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Ausgabe 104-4/2005

DIE STRASSENKINDER-TRILOGIE

GARBA

Produktion: La Luna Production, Paris; Burkina Faso / Frankreich 1998 – Regie und Buch: Adama Roamba – Kamera: Paul Djibila – Schnitt: Zoé Durouchoux – Musik: Jean Claude Soubeiga – Darsteller: N'Guessan, Oumar, Ouattara Souleyman, Thomas Ouedraogo, Ali Yonli, Myriam Momo – Länge: 25 Minuten – Farbe (16mm) – Weltvertrieb: La Luna Production, 20, passage de la Bonne Graine, F-75011 Paris, e-mail: diffusion@lunaprod.com, Telefon: 0033 (0)1 48 07 56 00, Fax: 0033 (0)1 48 07 11 88

MOUKA

Produktion: La Luna Production; Burkina Faso / Frankreich 2000 – Regie und Buch: Adama Roamba – Kamera: Nara Keokosal – Schnitt: Zoé Durouchoux – Musik: Patrice Kanzai, Blandine Yaméogo – Darsteller: Thierry Lankouandé, Blandine Yaméogo, Sylvie Homawoo, Seydou Bandé – Länge: 22 Minuten – Farbe (Super 16/35mm) – Weltvertrieb: La Luna Production

SOURCE D'HISTOIRE

Produktion: Films 21, Ouagadougou; Burkina Faso 2002 – Regie und Buch: Adama Roamba – Kamera: Paul Djibila – Schnitt: Martine Brun, Noémie de Foucher – Musik: Dim Jeremie, Djata, Sara Carrere – Darsteller: Thomas Ouédraogo, Gustave Sorgho, Oumar Samake, Souleymane Ouattara, Roland Bébas, Maria Compaoré, Thierry Lankouan – Länge: 25 Minuten (Super 16/35mm) – Weltvertrieb: Films 21 09, BP 316 Ouagadougou 09, Tel/Fax: 00226 39 18 09, e-mail: radama21@hotmail.com

Bereits seit Jahren befasst sich der Filmemacher Adama Roamba aus Burkina Faso mit Straßenkindern und legte beim panafrikanischen Filmfestival FESPACO 2003 in Ouagadougou (Burkina Faso) mit "Source d'histoire" den abschließenden Teil der Trilogie vor, die er 1998 mit "Garba" begann. Auslöser war eine eher zufällige Begegnung mit einem Kind, das auf der Straße lebte.

In "Garba" flieht der Titel gebende achtjährige Waisenjunge zusammen mit zwei Freunden aus einer traditionellen Koranschule in die Hauptstadt Ouagadougou, die von vielen nur Ouaga genannt wird. Denn schlimmer als unter dem Regiment ihres Marabou, der sie zum Betteln anhielt und abends das erbettelte Geld einkassierte, kann es auf den Straßen Ouagas auch nicht sein. Hier treffen sie den gleichaltrigen Sidy, der sie in die Regeln des harten Straßenlebens einweiht. Eines Tages begegnen sie David, einem kleinwüchsigen Mann, der es mit eiserner Energie zu einigem Wohlstand gebracht hat und den Kindern – vor allem Garba – auch gegen den Willen seiner Ehefrau zur Seite steht. Schließlich weiß er aus eigener Erfahrung, wie sich Missachtung und Diskriminierung anfühlen. Am Ende hat Garba ein neues Heim gefunden und die beiden Freunde kehren in die Koranschule zurück: Denn schlimmer als auf den Straßen Ouagas kann es dort nicht sein.

"Garba" geht sein Thema in Form eines quasidokumentarischen, auf den Straßen Ouagadougous gedrehten Spielfilms an, der vor allem seiner ungeschliffenen, fast rohen Inszenierung und seines appellativen Charakters wegen im Gedächtnis bleibt. Schon hier finden sich Motive, die auch in den nächsten zwei Filmen eine Rolle spielen: Adama Roamba gibt den "Opfern" Namen und Gesicht und appelliert zugleich an die Verantwortung jedes einzelnen, der (wie David) eingreifen kann. Trotz seines ungeschliffenen Looks, der sicherlich auch durch das Format bedingt ist, überzeugt dieser erste Film vor allem wegen des präzisen Spiels der Laien und des intelligenten Musikeinsatzes.

