Produktion: Sixteen Films / Road Movies / Tornasol / Alta / Scottish Screen / BBC; Großbritannien / Deutschland / Spanien 2002 – Regie: Ken Loach – Buch: Paul Laverty – Kamera: Barry Ackroyd – Schnitt: Jonathan Morris – Musik: George Fenton – Darsteller: Martin Compston (Liam), Michelle Coulter (Jean), Annemarie Fulton (Chantelle), William Ruane (Pinball), Gary McCormack (Stan), Tommy McKee (Liams Großvater) u. a. – Länge: 106 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleih: Ottfilm – Altersempfehlung: ab 14 J.
Ken Loach liefert, wie seine Kollegen Claude Chabrol und Woody Allen, nahezu in alljährlichem Turnus eine neue Arbeit ab. Bei Woody ist's die humoreske (Tragi-)Komödie, bei Maitre Chabrol der subtile Blick auf bourgeoise Abgründe, bei Loach das auf gesellschaftliche Wunden gehaltene Brennglas. So auch in "Sweet Sixteen", für den sein Drehbuchautor Paul Laverty 2002 in Cannes den Preis für das Beste Drehbuch erhielt.
Er ist 15. In sechs Wochen wird er 16. Liam (Martin Compston), der aus einfachsten Verhältnissen stammt, aufgewachsen im sozialen Nirgendwo. Dort, wo Großbritannien am hässlichsten ist. In sechs Wochen wird seine Mutter aus dem Knast entlassen. Da sitzt sie jetzt noch, sitzt die Strafe für ihren Freund Stan ab, einen Drogen-Dealer mit äußerst mittelmäßigen Sympathiewerten. Liam will seine Mutter zurück, will sie von diesem Stan loseisen, an dem sie noch immer hängt. Es wird ein Kampf um die Mutter, ein Kampf für die Zukunft, für ein mögliches Familienleben, das Liam sich so sehr herbeiträumt. Dafür beginnt er nun ebenfalls zu dealen, lässt sich von einem der Drogen-Bosse kaufen, bekommt eine schicke Wohnung inklusive neuem Mobiliar. Das kann, das darf die Mutter nicht ausschlagen. Es kommt unweigerlich zur Konfrontation ...
"Sweet Sixteen" ist ganz im typischen Stil Ken Loachs gehalten – nüchtern, karg, trocken. Einmal mehr betreibt der Brite Sozialkritik am eigenen Land, entwirft in schon bewährter Manier das Porträt eines Menschen, hier eines noch sehr jungen, der der lower class angehört, der es noch nie leicht hatte und es wahrscheinlich auch nie leicht haben wird. Liam, das ist einer, mit dem es das Leben nicht gut meint – auch wenn er es vielleicht mit dem Leben und den Menschen gut meint. So mit seiner Mutter. Doch das Leben, seine Mitmenschen, sie danken es ihm nicht. "Sweet Sixteen" ist, bei allem Engagement Loachs für soziale Minoritäten, nicht eben sein stärkster Film. Vielleicht hat er diesen Topos allzu oft schon behandelt, so dass man meint, vieles bei ihm gesehen zu haben, es Redundanzen innerhalb seines Werkes gibt, die – ähnlich wie bei seinem Regie-Kollegen Allen, wenngleich dort auch auf anderer Ebene – zu der nicht ganz unbegründeten Haltung führen, dass auch Loach nicht wirklich mehr Neues zu erzählen hat. Und bei bereits Erzähltem zählt nur der neue Blick, die neue Sehweise, die Neues zu eröffnen vermag. Diesen Blick vermisst man hier.
Thilo Wydra
Zu diesem Film siehe auch:
KJK 96-3/2003 - Interview - "Ich gebe denen eine Stimme, die man sonst nicht hört."
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