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Ausgabe 109-1/2007

"Filme, das sind doch reine Träume"

Gespräch mit Peter Cattaneo, Regisseur und – neben Ben Rice und Phil Trail – Drehbuchautor des englisch-australischen Spielfilms "Opal Dream"

(Interview zum Film OPAL DREAM)

KJK: Neun Jahre nach dem Riesenerfolg mit "The Full Monty" ("Ganz oder gar nicht)", der für vier Oscars nominiert und am Ende für die beste Musik ausgezeichnet wurde, und fünf Jahre nach "Lucky Break" ("Rein oder Raus") haben Sie mit "Opal Dream" einen bewegenden Kinderfilm inszeniert und dem deutschen Publikum zur Eröffnung des Kinderfilmfestes der Berlinale 2006 präsentiert – wie wurde er von den jungen Zuschauern aufgenommen?
Peter Cattaneo: "Phantastisch. Trotz der langen Eröffnung mit all den Reden, die durchzuhalten für die Kleinen ja schon eine große physische Anstrengung erforderte, war es während des Films ganz still. Am Ende tobten die Kids vor Begeisterung."

Warum einen Film für Kinder? Haben Sie selbst welche?
"Ja, vier. Ein Baby, die anderen sind drei, sieben und acht Jahre. Aber damit hat das nichts zu tun. Einige meiner Lieblingsfilme handeln von Kindern, 'Mein Leben als Hund' von Lasse Hallstrøm zum Beispiel oder 'Sie küssten und sie schlugen ihn', dieser große intelligente Film von Truffaut hat mich geprägt. Und als ich 'Pobby and Dingan' gelesen hatte, den auch international sehr erfolgreichen ersten Roman meines englischen Landsmanns Ben Rice, wusste ich, dass ich alles dransetzen würde, um diese wundervolle Geschichte auf die Leinwand zu bringen. Ich bin zu Ben nach London gefahren, hab ihn davon überzeugt, dass ich der Richtige dafür bin, und dann haben wir beide uns an das Drehbuch gemacht. Genau vier Jahre hat es gedauert, bis wir mit dem Drehen anfangen konnten und das Tollste an dieser Arbeit war, dass ich dabei lauter faszinierende Sachen entdecken konnte."

Die Welt der Bergarbeiter in den Opal-Minen Australiens?
"Ja, ich muss zugeben, dass ich vorher von Opalen und ihrem Abbau absolut nichts gewusst habe. Ich bin also in die Heimat von Bens Frau geflogen – auf ihren Erzählungen beruht diese Geschichte – und habe mich im Süden Australiens umgesehen, ungefähr 900 km von Adelaide entfernt. Aus dieser Region kommen dreiviertel aller Opale auf der Welt. Erst war ich in Lightning Ridge, wo der Vater von Bens Frau auch nach Opalen geschürft hat. Ich bin dort selbst in ein paar Minen gestiegen – wenn man in den dunklen Tunnel herunterklettert und unten das schreckliche Gewicht der Erde über sich spürt, ist das schon Schwindel erregend. Aber ich ertappte mich dabei, dass auch ich dann immer weiter gegraben habe, weil ich unbedingt etwas finden wollte. Nach Feierabend setzte ich mich dann in die Bars und habe mir die abenteuerlichen Geschichten der Minen-Schürfer erzählen lassen. Merkwürdig, wie schnell man selbst von ihrem Fieber angesteckt wird. Ben hat die Landschaft dort als ziemlich trostlos beschrieben, weil er während einer Dürre-Zeit da war, aber ich fand zu meinem großen Erstaunen dort fruchtbares grünes Weideland vor. Also fuhr ich in das kleinere Coober Pedy und wusste sofort, dass ich die Geschichte hier ansiedeln musste. Die Landschaft war überwältigend, sie gab visuell dafür einfach mehr her, auch durch die Architektur und das Licht. Ich habe es total genossen, endlich einmal nicht in grauen englischen Parkhäusern, sondern frühmorgens oder auch abends im reinen Licht der tief stehenden Wüstensonne zu drehen."

Was hat Sie fasziniert an der Geschichte von Ben Rice?
"Sie hatte alles, was ich liebe und was mich interessiert: Sie erzählt von der Liebe, der Hoffnung und vom Vertrauen, von der Familie, vom Verlust und dem Mut, sich zu seinen Träumen zu bekennen – alles große Themen, die die Menschen in allen Kulturen berühren.

Wenn in dieser Friedhofs-Szene fast alle Bewohner an der Beerdigung von Kellyannes unsichtbaren Freunden teilnehmen, feiert die Phantasie Triumphe und die Fiktion von einem sozialen Miteinander wird überzeugende, anrührende und fröhliche Film-Wirklichkeit. War dieses Plädoyer für die Akzeptanz unterschiedlicher Lebens- und Verhaltensweisen eine Triebkraft für Sie?
"Nicht im Sinne einer Botschaft, nein. Aber man kann einen hoffnungsvollen Traum träumen und wenn man das gemeinsam tut, umso besser – das macht ja den Unterschied vom Menschen zum Tier aus und deshalb geht man ja auch ins Kino. Filme, das sind doch reine Träume, die in der Phantasie entstehen, und die Bilder, die letztlich auf die Leinwand kommen, sind zunächst auch unsichtbar. Sie kommen aus dem Dunklen und während man an seinem Film arbeitet, schwirren sie einem die ganze Zeit durch den Kopf."