"Mouka" hingegen ist von ganz anderer Qualität und beweist auch den Reifeprozess des Filmemachers. Der ebenfalls auf den Straßen Ouagas gedrehte Film führt nach und nach zwei Ebenen zusammen, die zunächst nicht viel miteinander zu tun zu haben scheinen. Da ist der zehnjährige taubstumme Mouka, der sich allein auf der Straße durchschlagen muss, weil seine Mutter nach dem Tod des Vaters spurlos verschwunden ist. Täglich besucht er das Grab seines Vaters und manchmal erinnert er sich an die Liebe seiner Mutter. Und dann ist da "Die Verrückte", die in einem Knast vor den Toren der Stadt sitzt, der von einer westlich orientierten jungen Frau geleitet wird, sehr zum Verdruss der machohaften Wächter, die nur ungern Befehle von einer Frau entgegennehmen.

In elaborierter Inszenierung und mit einer zu Recht beim FESPACO 2001 preisgekrönten Kamera führt er die beiden Storylines zusammen und nach und nach erfahren wir die ganze Wahrheit: "Die Verrückte" ist Moukas Mutter und sitzt seit Monaten in Haft, weil sie ihren Ehemann, Moukas Vater, ermordet haben soll. Doch dafür gibt es nicht den Schatten eines Beweises, was ihr nichts nützen würde, gäbe es da nicht die engagierte Leiterin des Knastes, die für ihre Freilassung sorgt und so Mouka und seiner Mutter ein Happy End gönnt. Geschickt verbindet Roamba die beiden Linien, von der jede eine eigene Musikfarbe hat und macht sie zu einer stringenten Geschichte, die ganz nebenbei noch Raum bietet für durchaus ironische Anspielungen auf Gesellschaft und Politik in seiner Heimat Burkina Faso: Allein die kurzen Telefonate der Leiterin des Gefängnisses mit ihrem Gönner und Vorgesetzten verraten mehr über Vetternwirtschaft und Vitamin B als so manch langer Film. Ein Film, der gleichermaßen für Kinder und Erwachsene gemacht ist und die Linien fortsetzt, die Roamba in "Garba" anlegte: Der Appell an die Verantwortung des einzelnen und daran, Macht und/oder Reichtum nicht nur zur Befriedigung eigener Bedürfnisse zu nutzen.

Motive, die sich auch im letzten Teil der Trilogie wiederfinden: "Source d'histoire", der beim FESPACO 2003 erneut den Preis für den besten Kurzfilm erhielt. Schon der Titel appelliert an die Verantwortung des einzelnen: Was wir heute tun oder lassen, ist der Ursprung dessen, was spätere Generationen als Geschichte unterrichtet bekommen werden. Hier erzählt Roamba – wieder in Parallelmontage – die Schicksale zweier Gruppen von Kindern. Da sind zum einen die Kindersoldaten, die in die Rebellenarmee gepresst wurden, und daneben Kinder aus einem Dorf irgendwo auf dem Land, deren Ort zum Ziel eines Rebellenangriffes wird, bei denen einer der Kindersoldaten ihnen nicht nur das Leben rettet, sondern am Ende auch einen der Jungen davor bewahrt, selbst zum Soldaten gepresst zu werden. Fast ohne Musik, nur mit den Geräuschen des Dschungels, erzählt Roamba in symbolischen und dichten Bildern alltägliche Kinderschicksale eines von Bürgerkriegen zerrissenen Kontinents. Wieder stellt er die Verantwortung des einzelnen – hier des besonnenen Soldaten – und dessen Möglichkeit etwas zu tun, in den Mittelpunkt.

Roambas Trilogie vom Schicksal afrikanischer Kinder erweist sich nicht nur als realistische Schilderung afrikanischer Zustände, sondern auch als Dokument des Reifeprozesses eines jungen Filmemachers, von dem man noch einiges erwarten darf.

Lutz Gräfe

 

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KJK-Ausgabe 104/2005

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