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Ausgabe 107-3/2006

DAUMENLUTSCHER

THUMBSUCKER

Produktion: This Is That / Bullseye Entertainment / Westwood; USA 2004 – Regie: Mike Mills – Buch: Mike Mills, nach dem Roman von Walter Kim – Kamera: Joaquín Baca-Asay – Schnitt: Haines Hall, Angus Wall – Musik: Kent Sparling (Sounddesign) – Darsteller: Lou Taylor Pucci (Justin Cobb), Tilda Swinton (Audrey Cobb), Chase Offerle (Joel Cobb), Vincent D'Onofrio (Mike Cobb), Kelli Garner (Rebecca), Keanu Reeves (Dr. Perry Lyman) u. a. – Länge: 94 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih: Stardust – Altersempfehlung: ab 12 J.

Trotz seiner 17 Jahre lutscht der sensible Schüler Justin Cobb noch an seinem Daumen. Er ist darüber sehr unglücklich, denn er befürchtet, das Leben und die Liebe zu einer Mitschülerin könnte ihm durch diese Angewohnheit entgleiten. Von seinem selbstbewussten Guru-Zahnarzt (kongenial besetzt mit Keanu Reeves), der sich zugleich als Psychologe und Esoteriker begreift, erhält er den Rat, es mit einer Hypnose-Therapie zu versuchen. Doch damit fangen die Probleme für Justin erst so richtig an. Er erkennt, dass das Daumenlutschen nur ein Symptom für eine tief sitzende Angst in ihm ist, die er unbewusst von seinem Vater übernommen hat. Dieser hatte als junger Mann wegen einer Knieverletzung eine viel versprechende Sportkarriere an den Nagel gehängt und ist seitdem der Überzeugung, eigentlich nicht gut genug für seine Frau zu sein. Diese wiederum macht gerade eine Midlife crisis durch und arbeitet als Krankenschwester in einer Klinik für Drogenkranke. Auch Justin hat wie der Vater Angst davor, seine Mutter könnte die Familie verlassen, zumal sie heimlich und ausgiebig für einen bekannten Fernsehstar schwärmt, den sie endlich einmal persönlich treffen möchte. Nur Justins jüngerer Bruder scheint kaum Probleme zu haben, abgesehen davon, dass er sich von Justins Verhalten äußerst peinlich berührt fühlt.

Schließlich soll die regelmäßige Einnahme von Beruhigungspillen helfen – und siehe da, aus dem schüchternen Jungen wird alsbald ein seelenruhig agierendes, redegewandtes Monster, das die Mitschüler im Disput eiskalt an die Wand spielt und derartige Taktiken für ganz normal und selbstverständlich hält. Am Ende aber lernen alle, sich und die anderen realistisch zu sehen und zu akzeptieren, wie man eben ist.

Das handwerklich saubere, flott erzählte und von erstklassigen Darstellern glaubwürdig gespielte Debütwerk von Regisseur Mike Mills entstand nach dem gleichnamigen Roman von Walter Kirn. Es zeigt, leicht vergröbert und verzerrt, eine durchschnittliche amerikanische Mittelstandsfamilie in ihrem wirklich tragikomischen Versuch, so normal wie nur möglich zu sein. Dabei werden alle Beteiligten mit ihren Sehnsüchten, vor allem aber mit ihren Ängsten und Zweifeln konfrontiert und lernen erst mühsam, dass es nicht ihre vermeintlichen Stärken, sondern gerade ihre Fehler sind, die sie so menschlich und liebenswert machen. Das Besondere an dieser Erkenntnis ist, dass die Eltern ihren beiden Söhnen in dieser Hinsicht kaum ein Vorbild sind, zu stark fühlen sie sich in ähnlichen Selbstzweifeln verstrickt wie die jüngere Generation.

Zugleich verdeutlicht der Film, wie echte und vermeintliche Fehler und unerfüllte Wünsche der Eltern die eigenen Kinder belasten können und oft erst bei ihnen zu Symptomen führen, die dann einseitig an ihnen behandelt werden. Darüber hinaus nimmt die subtile und zugleich schräge Komödie äußerst humorvoll und einfallsreich gängige Erziehungsmethoden und propagierte "Werte" nicht nur der amerikanischen Gesellschaft aufs Korn und verschont dabei auch sich alternativ gebende esoterische Orientierungsversuche in einer ansonsten als undurchschaubar empfundenen Welt nicht. Das ist unabhängiges amerikanisches Kino ohne verlogene Botschaften und zugleich stilsichere Unterhaltung für Jung und Alt.

Holger Twele

 

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KJK-Ausgabe 107/2006

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