Wo lagen die Schwierigkeiten in der Umsetzung der Geschichte und worin unterscheiden sich Buch und Film?
"Es ist eine ungeheure Herausforderung, zwei Personen zu filmen, die nur in der Vorstellung eines kleinen Mädchens existieren. Ich meine, Ben hat die Figuren im Buch genau beschrieben, aber sollte man sie in einem Film über die Einbildungskraft wirklich vorführen? Ich habe lange darüber nachgedacht und mich dann entschieden, sie nicht zu zeigen und der Phantasie der Zuschauer zu vertrauen. Als ich mir dann noch mal Henry Kosters 'Mein Freund Harvey' von 1950, diese phantastische Komödie mit Jimmy Stewart und seinem unsichtbaren Hasen, angesehen habe, bin ich auf die Idee gekommen, Kellyanne ihre imaginären Freunde für den 'Steckbrief' zeichnen zu lassen. Diese für den Film so wichtige Szene gibt es in dem Buch nicht. Ich musste visuell einiges einfügen, aber im Wesentlichen folgt der Film schon dem Buch."

Wer hat Pobby und Dingan denn gezeichnet und woher stammen eigentlich die Kinderzeichnungen im Abspann?
"Erstmal schickten wir Beschreibungen der beiden an die Grundschule von Coober Pedy und erhielten viele gute Zeichnungen der Kinder zurück. Aus denen wählten wir dann die besten für den Film aus. Aber während ich noch an dem Drehbuch arbeitete, habe ich eine wissenschaftliche Untersuchung über imaginäre Freunde von Marjorie Taylor von der Universität Maryland gelesen – man sollte nicht glauben, wie viele völlig unterschiedliche Kinder sich aus ganz verschiedenen Motiven solche nur in ihrer Einbildungskraft existierenden Spielgefährten halten. In ihrem Buch hatte Marjorie Taylor auch einige phantastische Kinderzeichnungen abgebildet, deren Rechte wir dann mit ihrer Erlaubnis von den Eltern der Kinder für je 50 Pfund abgekauft haben. Weiter haben wir einen Aufruf im Internet gestartet und die phantastischsten Kinderzeichnungen von imaginären Freunden aus Sri Lanka, der Tschechischen Republik und vielen anderen Ländern der ganzen Welt erhalten."

Ihr Film besticht auch durch grandiose Darsteller – wie haben Sie denn Ihre beiden Hauptdarsteller gefunden?
"Alles in diesem Film steht und fällt mit der richtigen Auswahl der Kinder. Dementsprechend lange und schwierig war das Casting der beiden. Unsere Casting-Direktorin Nikki Barrett ist kreuz und quer durch Australiens Schulen und Jugendclubs geeilt, sie hat Aufrufe im Radio und in den Zeitungen aufgegeben und sich Tausende von Kindern angesehen. Am Ende hat sie mir mehrere 100 Videos nach England geschickt, wo ich am Script gearbeitet und mich gewundert habe, wie viele Kinder es in Australien gibt. Sapphire Boyce, unsere Kellyanne, war gleich bei den ersten dabei. Als sie dann noch von ihren eigenen unsichtbaren Freunden erzählte, habe ich sie mit 20 anderen Mädchen getroffen und die Suche nach ihrem Bruder und den Eltern nach ihr ausgerichtet. Aber Ashmol, den nicht minder phantastischen Christian Byers, haben wir erst im letzten Augenblick gefunden."

Wie bereiteten Sie sie denn auf ihre Rolle vor?
"Sie lasen zu Anfang das Script. Aber dann habe ich ihnen geraten, ihre Dialoge nicht auswendig zu lernen, sie würden das beim Drehen schon mitkriegen. Kinder haben ja die Tendenz, sehr schnell zu vergessen, dass sie in einem Stück oder Film mitspielen. Christian hat viel Zeit mit seinem Film-Vater verbracht; die beiden sehen sich nicht nur ähnlich, sondern mochten sich auch. Er ist mit ihm in die Opal-Minen geklettert und Christian hat sich vor allem als denjenigen gesehen, der selbst schon da unten war. Ich glaube, davon hat er sich hauptsächlich inspirieren lassen. Sapphire wiederum ermutigte ich, viel Zeit mit 'Pobby und Dingan' zu verbringen, sich mit ihnen zu amüsieren, zu spielen und spazieren zu gehen. Nach einer Weile hat sie so mit ihnen gesprochen, als würden sie tatsächlich existieren."

War es für Sie schwierig, mit Kindern zu drehen und welche Unterschiede gibt es zu der Arbeit mit Erwachsenen?
"Es ist nicht das erste Mal, dass ich mit Kindern drehe, ich hatte schon öfter Kinder in Kurzfilmen und Fernseh-Serien. Grundsätzlich gilt, dass Kinder keine Blockaden, keine Attitüden und Vorurteile haben. Es gibt keine ewigen Diskussionen, sie leben und fühlen im Augenblick. Schauspieler sagen ja, dass sie jahrelang eine Schauspielschule besuchen müssen, um zu lernen, wieder Kind zu sein. Aber natürlich kann man Kindern nicht so viel zumuten, sie können sich nicht so lange konzentrieren. Man muss sich ihnen gegenüber eben so verhalten wie es verantwortungsbewusste Eltern tun."

Gibt es neue Pläne?
"Ich entwickele ein paar Sachen für England und die USA, zum Beispiel ein unterhaltsames Roadmovie. Das Buch schreibt einer der beiden, die die 'wedding crashes' geschrieben haben. Und dann will ich ein zeitgemäßes amerikanisches Musical machen."

Mit Peter Cattaneo sprach Uta Beth

 

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