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Ausgabe 82-2/2000

BONHOEFFER – DIE LETZTE STUFE

Produktion: NFP teleart / Norflicks Productions Ltd. Kanada / ORB; Deutschland / USA / Kanada 1999 – Regie: Eric Till – Buch: Gareth Jones, Eric Till – Kamera: Sebastian Richter – Schnitt: Roger Mattiussi – Darsteller: Ulrich Tukur (Dietrich Bonhoeffer), Johanna Klante (Maria von Wedemeyer), Robert Joy (Manfred Roeder), R. H. Thomson (Knobloch), Ulrich Noethen (Hans von Dohnanyi), Tatjana Blacher (Christel von Dohnanyi), Susanne Lothar (Sabine Leibholz) u. a. – Länge: ca. 90 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleihinformation: Matthias – Altersempfehlung: ab 14 J.

Verloren hat nicht der, der nackt zum Galgen geht, sondern jener, der ihm im Kostüm der Macht hinterher ruft, das sei das Ende. Ruhig und gefasst legt der Pfarrer Dietrich Bonhoeffer, gespielt von Ulrich Tukur, seine Kleidung ab. Die Kamera erfasst von hinten eine starke Gestalt, die auf das Schafott zugeht. Der Mann dominiert das Bild. Hinter ihm, im Ledermantel, mit weißem Hemd und rotem Schlips, der Militärrichter Manfred Roeder (Robert Joy), klein, nervös und bösartig. Die ideelle Botschaft der Szene konterkariert das, was als Vorgang gezeigt wird. Sie ist der tragische Höhepunkt in der Auseinandersetzung zwischen zwei Männern, bei der der eine über alle Mittel äußerer Überlegenheit verfügt und der andere allein auf seinen Glauben, seine Überzeugungen, alles das, was seinen Charakter prägt, bauen kann. Dieser Konflikt prägt die deutsch-amerikanisch-kanadische Koproduktion von Eric Till.

Dietrich Bonhoeffer ist heute einer der bekanntesten deutschen Theologen des 20. Jahrhunderts. Er starb im April 1945 als Widerstandskämpfer gegen das Hitler-Regime am Galgen des KZ Flossenbürg. Als Bonhoeffer ermordet wurde, war er innerhalb seiner Kirche ein relativ einsamer Mann. Er war der Kopf einer kleinen Restgruppe bekennender Protestanten, die sich im Gegensatz zum überwiegend kompromissbereiten Teil der evangelischen Kirche entschieden von den totalitären Ansprüchen des Regimes distanzierten. Für diese Haltung wurde er als Sektierer und Schwärmer zunehmend ins Abseits gedrängt. Bonhoeffer litt unter der Isolation, doch er zog sich nicht zurück. In einem Prozess der inneren Auseinandersetzung mit seinen christlichen Idealen entschloss er sich zum aktiven politischen Widerstand. Diese Entscheidung traf Bonhoeffer 1939, wenige Monate vor Beginn des Zweiten Weltkriegs.

Der Film knüpft an diese Lebensphase des Pfarrers an, ohne dabei den Anspruch zu erheben, die Biografie dokumentarisch genau nachzuzeichnen. Ausgangspunkt ist Bonhoeffers Überzeugung, dass nur ein Führer existiere, der nicht von dieser Welt sei, nämlich Jesus Christus. Diese Überzeugung gibt er auch als Leiter des Predigerseminars der Bekennenden Kirche in Finkenwalde an seine Studenten weiter. Damit fordert Bonhoeffer die Ideologiewächter des Nazi-Staates heraus. Man untersagt ihm zunächst das öffentliche Predigen und er erhält Publikationsverbot. Schließlich wird auch das Seminar geschlossen. Der Kreis derer, die zu ihm stehen, wird kleiner. Der Pfarrer muss erleben, wie sich auch bei einem Teil seiner Studenten Angst breit macht. Sie passen sich den Gegebenheiten an. Außerdem fordern die Nürnberger Rassengesetze ihren Tribut. Bonhoeffer gibt sich bezüglich der möglichen Konsequenzen aus diesen Gesetzen keinerlei Illusionen hin. So drängt er seine Schwester Sabine dazu, so schnell als möglich mit ihrem jüdischen Mann das Land zu verlassen.

Als die Reichspogromnacht die schlimmsten Befürchtungen Bonhoeffers bestätigt, befindet er sich auf Einladung des "N.Y. Union Theological Seminary" in den USA. Freunde raten ihm, im Ausland zu bleiben. Doch Bonhoeffers Denken und Handeln ist nicht primär auf sich gerichtet. Er will im Sinne der so von ihm begriffenen christlichen Mission auf andere wirken. Also zieht es ihn dorthin, wo seine Hilfe am notwendigsten erscheint, nach Deutschland. Bald führen ihn die Umstände weg von seinem vorwiegend karitativen und missionarisch bestimmten Handeln hin zu Formen des aktiven Widerstands. Über seinen Schwager Hans von Dohnanyi wird er in die Arbeit einer Widerstandsgruppe innerhalb der deutschen Spionageabwehr um General Oster und Admiral Canaris einbezogen. Er kommt zu der Erkenntnis, dass es moralisch verwerflicher sei, böse zu sein, als Böses zu tun. Ulrich Tukur bringt sehr überzeugend Bonhoeffers Ringen um die moralische Rechtfertigung dieses Schrittes zum Ausdruck.

Die inneren Auseinandersetzungen erfahren eine Zuspitzung, als sich der Theologe in die junge Maria von Wedemeyer verliebt. Das Mädchen ist gleichzeitig Projektionsfläche für mögliches Lebensglück als auch Symbol für die Bedrohung des selbigen. Restriktionen gegen Bonhoeffer verbinden sich im Film immer mit der Person des Gestapo-Mannes Roeder. Nach der Verhaftung des Pfarrers bestimmt die direkte Konfrontation dieser beiden Männer fast ausschließlich den Verlauf der weiteren Handlung. Roeder, dessen sozialer Aufstieg unmittelbar mit der Etablierung des diktatorischen Systems zusammenhängt, kann sich auf der einen Seite der Ausstrahlung Bonhoeffers nicht entziehen, auf der anderen Seite hasst er ihn gerade dafür. Er spürt, dass jene Größe, die der andere scheinbar von innen heraus entwickelt, seiner eigenen systemabhängigen und damit äußerlich bedingten Machtposition weitaus überlegen ist. Bonhoeffer wird gedemütigt, er wird physisch gequält und schließlich soll er bestochen werden. Doch kein Instrument aus Roeders begrenzter Vorstellungswelt kann Bonhoeffer von seinen Prinzipien abbringen. Selbst bei seiner Hinrichtung bleibt der Pfarrer dem Gegenspieler überlegen.

Eric Till setzt beim Erzählen seiner Geschichte auf emotionale Momente, die über sorgfältig inszenierte Bilder vermittelt werden. Er unterliegt nicht der, bei der Person Bonhoeffer nahe liegenden Versuchung, über verbale Konstruktionen Haltungen oder Entscheidungen zu erklären.

Wie bei allen Filmen, die sich auf reale historische Persönlichkeiten beziehen, kann die allgemeine Handlung den Zuschauer nicht wirklich überraschen. Das Ende ist von vornherein bekannt. Die Überraschungen liegen in der Sicht auf die Einzelheiten. Hier ist das mit Blick auf einen Mann, der ein Gewissen und eine eigenständige Meinung hat, die er sich auch unter dem Galgen nicht brechen lässt, gelungen. Solche Haltung ist nicht so häufig, doch sie wird gebraucht.

Klaus-Dieter Felsmann

 

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