Produktion: Fourth Production Group of China Film Group Corp., China / Republik Korea 2002 – Regie: Chen Kaige – Buch: – Chen Kaige, Xue Xiao Lu – Kamera: Kim Hyung Koo – Schnitt: Zhou Ying – Musik: Zhao Lin – Darsteller: Tang Yun (Xiao Chun), Liu Peiqi (Liu Cheng), Chen Hong (Lili), Wang Zhiwen (Professor Jiang), Chen Kaige (Professor Yu) u. a. -Länge: 117 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Tobis (35mm) – Altersempfehlung: ab 12 J.
Der 13-jährige Xiao Chun erlebt eine glückliche Kindheit in der chinesischen Provinz mit seinem Vater, der sich rührend um den Sohn kümmert und versucht, ihm die Mutter zu ersetzen. Der Junge erfreut die ganze Dorfgemeinschaft mit seiner musikalischen Begabung. Sein gefühlvolles Geigenspiel lindert sogar Geburtswehen. Das Talent soll nicht in der Provinz verkümmern, also tut der Vater alles, um den bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Sohn zum wirklich großen Erfolg zu verhelfen. Als er genug Geld gespart hat, macht er sich mit Xiao, den besten Wünschen von Nachbarn und Freunden und mit einem Bündel Geldscheinen unter der selbst gestrickten Mütze auf in die große Stadt, nach Peking.
Für den Vater ist der Bahnhof das Tor zur Welt, für den Knaben ein Fenster zum weiblichen Geschlecht. Er beobachtet eine Frau, die aussieht wie ein Glamourgirl aus den Magazinen, die er heimlich sammelt. Einige Tage später wird er sie wieder treffen, Lili, eine Frau, die von Männern lebt und alles Geld, das sie von ihnen bekommt, genauso schnell wieder ausgibt. Der Vater sucht zielstrebig nach einem Musiklehrer und wird dabei mit dem kulturellen Werteverfall in der Hauptstadt konfrontiert. Alles ist käuflich, Geld ist das Wichtigste. Mit ländlicher Höflichkeit und fröhlicher Naivität bemerkt er nicht, was gespielt wird. Er gewinnt Professor Jiang, einen sensiblen Musiker, der im neuen China zum Versager wurde, der sich aber die Liebe und das Gefühl für die Musik bewahrt hat. Zum Erfolg kann er den Jungen Xiao nicht führen. Das verspricht Professor Yu, eine Kapazität, die im internationalen Musikgeschäft mitmischt. Xiao wird in seiner Talentschmiede aufgenommen. Der Junge verändert sich, nicht nur äußerlich, blickt auf seinen Vater herab, der sich für seinen Sohn abrackert und so gar nicht in das moderne Leben passt. Erst zum Ende des Films wird dem Jungen Xiao das große Geheimnis seines Lebens enthüllt.
Der chinesische Regisseur Chen Kaige (Jahrgang 1952), der vor zehn Jahren mit dem Oscar-gekrönten Film "Lebewohl, meine Konkubine" auch in Deutschland berühmt wurde, ist nach einem Ausflug nach Hollywood ("Killing me softly", 2002) nach China zurückgekehrt und hat mit "Xiaos Weg" einen engagierten Film über einen Heranwachsenden inszeniert. In den beiden Figuren – Vater und Sohn – spiegelt sich seine Haltung zu den Veränderungen in seiner Heimat, die er zuweilen plakativ anprangert.
Xiao sieht mit großen Augen in die neue Welt, begreift ziemlich schnell die Spielregeln und spielt sein eigenes Spiel. Der redliche Vater kommt gar nicht auf die Idee, dass er von Falschspielern umgeben ist und der angestrebte Erfolg eine Kehrseite hat. In selbstloser Liebe zu seinem Sohn geht es ihm nur darum, dessen angeborene Musikalität zum Blühen zu bringen. Xiao gerät in die Krise, als er sich immer mehr in Lili verliebt, die ihn einerseits behandelt wie einen gleichaltrigen Freund und dann wieder wie ein fremdes aufdringliches Kind. Für Lili verkauft er sogar seine geliebte Geige, um ihr einen verrückten Wunsch zu erfüllen. Xiao kommt zurück auf seinen Weg, als er erfährt, dass er als Säugling nebst einer Geige auf dem Bahnhof von seinem 'Vater' gefunden wurde, der sich geschworen hat, den sichtbaren musikalischen Auftrag der unbekannten Eltern zu erfüllen. Chen Kaige führt den jungen Hauptdarsteller unversehrt durch ein neues China, in dem es zugeht wie in einem Haifischbecken – ein provozierender Film mit dramaturgischen Brüchen und doch von der Hoffnung getragen, dass Solidarität und Mitgefühl nicht auf dem Weg verloren gehen.
Gudrun Lukasz-Aden
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