei die zuweilen unfreiwillige Komplizenschaft der beiden, wenn sie gleichsam nebenbei die allgegenwärtige Doppelmoral im katholischen Arbeitermilieu entlarven.

Eine solche Konzentration auf brillante Dialogduelle zweier Protagonisten lässt jedoch Nebenfiguren wie die Geschwister Sharons oder die Mutter schnell farblos erscheinen. Insbesondere die Mutter als die üblicherweise dominierende Bezugsperson für ein schwangeres Mädchen spielt bei Frears eine allzu marginale Rolle. Auch aus den Rivalitäten der jüngeren Geschwister hätte Frears etwa für die zuweilen turbulenten Familienszenen voller Situationskomik mehr herausholen können. Alles in allem ist "The Snapper" der bisher heiterste Film im vielfältigen Werk des britischen Regisseurs. Beim Filmfestival in Mannheim erntete er von einem überwiegend jungen Publikum viele Lacher und reichlich Szenenapplaus.

Reinhard Kleber

 

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