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Ausgabe 97-1/2004

OSAMA

OSAMA

Produktion: Barmak Film / NHK; Afghanistan / Irland / Japan 2003 – Regie und Buch: Siddiq Barmak – Kamera: Ibrahim Ghafuri – Schnitt: Siddiq Barmak – Musik: Mohammad Reza Darwishi – Darsteller: Marina Golbahari (Tochter), Mohammad Nadre Khwaja (Mullah), Mohammad Arif Herati (der Junge Espandi), Zubaida Sahar (Mutter) u. a. – Länge: 83 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleih: Delphi – Altersempfehlung: ab 14 J.

Der Junge Espandi, flink, gewitzt und überlebensstark, verkauft dem Filmemacher Weihrauch für einen Dollar. Er verkauft ebenso Sprüche und Glückwünsche. Auch die Taliban, die in Afghanistan herrschen, schüchtern ihn nicht ein. In diesem System haben es Mädchen und Frauen weitaus schwerer. Sie zählen nichts, sie dürfen nichts.

"Osama" erzählt von einem einzelnen Schicksal stellvertretend für ein geschundenes Volk. Ein seltenes Ereignis in diesem Land ist eine Demonstration von Frauen in hellblauen Burkas, die selbst gemalte Schilder vor sich hertragen, auf denen sie versichern, keine politischen Forderungen zu stellen. Es geht ums nackte Überleben tausender Witwen und alleinstehender Frauen, denen nach der Machtübernahme durch die Taliban verboten ist, allein aus dem Haus zu gehen. Wie sollen sie dann ohne Männer für ihren Lebensunterhalt sorgen? Brutal jagen die Machthaber die Frauen und Kinder auseinander. Dabei trifft Espandi auf eine Frau und deren Tochter, die sich vor den Wasserwerfern schützen. Die Mutter eilt mit ihrer Tochter nach Hause. In ihrer Verzweiflung sieht sie nur die Möglichkeit, ihren jetzt verbotenen Beruf – Krankenhausärztin – privat weiter auszuüben. Die zwölfjährige Tochter, scheu und zerbrechlich, muss als Junge verkleidet werden, um sie draußen als männlicher Verwandter zu begleiten. Doch auch das wird unter den Augen der Taliban zu gefährlich.

Die Mutter bringt ihren "Sohn" zu einem bekannten Ladenbesitzer, bittet ihn um Arbeit für Osama, so heißt die Tochter jetzt, um nicht zu verhungern. Der erste, der ihre wahre Identität erkennt, ist Espandi; er droht sie zu verraten, und doch ist er es, der Osama zunächst vor den Nachstellungen der Mullahs retten kann. Sie wird schon nach wenigen Tagen wie alle Jungen in den Straßen von Kabul in ein als Koranschule getarntes Ausbildungslager getrieben. Eine Qual für das Mädchen – die Angst vor Entdeckung ihres wahren Geschlechts steigert sich von Szene zu Szene. Espandi kann die Katastrophe bei den rituellen Waschungen nicht verhindern.

Siddiq Barmak (1962 in Afghanistan geboren), für Buch, Regie und Schnitt verantwortlich, hat mit "Osama" den ersten Film in Afghanistan seit dem Untergang der Taliban realisiert – "der Film, den es bis jetzt nicht geben konnte", wie der Delphi-Filmverleih wirbt. Seine eigene Geschichte ist eng verknüpft mit der seines Landes. Nach einem Regie-Studium an der Universität Moskau kehrt Barmak nach Afghanistan zurück und kämpft 1989 für die Mudschaheddin in Nordafghanistan. Bis 1996 ist er Direktor der staatlichen Produktionsfirma und des Filmarchivs "Afghan Film". Er führt bei mehreren Kurzfilmen Regie und verlässt 1996 Kabul, nachdem die Taliban das Regiment übernommen haben. Nach deren Sturz kehrt er zu Afghan Film zurück und leitet seit einem Jahr die Afghanische Kinder-Erziehungs-Bewegung (ACEM), dessen Leiter zuvor der iranische Regisseur Mohsen Makhmalbaf war, mit dem Ziel, Kinder an literarische, kulturelle und künstlerische Bereiche heranzuführen. Dem Film kommt dabei eine besondere Bedeutung zu in einem Land mit 85 Prozent Analphabeten.

"Osama" beginnt wie eine Reportage und wendet sich dann einer persönlichen Lebens- und Leidensgeschichte zu. Der Film macht auf beklemmende Weise die Auswirkungen eines menschenverachtenden Regimes deutlich, auf Frauen, denen die Existenzgrundlage entzogen ist, auf Kinder, denen die Kindheit geraubt wird. Mit poetischen und ergreifenden Bildern, die Emotionen wie Mitleid, Trauer, Zorn auslösen über ein System des physischen und psychischen Terrors. Insbesondere Marina Golbahari als "Osama" bleibt lange im Gedächtnis, ein Mädchen, das auf den Straßen Kabuls lebte und noch nie mit Film in Berührung gekommen war, sich im Laufe der Filmarbeiten zu einer ausdrucksstarken Darstellerin entwickelte, die den Schrecken, die Angst und die Fremdheit des Geschlechterwechsels mit großer Intensität verkörpert.

Der Film ist ein wichtiger Beitrag für Afghanistan auf dem Weg in eine neue Zeit, die noch von dem Trauma der leidvollen Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit geprägt ist, und gleichzeitig ist er ein Plädoyer für Toleranz und Humanität, dem viele auch junge Zuschauer bei uns zu wünschen sind.

Gudrun Lukasz-Aden / Christel Strobel

 

Bundesverband Jugend und Film e.V.OSAMA im Katalog der BJF-Clubfilmothek unseres Online-Partners Bundesverband Jugend und Film e.V.

 

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