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Ausgabe 99-3/2004

HOP

Produktion: Executive Productions / Signature Films / Sokan, Brüssel, in Koproduktion mit R.T.B.F. und R.V.R.T.; Belgien 2002 – Regie und Buch: Dominique Standaert – Kamera: Remon Fromont, Michel Baudour – Schnitt: Dominique Lefever – Musik: Vincent D'Hondt – Darsteller: Kalomba Mbuyi (Justin), Jan Decleir (Frans), Antje De Boeck (Gerda), Alexandra Vandernoot (Taminiaux), Ansou Diedhiou (Dieudonné) u. a. – Länge: 104 Min. – Farbe und Schwarzweiß – Weltvertrieb: Brussels Ave, e-mail: brusselsavenue@compuserve.com – Altersempfehlung: ab 14 J.

Der "Hop" ist ein wirkungsvoller Trick, mit dem sich ein Kleiner die Großen, ein David den Goliath und der von der Ausländerpolizei gejagte 13-jährige afrikanische Flüchtlingsjunge Justin aus Burundi am Ende gar Belgiens politische Administration unterwerfen kann. Wie der aufgeweckte Junge seinen staunenden Mitschülern in einem mitreißenden, intelligent aufgebauten Vortrag erklärt, geht der Hop auf die Pygmäen zurück, denen man in Afrika außerordentliche Kräfte und Weisheit nachsagt. Mit dem Hop haben sie sich zum Herrn über die afrikanischen Elefanten gemacht, weshalb Hannibal sie gebeten hat, ihn bei seinem Kampf gegen Rom zu unterstützen. Bekanntlich führten die Pygmäen ihre Elefanten über die Alpen und versetzten die Römer 217 v. Chr. am See von Trasimeno in solche Panik, dass sie in alle Richtungen flohen. Mehr als 20.000 von ihnen lagen schließlich am Grunde des Sees, der sich blutrot verfärbte. Die Pygmäen sahen darin ein Zeichen gegen das Töten von Menschen, weshalb Hannibal nun ohne sie und die Elefanten gegen die Römer zu Feld ziehen musste. Die fassten wieder Mut und bei Capua konnten sie ihn und sein Heer schließlich vernichtend schlagen. Daher, so Justins überraschender Schluss, ist es den Pygmäen zu verdanken, dass seine Kameraden und er heute französisch sprechen. Denn kein Französisch ohne Latein, ohne die Pygmäen kein Julius Cäsar. Wieso? Na, weil ohne sie Rom schon vor seiner Geburt zerstört worden wäre. Voilà!

Die Eins, die sich Justin mit dem Vortrag verdient, verleitet seinen Vater Dieudonné, ihm doch zu erlauben, für das Fußballspiel der belgischen Nationalmannschaft mit dem kongolesischen Mittelstürmer M'Penza die Leitung eines Nachbarn anzuzapfen. Aber dann ist auch Schluss mit lustig: Der erboste Nachbar erscheint und löst eine Kettenreaktion aus, an deren Ende Justin und sein Vater Hals über Kopf fliehen müssen, weil sie als illegale Einwanderer in Brüssel leben. Dieudonné wird geschnappt und ausgewiesen, Justin kommt bei Frans unter, einem Anarchisten, der eine fünfjährige Strafe verbüßt hat, weil er früher vor amerikanischen Konzernen Kochtöpfe in die Luft gejagt hat und es dabei drei Tote gegeben hat. Jetzt schreibt er an einem Buch über die Beziehung von Terrorismus und Friedens-Nobelpreis. Den hat man Begin und Arafat, Kissinger, Sadat und Mandela verliehen – alles Leute, so Frans zu Justin, die selbst viel mit Dynamit rumgespielt haben. Aus purer Sentimentalität hat er in seinem Haus immer noch ein paar Stangen versteckt. "Damit jagen wir das Atomium in die Luft, falls sie deinen Vater wirklich abgeschoben haben", beruhigt er den verstörten Justin, weil er nicht für möglich hält, dass man Dieudonné tatsächlich schon ausgewiesen hat.

Als Boute, sein Anwalt, die ungeheuerliche Nachricht bestätigt, ist Frans ratlos. Während er sich mit Gerda, einer großherzigen Freundin, die ihn heimlich liebt, darüber streitet, was man tun kann, verschwindet Justin – Geld und Dynamit hat er mitgenommen. Frans kann im letzten Moment ein Unglück verhindern, aber er verspricht dem Jungen, alles zu tun, um seinen Vater zurückzuholen. Nicht, indem sie tatsächlich ein prominentes Objekt explodieren lassen, sondern zeigen, dass sie es können – und so die öffentliche Aufmerksamkeit auf Justin und seinen Vater lenken. Doch wieder erweist sich, dass man mit Terror nicht spielen kann. Nachdem Kommissarin Taminiaux die "Revolutionäre Front der Anarchistischen Pygmäen" aufgespürt hat, Frans geschnappt wird, Justin ihn für tot hält und erneut auf sich allein gestellt ist, erlebt der Zuschauer klopfenden Herzens, wie der Junge mit der angekündigten Drohung ernst macht.

Dass er die Schleusen des Staudamms bei La Gileppe am Ende doch nicht in die Luft jagt, liegt nicht daran, dass man eiligst seinen Vater herbeigeschafft hat, sondern dass auch er wie ein Pygmäe fühlt, als sich der Stausee vor seinem inneren Auge blutrot verfärbt. Unter dem Bauch einer Kuh gelingt es Justin zu entfliehen – der Pygmäen-Trick, sich mit dem Kot des Tieres einzuschmieren, funktioniert eben nicht nur bei Elefanten – und dann hat er die alles entscheidende Idee, bei der der berühmte M'Penza eine wichtige Rolle spielt. Am Ende erlaubt der Innenminister aus Angst vor einem Skandal, dass Justin mit seinem Vater in Belgien bleiben und weiter die Schule besuchen kann.

"Hop" ist ein aufregend guter Film, der sein brisantes und hochaktuelles Thema in Form eines intelligenten, spannenden Krimis mit Verantwortungsbewusstsein, Humor und genauer Kenntnis von Mensch und Milieu vor uns entfaltet. Mit interessanten Charakteren – unvergesslich der Anarchist Frans (Jan Decleir) und die zwei starken Frauen, seine liebevolle Freundin Gerda (Antje De Boeck) und die von Alexander Vandernoot verkörperte Kommissarin, die sich als Profi in einer von Männern dominierten Welt behauptet und keinerlei Gefühle für das Einwandererkind aufkommen lässt. Da gibt es keine falschen Töne, kein Pathos, keine Längen. Erstaunlich für ein Spielfilm-Debüt und erstaunlich, wie überzeugend der damals 13-jährige Kalomba Mbuyi die schwierige Rolle von Justin über die Leinwand bringt. Man wünscht diesem eindrucksvollen Schwarzweiß-Film – nur die Sequenzen, wenn sich der Lago di Trasimeno bzw. der Stausee rot färbt, sind in Farbe zu sehen – auch bei uns größtmögliche Verbreitung. Er wäre zum Beispiel eine ideale Grundlage für Schul-Diskussionen über die Ausländerproblematik.

Uta Beth

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 99-3/2004 - Interview - "Keine Lanze für den Terrorismus"

 

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