Produktion: Bionaut Prod. / Ceska Televisie / UPP; Tschechische Republik 2002 – Regie: Zdenek Tyc – Buch: Tereza Boucková – Kamera: Patrik Hoznauer – Schnitt: Jaromir Vasek – Musik: Jablkon, Rúzné Pisné – Darsteller: Ivan Trojan, Petra Spalková, Lukás Rejsek, Jan Cina, Tom's Klouda, Zdenek Dusek u. a. – Länge: 96 Min. – Farbe – Verleih: offen -Weltvertrieb: Bionaut Production, U Zvonarky 14, 120 00 Praha 2, CR, Tel./Fax +420-222-517 908, e-mail: bionautbionaut.cz / deutschsprachige Länder: Albrecht Media, Tel./Fax +420-556-700 801, e-mail: eva.hermanova@centrum.cz – Altersempfehlung: ab 14 J.
Publikumsjurys bei Festivals sind manchmal klüger als die der "Profis". Beim Filmfestival "Finale" im tschechischen Pilsen im April 2003 honorierten die Zuschauer ein von der Hauptjury völlig übersehenes Beispiel realistischen, problemorientierten Kinos. In Zdenek Tycs Film "Smradi" (was hier soviel wie "Kleine Stinker" heißen müsste) geht es um den Umgang mit der Minderheit der Roma im Land – ein offenbar immer noch virulentes Problem, denn auch der erstmals parallel laufende Dokumentarfilmwettbewerb behandelte es mehrfach.
Tyc und seine Drehbuchautorin Tereza Boucková erzählen von Marek und Monika, einem jungen Paar, das zum eigenen, asthmakranken Sohn noch zwei Roma-Jungen aus einem Heim adoptiert hat und mit ihnen aus der Hauptstadt umzieht in ein kleines Dorf. In Prag vertrug der kleine Matej die Luft nicht, doch auf dem Land schlägt ihnen nun ein auf andere Art vergiftetes Klima entgegen: Ein verbohrter, rassistischer Herr namens Barta setzt alles daran, den beiden Adoptivsöhnen jede nur denkbare Missetat anzuhängen. Als von irgendwoher ein Stein die Scheibe seines Autos zertrümmert, hat niemand den Steinewerfer gesehen, doch die beiden "schwarzen Teufel" Frantek und Lukas kommen Barta als Sündenböcke für seine rassistischen Tiraden gerade recht. Dass der Film auch am Ende uns die Identität des Steinewerfers nicht enthüllt, ist mehr als nur dramaturgischer Trick, um die Spannung zu steigern.
An dem cholerisch polternden, unausstehlichen Ekel Barta lässt Tyc kein gutes Haar, die Zuschauersympathien fallen darum fast automatisch den von ihm attackierten Jungs zu. Doch statt diese wie üblich im didaktisch versimpelnden Gut-Böse-Schema zu reinen Unschuldsengeln zu verklären, zeichnet Tyc sie als zwei ganz normale Jungen. Sie raufen, streiten, flunkern, spielen Streiche und kämen somit als "Täter" durchaus in Frage. Tyc geht sogar noch einen Schritt weiter: Wenn Lukas als der hellhäutigere der beiden gegenüber Frantek darauf besteht, "nur ein Halbzigeuner" zu sein, lässt Tyc ihn genau jene rassistische Denkweise arglos reproduzieren, deren Opfer sie beide werden.
Ein wenig irritierend ist nur die Bildgestaltung von Patrik Hoznauer, die das Wechselspiel von extremen Nah- und hohen Kran-Aufnahmen recht selbstverliebt betreibt und so dem Film ein paar gekünstelt wirkende Effekte aufsteckt. Den durchweg realistischen Grundton von "Smradi" kann das nicht nennenswert beschädigen, zumal die Dialoge von einer auch im Kinder- und Jugendfilm seltenen Stimmigkeit sind und Tyc auch die übrigen Figuren nicht als Typen, sondern als lebensechte Menschen zeichnet. Der Vater, der den beiden Rangen den Steinwurf durchaus zutraut und ihnen dann doch ihre Unschuldsbeteuerung glaubt, die von Bartas Attacken genervte Mutter, die ihre Wut nicht mehr zähmen kann, sie komplettieren eine ganz und gar normale Familie, und noch für eine Nebenfigur wie Bartas Frau hält der Film eine Szene bereit, die für Tyc's Figurenzeichnung typisch scheint: Zwar verrät sie der Mutter, dass Barta seine Anschuldigungen nicht beweisen kann, aber nicht ohne ihr zugleich vorzuhalten, dass sie doch besser "zwei nette tschechische Jungen" hätte adoptieren sollen.
Hans-Günther Dicks
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