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Ausgabe 114-2/2008

SITA SINGS THE BLUES

Produktion: Nina Paley, New York, e-mail: nina@ninapaley.com; USA 2007 – Regie, Buch, Animation, Schnitt: Nina Paley – Ton: Greg Sextro – Musik: Todd Michaelsen, Masala Dosa u. a. – Gesang: Annette Hanshaw – Länge: 82 Min. – Farbe – Altersempfehlung: ab 14 J.

Bollywood meets Internet und in New York singt Nina Paley ihren Blues mit Annette Hanshaws Stimme in einer animierten feministischen Nacherzählung des Ramayana.

Prinz Rama erobert die Königstochter Sita, indem er eine Aufgabe erfüllt, die kein anderer erfüllen kann: Er spannt den riesigen Bogen Shivas, den Sitas Vater als Hindernis vor die Ehe mit seiner Tochter gesetzt hat. Gemeinsam gehen die beiden in ein vierzehnjähriges Exil. Sita wird von König Ravana auf die Insel Lanka entführt, wo er sie bedrängt, ihre Liebe aber gewinnen und nicht erzwingen will. Rama befreit Sita. Doch statt nun glücklich die Ehe fortzuführen, verlangt Rama Beweise ihrer Treue. Sita besteht die Feuerprobe, was jedoch den misstrauischen Rama nicht beruhigt. Er verstößt seine Frau. Erst als Jahre später Rama seine Zwillingssöhne bei der Erzählung des Ramayana belauscht, bittet er Sita, zu ihm zurückzukehren – jedoch soll sie vorher einen Eid über ihre Treue ablegen. Sie schwört und bittet die Götter um Beistand, insbesondere ihre Mutter, die Erde. Die Göttin nimmt Sita zu sich, die Zwillinge übernehmen die Regentschaft und Rama steigt in den Himmel auf. Paley verknüpft diese alte Liebesgeschichte der Götter mit ihrer persönlichen amerikanischen Erfahrung der verlassenen Ehefrau.

Das Ramayana gilt als indisches Nationalepos, das vielfach nacherzählt wurde und im Lauf der Jahrhunderte um zwei auf sieben Bücher erweitert wurde, in denen Sita und Rama den Gottheiten Vishnu und Lakshmi gleichgesetzt wurden. Diese Vielschichtigkeit der Rezeptionsgeschichte findet sich in Paleys Film auf intelligente und unterhaltende Art dargestellt. Drei Schattenrissfiguren erzählen in starkem indischen Dialekt das Ramayana, kommentieren und erfragen in nicht geschriebenem, spontanem und vor Witz sprühendem Dialog, was diese Geschichte für sie bedeutet, wie sie die Figuren und deren Schicksal empfinden. Eine Erzählweise, die man in seiner Lebendigkeit selten im Kino erlebt! Die Gefühle Sitas drückt Paley durch alte Bluesaufnahmen mit Annette Hanshaw aus. Auch dieser Erzählstrang erhält sein eigenes stilistisches Mittel: In Betty Boop ähnlichen High-End-Animationen wackelt eine auf runde Augen und schlanke Taille reduzierte Sita durch diese Lieder, einer der schwächeren Stränge in Paleys Film.

Stark hingegen sind ihre Zeichnungen der Nacherzählung des Epos, wunderschöne Tuschezeichnungen bebildern diese Erzählebene. Wieder eine eigene, nachlässig gemalt wirkende Animation bebildert die Geschichte im Heute, die Intermissionen einer gescheiterten menschlichen Liebe. Mit zahlreichen Gags, insbesondere der für Bollywood-Filme typischen dreiminütigen Erzählpause in der Mitte des Films, sorgt Paley dafür, dass dieser Erstlingsfilm trotz einiger Längen zu einer Augenweide wird. Besonders eindrucksvoll zeigt sich Paleys Formenreichtum in der Sequenz, als die heutige Nina-Sita von ihrem Mann die Trennung gemailt bekommt – in Strich-Animationen mit aufprojizierten Pixeln tobt der wilde Schmerz der zerstörten Liebe über die Leinwand.

"Sita sings the Blues" wurde von der Jugendjury auf der Berlinale 2008, Generation 14plus, mit einer lobenden Erwähnung ausgezeichnet. Ein Faktor, der diesen Film ganz besonders interessant macht, ist die Kreativität auch in der Finanzierung: Über ihren Blog auf www.sitasingstheblues.com nahm Paley Kontakt zu Menschen im Internet auf, die ihr halfen, den Film zu finanzieren. So konnte zum Beispiel die 35mm-Kopie für das Festival nur mit Hilfe von 160 Spendern gezogen werden. Die Motive für die Plakate zum Film wurden per Abstimmung im Internet ausgewählt und in Berlin gedruckt, die französische Band Masala Dosa stellte ihre Musik für den Film zur Verfügung – Menschen, die Paley bis zur Berlinale nicht persönlich kannten. Ein gelungener Erstlingsfilm, mit einigen Schwächen, aber vielleicht ein neues Vorbild für modernes Filmemachen.

Bettina Ueberlein

 

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KJK-Ausgabe 114/2008

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