Produktion: Günter Rohrbach / MTM Cineteve / Kinowelt / Bavaria / WDR; Deutschland 2000 – Regie: Roland Suso Richter – Buch: Uwe Timm – Kamera: Martin Langer – Schnitt: Eva Schnare – Musik: Harald Kloser, Thomas Wanker – Darsteller: Arman Inci (Kendal), Oliver Korittke (Hellkamp), Ercan Durmaz (Onkel), Lisa Martinek (Gaby), Yasmin Asadie (Franziska) – Länge: 114 Min. – Farbe – FSK: ab 12, ffr. – Verleih: Kinowelt (35 mm) – Altersempfehlung: ab 14 J.
Der zehnjährige Kendal lebt in armen Verhältnissen in einem kurdischen Bergdorf. Die Familie braucht dringend Geld für die bevorstehende Hochzeit von Kendals Schwester. Ein in Deutschland lebender Onkel bietet dem Vater an, den Jungen nach Hamburg zu bringen, damit er schnell Arbeit findet. Dort angekommen, wird Kendals Onkel als Drogendealer verhaftet und der Junge ist zunächst auf die Hilfe des Taxifahrers Hellkamp angewiesen, der sich, anfänglich sträubend, mehr und mehr des Jungen annimmt. Hellkamp ist ein Ex-Polizist, der versehentlich einen türkischen Drogendealer erschossen hat und daraufhin den Dienst quittierte. Er kennt sich in dem Milieu, in das der Junge hineingerät, nur allzu gut aus. Bei Kendals Odyssee zwischen Behörden und Jugendheim, Dealerszene und Straßenstrich, erweist sich Hellkamp als rettender Anker. Da Kendal von dem Drogensyndikat immer wieder zu neuen kriminellen Handlungen erpresst wird und die Polizei über Hellkamp und Kendal an den Drahtzieher der Bande herankommen möchte, eskalieren die Auseinandersetzungen zu einem Finale, das der Junge schwer verletzt überlebt. An seiner Stelle fährt Hellkamp in Kendals Dorf und überbringt der prächtig geschmückten Braut das ersehnte Geschenk von ihrem Bruder.
Roland Suso Richter ist ein Regisseur, der die Leinwand liebt. Und so sind auch die Bilder seiner Geschichten: Sie schreiten die Leinwand in voller Breite und Höhe ab, nutzen jeden Raum. Auch dort, wo Richter für das Fernsehen inszenierte – die besten Beispiele: "Svens Geheimnis" und "Die Bubi Scholz Story" – hatte er das Kino im Kopf. "Eine Hand voll Gras" beginnt und endet mit beeindruckenden Totalen von der Landschaft, in der Kendal aufgewachsen ist: ein kleines Dorf im wilden Kurdistan; gedreht allerdings im Iran. Und in Hamburg, wenn sich die Handlung verdichtet und actionreicher wird, gibt es zwischendurch atemberaubend schöne Bilder vom spätabendlichen wolkengestalteten Himmel über der Skyline der City. Stimmungsvolle ästhetische Konfektionen, die den Schmutz und die Härte des Geschehens umso eindringlicher visualisieren.
"Eine Hand voll Gras", ein Film über die Freundschaft zweier Außenseiter, die gemeinsam stark werden, wurde durch eine SPIEGEL-Reportage angeregt: Es ging um strafunmündige kurdische Kinder, die zum Dealen eingesetzt werden. Uwe Timm, Autor renommierter Kinder- und Jugendfilme wie "Der Flieger" und "Rennschwein Rudi Rüssel", hat umfänglich recherchiert und daraus mit Kendal eine Figur entwickelt, die der Realität sehr nahe kommt. Ein authentischer Film mit glaubwürdigen Charakteren als Identifikationsfiguren für (ältere) Kinder und Erwachsene.
Ohne die schauspielerischen Glanzleistungen der beiden Protagonisten Kendal und Hellkamp würde der emotionale Gehalt des Films nicht überzeugen, sondern eher einem Feature über die bekannten Problemsituationen und -szenen gleichen. Oliver Korittke ist im Gegensatz zu seinem "Musterknaben"-Image, wo er ausgeflippt und überdreht auftreten kann, angenehm zurückgenommen; eine subtile, ins Innere gerichtete Charakterstudie. Und Arman Inci als Kendal ist für mich die Überraschung des Jahres. Der aus einer Schauspielerfamilie stammende, 1991 in Kreuzberg geborene Junge, der zurzeit die 3. Klasse einer Grundschule in Berlin Kreuzberg besucht, trägt den Film in allen Facetten. Bravourös meistert er die enorm hohen Anforderungen, einerseits wie ein Kind zu empfinden und zu handeln, andererseits wie ein Erwachsener agieren und reagieren zu müssen. Eine Leistung, die bei der Vergabe des Deutschen Filmpreises 2001 nicht übergangen werden darf.
Horst Schäfer
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