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Ausgabe 100-4/2004

RHYTHM IS IT

Produktion: Boomtown Media / Cine Plus; Deutschland 2004 – Regie: Thomas Grube, Enrique Sánchez Lansch – Kamera: René Dame, Marcus Winterbauer – Schnitt: Dirk Grau, Martin Hoffmann – Musik: Karim-Sebastian Elias, Igor Strawinsky – Länge: 104 Min. – Farbe FSK: o. A. – Verleih: Piffl – Altersempfehlung: ab 10 J.

Dies ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Film, den man mit glühender Begeisterung weiter empfiehlt, ungeachtet der verbalen Hürde des etwas sperrigen Titels, was aber dazu veranlasst, im gleichen Atemzug das ganze Filmprojekt vorzustellen ... Es geht um Musik und Tanz, um die Begegnung zwischen hochkarätigen Künstlern und jungen Leuten aus sozialen Brennpunkten, um das Erlebnis eines gemeinsam erarbeiteten Werkes, und es geht um lebenswichtige Erfahrungen bei dem künstlerischen Prozess.

Berlin im Winter 2002/03. Mit dem britischen Dirigenten Simon Rattle hat eine neue Ära begonnen und ein Schwerpunkt der künstlerischen Arbeit der Berliner Philharmoniker ist das Education-Projekt "Zukunft@BPhil". Das vierte Projekt in diesem Rahmen ist eine Premiere und ein Wagnis. Igor Strawinskys Ballett "Le Sacre du Printemps" – ein Stück, das wegen seiner Modernität bei der Uraufführung in Paris 1913 für einen Skandal gesorgt hatte – wird in einer ungewöhnlichen Besetzung einstudiert und aufgeführt. Bei dem Sacre-Projekt kommt es zur ersten Zusammenarbeit zwischen Simon Rattle und dem Choreographen Royston Maldoom, Gründer von Dance United, der seit 30 Jahren mit seinem roten Postbus um die Welt fährt und Tanzprojekte vorwiegend an politischen Brennpunkten realisiert, etwa in Zagreb während des Balkankrieges, mit Straßenkindern in Südafrika und Peru.

In Berlin arbeitet Royston Maldoom über sechs intensive Wochen mit 150 Schülerinnen und 89 Schülern aus zwei Grundschulen, zwei Oberschulen und zwei Tanzstudios. Da die 11- bis 17-Jährigen aus sehr unterschiedlichen sozialen Milieus kommen, 25 verschiedenen Nationalitäten angehören, teilweise mangelhaft deutsch sprechen und in Förderklassen gehen, die meisten noch nie mit Tanz und klassischer Musik zu tun hatten – kann man sich die erste Probenphase vorstellen. Und es ist faszinierend zu beobachten, wie dieses ganze Durcheinander mehr oder weniger motivierter, unkonzentrierter bis lustloser Kinder langsam eine Struktur bekommt. Royston Maldoom ist ein verständnisvoller, doch strenger Lehrer, der die jungen Leute immer wieder darauf verweist, auf sich selbst zu hören, sich des eigenen Körpers bewusst zu werden und zur Ruhe zu finden. Er ist sich sicher, dass sie ein enormes Potenzial an Energie haben, das nur konsequent gefordert werden muss. Das sind die Kinder – und offensichtlich auch die Lehrerinnen – nicht gewohnt. Eine drückt es in einer Trainingspause so aus: "Wir sind hin und her gerissen. Einerseits verstehen wir den künstlerischen Anspruch oder die Herangehensweise, die Schüler zu fordern und zu pushen und als Künstler zu behandeln. Andererseits sehen wir, dass schon fast alle an ihrem Limit arbeiten." Dass sie nicht am Limit waren, zeigt die Aufführung im Januar 2003 in der Treptower Arena, einem ehemaligen Bus-Depot am Ufer der Spree, die ein großer Erfolg für alle Beteiligten war.

Die Filmemacher Thomas Gruber und Enrique Sánchez Lansch haben die gesamte Probenzeit – parallel die Tanzproben der Schüler und die Orchesterproben der Berliner Philharmoniker – dokumentiert und aus 200 Stunden Rohmaterial ein beeindruckendes Porträt dieses hervorragenden Projekts gestaltet, das selbst Zuschauer, die weniger an Ballett und Tanz interessiert sind, mitnimmt. Es geht ihnen so wie den jungen Protagonisten, deren Begeisterung spürbar wächst und die für sich selbst wichtige Erfahrungen machen. Im Film werden drei näher vorgestellt: Marie, 14 Jahre, die um ihren Hauptschulabschluss bangt, nach eigenen Aussagen etwas faul ist, die sich aber auf dieses Projekt immer mehr einlässt; Martin, 19 Jahre, leidet unter Berührungsangst, die er im Laufe des Trainings überwindet, indem er immer freier wird und seinen Gefühlen Ausdruck geben kann; Olayinka, ein 15-jähriger Junge, vor kurzem als Kriegswaise aus Nigeria nach Deutschland gekommen, hat zum Tanz eine emotionale Beziehung, die er in diesem Projekt leben kann.

Das alles ist gut gegliedert, so dass der Schaffensprozess, Durchhänger wie Höhepunkte, nachvollziehbar werden. Die erste Begegnung zwischen den jungen Tänzern und dem Orchester in der Philharmonie gehört mit zu den berührendsten Szenen – Kinder aus Kreuzberg oder woher auch immer, die zum ersten Mal im Konzertsaal sitzen, von Simon Rattle humorvoll begrüßt, ernst genommen über soziale Schranken hinweg. Und die Arbeit im Zukunft@Bphil-Programm geht weiter, 2004 mit "Daphnis et Chloé" und 2005 folgt Strawinskys "Feuervogel". Ein verdienstvolles Projekt, das "Rhythm is it" einem größeren Publikum bekannt gemacht hat und absolut guter Stimmung und voller Zuversicht entlässt.

Anmerkung zum Schluss: Im Zeitalter der wahllos ins Netz gestellten "down-load-Pressehefte" ist das ausgesprochen informative und gut gestaltete Print-Presseheft, das der Berliner Verleih Piffl Medien zum Film herausgebracht hat, eine besondere Erwähnung wert.

Christel Strobel

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 106-4/2006 - Hintergrund - ... am Anfang hörte es sich wie Krach an ...

 

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