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Ausgabe 107-3/2006

MARCEL

"Ein Kämpfchen, das wär' schön"

Eine Langzeitgeschichte von Juliane Schuhler (BR 2006, 95 Min., s/w und Farbe)

Die Dokumentation beginnt im Jahre 1971 in der 1. Klasse einer Grundschule in München-Haidhausen. Ein Schüler fällt besonders auf: Marcel, von Haus aus intelligent, ansonsten eine Provokation. Er lässt sich nichts gefallen, kaspert rum, ist geltungsbedürftig, rechthaberisch, streitlustig. Das Lernen ist nicht sein Problem, sondern das Verhalten in der Klasse, das nach autoritären Mustern funktioniert. Ungeachtet der Diskussionen über antiautoritäre Erziehung geht es hier zu wie in alten Zeiten. Auch die Eltern sind der Meinung, dass man Ungerechtigkeiten hinzunehmen hat, in der Schule wie im Leben. Marcel ist da anderer Ansicht, ist antiautoritär aus sich heraus. Und das fasziniert die Filmemacherin. Sie verliert den Jungen nicht aus den Augen, begleitet ihn weiter mit der Kamera. Er kommt ins Gymnasium eines Internats, vom Jugendamt finanziert. Dort eröffnet sich ihm eine neue Welt, er liest viel, kommt von selbst auf A. S. Neill und Summerhill, fühlt sich erstmals verstanden. Dass er studieren wird, ist für ihn selbstverständlich. Und doch fliegt er mit 17 vom Gymnasium, weil er Zoff mit dem Englischlehrer hat.

Nachgeben wäre ein Leichtes gewesen, aber nicht für Marcel. Seinen Hauptschulabschluss macht er im Nachbardorf, lernt Kinderpfleger, macht das Abitur schließlich mit 26, studiert endlich Sozialpädagogik. Und ist tief enttäuscht vom Studium, das er dennoch beendet. Seine erste Stelle bekommt er in einem geschlossenen Mädchenheim. Wir erleben, wie er mit den schwierigen Mädchen umgeht, er versteht sie, sie akzeptieren ihn. Nächste Stationen seines Lebens – von der Kamera begleitet: Wegzug von München, Hochzeit in Paris mit Celine, seiner großen Liebe, Geburt des ersten Kindes, Marcel als Hausmann, Rückkehr nach Deutschland, Geburt des zweiten Kindes, Klassentreffen, neue Stellung, wegen der Kinder keine ganze. Der Film endet mit der Einschulung seiner Tochter in der Französischen Schule in München.

Die Langzeitdokumentation, die einen Zeitraum von 35 Jahren umfasst, basiert auf Juliane Schuhlers drei vorhergehenden Fernsehfilmen, deren Titel Marcels Lebensweg markieren: Marcel – oder die Frage nach der Ordnung (BR 1971, 45 Min., s/w); Marcel – Von den Schwierigkeiten ein 'braver' Schüler zu sein (BR 1978, 45 Min., s/w und Farbe); Marcel – oder die Frage nach der Anpassung (BR 1992, 45 Min., s/w und Farbe). Entstanden ist das Porträt eines Menschen, der sich nicht hat verbiegen lassen, der kein Spießer geworden ist und für den Geld nie eine Motivation war und ist. Die Standhaftigkeit Marcels macht diesen Film zu einem spannenden, nachhaltigen Erlebnis auch für Kinder und Jugendliche, zeigt er doch: Man kann es schaffen, auch wenn man sich nicht ein- bzw. unterordnet, auch wenn man aus einem Zuhause kommt, wo keine intellektuellen Vorgaben sind, keine Bücher. Marcel, heute 43 Jahre alt, nach der Premiere des Films beim Internationalen Dokumentarfilmfestival in München am 4. Mai 2006: "Wenn ich mir das jetzt anschaue, kann ich sagen, dass ganz gut viele Einzelaspekte von mir getroffen sind, dass sich eine Grundlinie widerspiegelt." Es ist die Grundlinie des aufrechten Gangs, die Heranwachsenden Mut macht, den eigenen Weg zu gehen, auch wenn er aus Umwegen besteht – Rückschläge inklusive.

Es ist zu wünschen, dass dieser Film wie einst der erste "Marcel"-Film auch über die Landesmedienzentren zu beziehen ist. Anfragen an die Redaktion des Bayerischen Rundfunks, Redaktion Dokumentarfilm, Christel Hinrichsen, Telefon 089-38065180

Gudrun Lukasz-Aden

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 107-3/2006 - Interview - "Marcel ist antiautoritär aus sich heraus"

 

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