Produktion: Walt Disney Pictures / Pixar Animation Studios; USA 2009 – Regie und Buch: Pete Docter, Bob Peterson – Animation: Scott Clark, Dave Mullius, Shawn Krause, Mike Venturini u.v.a. – Musik: Michael Giacchino – dt. Sprecher: Karlheinz Böhm (Charles Muntz), Dirk Bach (Dug), Carl Fredricksen (Fred Maire), Maximilian Belle (Russell) u. a. – Länge: 96 Min. – Farbe – Verleih: Walt Disney Studios – Altersempfehlung: ab 6 J.
Der zehnte Streich des US-Studios Pixar beginnt mit einer wunderbaren Miniatur: In nur etwa fünf Minuten erzählen Regisseur Pete Docter ("Die Monster AG") und sein Ko-Regisseur Bob Peterson (Drehbuch zu "Findet Nemo") fast ein ganzes Menschenleben, vom Bub bis zum betagten Witwer. Der kleine Carl teilt mit der gleichaltrigen lebhaften Ellie die Abenteuerlust und die Bewunderung für den Naturforscher Charles Muntz, der mit seinem Zeppelin zu den Paradise Falls in Südamerika aufgebrochen ist, um einen farbenprächtigen Riesenvogel zu entdecken. Als Erwachsene heiraten Ellie und Carl, bekommen aber keine Kinder. Auch Ellies Lebenstraum von einer Reise zu den Paradise Falls bleibt unerfüllt. Die langjährige glückliche Ehe endet im hohen Alter, als Ellie stirbt.
Der 78-jährige Carl bleibt verbittert allein im alten Holzhaus zurück. Als man ihn ins Altersheim schaffen will, gelingt dem ehemaligen Ballonverkäufer eine kuriose Flucht. Carl hat über Nacht tausende heliumgefüllte Luftballons an seinem Haus befestigt und fliegt damit davon. Als blinder Passagier hat sich jedoch der achtjährige Russell eingeschlichen, dem in seiner Sammlung an Pfadfinderabzeichen nur noch das für Seniorenhilfe fehlt. Widerwillig nimmt Carl die pummelige Nervensäge auf, arrangiert sich aber bald mit ihm. Nachdem sie einen Gewittersturm überstanden haben, landet das Haus in Venezuela, nicht weit von den ersehnten Steilwänden mit dem imposanten Wasserfall. Als sich Carl und Russell mit einem kleinen sprechenden Hund und einer bunten Riesenschnepfe mit Heißhunger auf Schokolade anfreunden, erleben sie viele Abenteuer.
Wie die meisten Pixar/Disney-Filme geht auch "Oben", der als erster Animationsfilm und 3D-Film im Mai 2009 die Filmfestspiele in Cannes eröffnet hat, ein gewisses Risiko ein. Schickte "Wall-E" einen kleinen Roboter auf einer verwüsteten Erde auf einen über weite Strecken dialogfreien Abenteuertrip und platzierte "Cars" personalisierte Autos in eine Kleinstadtidylle, so macht "Oben" einen alten Grantler zum Helden eines Road Movies der besonderen Art. Doch die Rechnung geht weitgehend auf: Gewohnt solide transformiert die amerikanische Trickfilmschmiede die ungewöhnliche Grundkonstellation zu einer herzerwärmenden Geschichte mit familienfreundlicher Botschaft. Der kauzige Rentner, der vom Äußeren her an die legendären Meckerer Statler und Waldorf der "Muppet Show" erinnert, und der plappernde Junge geben ein skurriles Duo ab, das füreinander einsteht und durch die Herausforderungen der Reise wächst. Carl bekommt durch den Jungen frischen Lebensmut und erkennt, dass sein erfülltes Leben mit Ellie wichtiger war als verpasste Abenteuerchancen, Russell gewinnt mit Carl eine Art Ersatzvater. Nebenbei ist "Oben" ein Plädoyer für den festen Glauben an die eigenen Träume und für den Dialog zwischen den Generationen.
Allerdings reicht "Oben" an die Originalität der meisten Pixar-Arbeiten nicht heran, nicht an die Tiefgründigkeit von "Wall-E" und nicht an den Schwung von "Findet Nemo". Während die konventionelle Geschichte ziemlich simpel gestrickt ist und dem Publikum einige unglaubwürdige Wendungen zumutet, werden die moralischen Botschaften zum Ende hin reichlich dick aufgetragen. Es mangelt zudem an komischen Szenen und visuellen Einfällen. Selbst das zentrale Bildmotiv des fliegenden Hauses mit den bunten Luftballons kann sich nicht mit den üppigen Bildphantasien des japanischen Trickfilmmeisters Hayao Miyazaki messen. Der kleine Pfadfinder wirkt mit seinem rosigen Baby-Gesicht relativ steril und entwickelt wenig Identifikationspotenzial. Wer genauer hinsieht, wird sich im Übrigen wundern, wieso Carl bei den handfesten Auseinandersetzungen mit dem Widersacher in Südamerika plötzlich so gut laufen kann, nachdem er sich vorher immer auf eine Gehhilfe gestützt hat.
Bei der 3D-Fassung des computeranimierten Films fällt auf, dass die stereoskopischen Effekte zu Beginn recht sparsam eingesetzt werden und sich erst im Verlauf des Films in den Dienst der Dramaturgie stellen. Die räumlichen Effekte drängen sich aber selten in den Vordergrund, so dass auch die 2D-Fassung ein phantasievolles Kinoerlebnis ermöglicht.
Reinhard Kleber
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