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Ausgabe 114-2/2008

FIGHTER

Produktion: Nimbus Film Productions; Dänemark 2007 – Regie: Natasha Arthy – Buch: Natasha Arthy, Nicolaj Arcel, Rasmus Heisterberg – Kamera: Sebastian Winterø – Schnitt: Kaspar Leick – Musik: Saqib, Frithjof Toksvig – Darsteller: Semra Turan (Aïcha), Cyron Melville (Emil), Xian Gao (Sifu), Behruz Banissi (Omar), Molly Blixt Egelind (Sofie), Nima Nabipour (Ali), Sadi Tekelioglu (Aichas Vater), Denize Karabuda (Aichas Mutter) u. a. – Länge: 96 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Delphis Films, Montreal, e-mail: distribution@frvmedia.com – Altersempfehlung: ab 12 J.

Während in der Bundesrepublik im Februar 2008 nach dem Besuch des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdogan und seiner Rede gegen eine Assimilierung der in Deutschland lebenden Türken wieder die Debatte um die Integration von Ausländern neu entflammt ist, sind es gerade Filme wie "Fighter", die mehr beitragen können als politische Sonntagsreden. Differenziert entwirft der Film ein Abbild vom Leben und den Problemen eines türkischstämmigen Mädchens in Dänemark, aber der Film könnte in jedem westeuropäischen Einwanderungsland spielen. Aïcha ist 17 und steht kurz vor dem Abitur. Mit ihren Eltern und den Geschwistern lebt sie in einem Vorort von Kopenhagen. Die Eltern erwarten von Aïcha beste Noten, damit sie wie ihr Bruder Ali Medizin studieren kann. Aber die Schule interessiert sie wenig; Aïcha geht heimlich zum Kung Fu, denn Kampfsport ist ihre Leidenschaft. Nach dem Unterricht trainiert sie regelmäßig mit einer Frauenmannschaft und ihr sehnlichster Wunsch ist es, in das Team von Kung-Fu-Meister Sifu aufgenommen zu werden. Dort muss sie mit Jungs trainieren, was sie als Muslimin eigentlich nicht darf. Die gemeinsamen Kämpfe mit dem Dänen Emil münden in eine verbotene Liebe.

Aïcha steht zwischen zwei Kulturen, sie schafft es, sich durch Sport zu emanzipieren: Wenn sie beim Training durch die Straßen rennt, erinnert sie an die Hauptfigur des Tom Tykwer-Films "Lola rennt", wenn sie in ihren Träumen zur starken Ninja-Kämpferin wird, verliert ihr Körper jedes Gewicht, kann fliegen und vom Raum Besitz ergreifen und sie könnte direkt dem Film "Tiger & Dragon" entsprungen sein. Die überzeugende Hauptdarstellerin Semra Turan ist Dänin mit türkischen Wurzeln und selbst kampfsporterprobt. Der chinesische Kung-Fu-Meister Xian Gao, der auch bei "Tiger & Dragon" mitgearbeitet hat, trainierte die Schauspieler und choreographierte die Martial-Arts-Szenen des Films. Er erscheint zudem als Aïchas Kung-Fu-Lehrmeister Sifu und erklärt anschaulich die Philosophie des Kampfsports.

Die Kung-Fu-Kämpfe sind ungeheuer ästhetisch und kraftvoll, sie treiben die Handlung voran. Regisseurin Natasha Arthy vertraut in ihrem ungewöhnlichen Film auf die Kraft der Bilder, darin unterscheidet sich "Fighter" von so vielen Filmproduktionen weltweit, die mit vielen Worten darum bemüht sind, innere wie äußere Konflikte in Dialogen zu erklären. Dagegen ist Film hier in erster Linie Bewegung, Kämpfe und Läufe spiegeln symbolisch das Innenleben der Hauptfigur Aïcha. Die Dialoge sind knapp, sie wiederholen nicht, was die Bilder bereits erzählt haben. In gewisser Weise will Aïcha vor der Realität und ihren Problemen davonlaufen, doch je mehr sie auch läuft, kehrt sie doch nur wieder zurück und muss Antworten auf die Fragen ihres Lebens finden.

Als die jährliche Kung-Fu-Meisterschaft naht, schließt sich Omar, der zu den besten Fightern des Klubs zählt, der Trainingsgruppe an. Meister Sifu fordert Omar auf, gegen Aïcha zu kämpfen. Das lehnt Omar prinzipiell ab, er kämpft nicht gegen Frauen. Kurz darauf begegnen sich Aïcha und Omar. Er droht ihr und fragt, ob ihre Eltern denn von ihrem Training wüssten. Als Aïchas älterer Bruder Ali sich mit seiner Freundin Jasmin verlobt, begegnet sie Omar erneut. Ein Wortwechsel in der Küche zwischen Omar und Aïcha eskaliert schnell und Omars Verrat von Aïchas Geheimnis hat weitreichende Konsequenzen: Der Streit wird zu einer Auseinandersetzung zwischen beiden Familien. Aïcha rebelliert sanft, aber entschieden gegen die Erwartungen ihrer Eltern. Weil sie ihre Familie respektiert, weichen Lügen und Heimlichkeiten dem Mut zur Offenheit. Aïchas Emanzipation widerspricht dabei allen gängigen Klischees feministischer Theorien, denn sie findet ihre Antworten in der Philosophie des Kung Fu – einer der Grundsätze ist die Ehrlichkeit, zu ihr findet Aïcha gegenüber Emil und gegenüber ihrer Familie.

Den Konflikt zwischen persönlicher Freiheit und Religionstreue löst Aïcha für sich, indem sie sich die Freiheit für den Sport nicht nehmen lässt, aber ihrem Vater verspricht, nicht gegen Glaubensgrundsätze zu verstoßen. Besonders anrührend gerät die Annäherung zwischen Vater und Tochter, sie legen ihre Hände aufeinander, still akzeptiert der Vater Aïchas Verhalten. Mit seinen spektakulären Action- und Kampfszenen, die nicht nur für Freunde der Kampfkunst sehenswert sind, gelingt es dem Film, die Faszination für den Kampfsport mit mehr Verständnis für das komplizierte Leben zwischen zwei Kulturen zu verbinden. Ein Feel-Good-Movie über erfolgreiche Kämpfe für eine größere Freiheit, bei dem Regisseurin Natasha Arthy geschickt die Frage offen lässt, welche der beiden Kulturen denn die bessere ist.

Manfred Hobsch

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 114-2/2008 - Interview - "Stark, klug und voller Leben"

 

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