Produktion: Insideout Film / Lila Film / Final Touch Filmprod. / Snaps Film / Pumpkin Film; Deutschland / Schweiz 2007 – Regie: Elena Bromund, Viviane Blumenschein – Kamera: Franz Lustig – Schnitt: Elena Bromund Musik: Rudi Moser, Christian Meyer – Länge: 92 Min. – Farbe – Verleih: Farbfilm (OmU) – FSK: o. A. – Altersempfehlung: ab 10 J.
Mit "Rhythm is it!", der ein ambitioniertes Musik- und Tanz-Projekt der Berliner Philharmoniker mit "Problemschülern" schildert, haben die beiden Berliner Filmemacher Thomas Grube und Enrique Sánchez Lansch 2004 einen Überraschungshit in den deutschen Kinos landen können. Im Jahr darauf begleiteten die beiden deutschen Filmmacherinnen Viviane Blumenschein und Elena Bromund die Arbeit einer renommierten Tanzakademie in den Townships von Kapstadt für ihren ersten gemeinsamen Dokumentarfilm "Dance for All", eine Studie über die Faszination des Tanzes.
1991 haben die frühere Primaballerina Phyllis Spira und ihr Mann Philip Boyd, der ehemalige "principal dancer" des Cape Town City Ballet, in der südafrikanischen Metropole Kapstadt das Tanzprojekt "Ballet for All" gegründet. Auch wenn die Zeichen in einer Armensiedlung, in der viele in erster Linie den Kampf ums Überleben gewinnen müssen, ungünstig standen: Die Idee, junge Schwarze für den Tanz zu begeistern, zündete. Wurden anfangs 34 schwarze Schüler im Township Gugulethu in klassischem Tanz unterrichtet, wuchs das anfänglich vielfach belächelte Projekt so rasch, dass Boyd weitere Lehrer einstellte, die dann auch andere Formen wie Musical sowie afrikanischer und spanischer Tanz anboten. Folgerichtig wurde 1995 "Ballet for All" in "Dance for All" umbenannt. 2005 gründeten Boyd und Spira die "Youth Academy" mit dem Ziel, eine professionelle Company für ihre besten Schüler aufzubauen. Mit der Ausdehnung wuchs auch die Anerkennung: Bereits im Jahr 2003 nahm der Friedensnobelpreisträger und emeritierte Erzbischof Desmond Tutu "Dance for All" unter sein Patronat.
Der Film beleuchtet vor allem diese Phase der Akademie, an der inzwischen rund 1.000 Schüler unterrichtet werden. Auf der Trainerseite wird sichtbar, wie wichtig die Vorbildrolle Spiras ist, die mit ihrem konsequenten Training, täglich vorgelebter Disziplin und unbeirrbarer Begeisterung für den klassischen Tanz einigen ihrer Schüler den Sprung auf das internationale Parkett ermöglichte. "Ich unterrichte diese Kinder jeden Tag nach der Schule und sie haben sich als wirklich ungewöhnlich herausgestellt, sie sind zielstrebig, hingebungsvoll und haben großes Talent", sagt Spira. Die Aufnahmen aus dem Schulalltag zeigen wiederum, dass ein solcher Schulbetrieb ohne einen unermüdlichen Lehrer, Hausmeister, Organisator, Manager und nicht zuletzt Ersatzvater nicht möglich wäre.
Der Film rückt drei junge Tänzer in den Mittelpunkt seiner Beobachtungen: Da ist Theo, der es als erster schwarzer Junge geschafft hat, durch den Tanz aus den Armensiedlungen herauszukommen. Er ist gerade aus London zurückgekehrt, wo er eine fünfjährige Ausbildung absolviert hat und als Tänzer aufgetreten ist. Tanzend dem Elend entkommen, das Konzept ist bei ihm aufgegangen. Der talentierte Nqaba tanzt seit zwölf Jahren und hat ein Stipendium für ein sechswöchiges Ballett-Training in San Francisco ergattert. Als er von seinem ersten Auslandsaufenthalt zurückkehrt, wird ihm die Heimat zu eng: Er möchte in die große weite Welt hinaus und nach den Sternen greifen.
Die hübsche Zandile kam erst mit zwölf Jahren zum Projekt, sie hat großes Talent und träumt davon, berühmt zu werden und ein neues Leben zu beginnen. Am Fall Zandile machen die Filmemacherinnen eher beiläufig die meist bedrückenden Lebensumstände der Protagonisten deutlich: Im Zwiegespräch mit ihrer Mutter macht sie kein Hehl daraus, dass sie ihr tristes Zuhause sofort verlassen würde, wenn sie könnte. Und beim großen Auftritt der Youth Company im Artscape Theatre in Capetown zum Finale des Films wirkt sie sehr mitgenommen, als ihr Vater es wieder nicht schafft, zur Vorführung zu kommen. Auch andere wichtige soziale Probleme wie die Zukunft der Aids-Waisen und die Folgen der Apartheid werden im Film immerhin gestreift.
Neben der unspektakulären präzisen Milieuzeichnung beeindruckt "Dance for All" vor allem durch die dynamischen Tanzsequenzen; die Lektionen, Proben und Auftritte sprühen vor Begeisterung. Hier wird sichtbar, dass die Nachwuchstalente nicht nur hoffen, mit ihren tänzerischen Leistungen den sozialen Aufstieg zu schaffen, sondern dass das Tanzen für viele zu einem Mittel geworden ist, ihrem Leben einen Sinn zu geben. Auch wenn nicht alle Schüler später vom Tanzen leben können, so kann man an ihren Augen ablesen: Sie haben zu einem neuen Körpergefühl gefunden, sind selbstbewusster geworden. "Dance for All" ist für sie eine "Schule fürs Leben".
Der Dokumentarfilm, der auf den 41. Hofer Filmtagen den Kodak Eastman Förderpreis gewann, ist inzwischen zu einer Art filmischem Vermächtnis für die im März 2008 verstorbene Tänzerin und Lehrerin Phyllis Spira geworden.
Reinhard Kleber
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