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Ausgabe 95-3/2003

WHALE RIDER

Produktion: South Pacific Pictures Ltd. / Pandora Film; Neuseeland / Deutschland 2002 – Regie: Niki Caro – Drehbuch: Niki Caro, nach dem Roman "The Whale Rider" von Witi Ihimaera – Kamera: Leon Narbey – Schnitt: David Coulson – Musik: Lisa Gerrard – Darsteller: Keisha Castle-Hughes (Paikea), Rawiri Paratene (Koro), Vicky Haughton (Flowers), Cliff Curtis (Porouangi), Grant Roa (Rawiri) u. a. – Länge: 101 Min. – Farbe -FSK: ab 6 J. – Verleih: Pandora (35 mm) – Altersempfehlung: ab 10 J.

Die Maori-Ureinwohner von Neuseeland glauben, dass ihre Vorfahren das Land mit Kanus entdeckt haben. Einige von ihnen stammen von Paikea ab, der vor vielen hundert Jahren auf dem Rücken eines Wales in diese Gegend gekommen ist. Seitdem wird der männliche Erstgeborene des Häuptlings zum legitimen Erben und zukünftigen Führer der Gemeinschaft bestimmt. Porouangi, der ältere Sohn des Stammesführers Koro, möchte diese Tradition an seine beiden Kinder weitergeben, doch Sohn und Mutter sterben bei der Geburt, nur die erstgeborene Tochter Pai überlebt. Tief enttäuscht und verletzt wendet sich der Vater von seinem Kind ab und wandert nach Deutschland aus, wo er sich zum anerkannten Künstler entwickelt.

Pai wird von ihren Großeltern Koro und Flower aufgezogen, die das Mädchen in ihr Herz schließen, obwohl Koro ihr die Schuld an der Misere des Stammes gibt und sie voller Vorurteile nicht als legitime Erbin anerkennen möchte. Nachdem sich herausgestellt hat, dass Pais Vater eine schwangere deutsche Freundin hat, versammelt Koro alle zwölfjährigen Jungen des Stammes und lehrt sie die alten Kampf- und Kulturtechniken, um wenigstens unter ihnen einen würdigen Nachfolger zu finden.

Pai wird von diesem Unterricht ausgeschlossen, lernt die alten Maori-Rituale aber heimlich mit Hilfe ihrs Onkels. Eines Tages stranden mehrere Wale, die Pai angelockt hat. Deren Schicksal und symbolisch auch das des ganzen Stammes scheint für Koro besiegelt, doch dann gelingt es Pai, die Wale unter Einsatz ihres Lebens zu retten. Erst jetzt erkennt Koro, wer allein dazu berufen ist, Paikeas Nachfolge anzutreten.

Die von der Neuseeländerin Niki Caro verfilmte Romanvorlage aus dem Jahr 1987 stammt aus der Feder des in Amerika lebenden Maori-Schriftstellers Witi Ihimaera, der sich an die mythologische Geschichte aus seiner alten Heimat erinnert fühlte, als sich ein Wal in den Hudson River vor New York verirrt hatte. Da seine beiden Töchter sich auch mehrfach darüber beklagt hatten, dass die meisten amerikanischen Actionfilme immer einen Jungen zum Helden machen und die Mädchen alle als hilfsbedürftig dargestellt werden, entschied er sich, für sie eine Geschichte zu schreiben, in der endlich einmal ein Mädchen zur wahren Heldin wird. Niki Caro arbeitete in ihrem Film diese Grundkonstellation noch weiter aus. Um keine falschen, künstlich wirkenden Bilder zu produzieren, drehte sie ihn komplett an den Originalschauplätzen der Legende und machte Pai zum Vorbild für alle Mädchen und Frauen, die ihren Wert und ihre Eigenständigkeit in einer von Männern dominierten Gesellschaft finden und leben wollen.

Das Besondere an Caros Film ist neben den sehenswerten Landschaftsaufnahmen und der einnehmenden, emotional tief bewegenden Geschichte, die durch die Szenen mit den gestrandeten Walen eine geradezu mystische Dramatik erhält, dass diese Emanzipationsgeschichte an keiner Stelle aufgesetzt wirkt.

Zu verdanken ist dies wohl der bei den Dreharbeiten erst elfjährigen Hauptdarstellerin Keisha Castle-Hughes, die beim Casting aus über 10.000 Bewerberinnen für die Rolle der Pai ausgewählt wurde und zuvor noch keinerlei Schauspielerfahrung hatte. Als wäre sie wirklich diese Pai in einer Mischung aus Zerbrechlichkeit und großer innerer Stärke spielt sie ihre Rolle mit einer Selbstverständlichkeit und Reife, die bei Kindern selten anzutreffen ist. Fast beiläufig fängt die Kamera Szenen ein, in denen sie andere Jungen mental, sportlich und selbst in Kampftechniken überrundet. So gewinnt man den Eindruck, alles was sie tut, geschieht aus innerer Berufung und nicht aus dem Willen heraus, besser als die anderen sein zu wollen. Man nimmt diesem kleinen Mädchen also ab, dass sie eine echte Führungspersönlichkeit ist, fast mythische, übersinnliche Fähigkeiten besitzt und trotz ihrer Verletzbarkeit mit klaren Vorstellungen von der Rolle, die ihr das Leben zugedacht hat.

"Whale Rider" hat schon zahlreiche internationale Preise gewonnen, darunter die Publikumspreise beim Filmfestival in Toronto, beim Sundance Film Festival und beim Rotterdam Filmfestival. Das ist auch kein Wunder, denn die Geschichte und das Thema sind weit über die kulturellen und regionalen Besonderheiten hinaus von nahezu universeller Gültigkeit, die Charaktere der Erwachsenen wirken in ihrer Ambivalenz glaubhaft, die optische Umsetzung mit vielen Großaufnahmen der Protagonistin ist ansprechend. Ein Film, der Herz und Verstand gleichermaßen anspricht und für Jung und Alt bestens geeignet ist, schließlich geht es darin auch ganz wesentlich um die Auseinandersetzung zwischen den Generationen.

Holger Twele

 

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