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Ausgabe 119-3/2009

TORPEDO

Produktion: Credofilm; Deutschland 2008 – Regie und Buch: Helene Hegemann – Kamera: Kathrin Krottenthaler – Schnitt: Daniela Boch, Kathrin Krottenthaler, Angelika von Chamier – Darsteller: Alice Dwyer (Mia), Caroline Peters (Elise), Jule Böwe (Cleo), Agon Ramadani (Fritzi), Matthias Matschke (Himbeermensch), Lars Eidinger (Vater), Carl Hegemann, Sebastian Baumgarten, Robin Detje, Katharina Saalfrank – Länge: 42 Min. – Farbe – FSK: keine Prüfung – Verleih: Filmgalerie 451 (Berlin )- Altersempfehlung: ab 16 J.

Das deutsche Kino hat einen neuen Star, Helene Hegemann wird für ihren Film "Torpedo" von der Kritik gefeiert, vom Publikum bewundert und erhielt in Saarbrücken den Max Ophüls Preis für dem "Besten mittellangen Film". Das Drehbuch zu ihrem Debüt-Film hat sie mit 14 Jahren geschrieben und mit 16 Jahren war der Film abgedreht, seither gilt sie als "Wunderkind des deutschen Films". In nur 42 Minuten erzählt der Film in einer wilden Mischung aus meist fragmentarisch wirkenden Szenen die Geschichte der fünfzehnjährigen Mia, manches erscheint dabei zwar unfertig, aber das Interesse des Zuschauers wird gerade dadurch wach gehalten: Szenen müssen nicht immer zu Ende gespielt werden, um auch verstanden zu werden.

"Würdest du mir bitte eine reinhauen?", sagt Mia zu dem Mann mit Hut, auf dessen schwarzer Limousine sie gerade eben herumgetrampelt hat. Der Anfang des temporeichen Films zeigt bereits das faszinierende Wechselspiel aus Alltagsrealität und absurder Überhöhung, skizzenhaft werden manche Ereignisse nur angerissen, andere dagegen ausgespielt: Zufällige Schlaglichter wie die Notizen in einem Tagebuch. Der pubertäre Blick auf die Welt der Erwachsenen ist entlarvend, denn diese Erwachsenen sind immer nur mit sich selbst und ihren Problemen beschäftigt, da ist für ein junges Mädchen kaum Raum, eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. So muss sie für sich selbst sorgen, auch wenn der Wunsch nach einem geordneten Leben und Geborgenheit immer wieder aufscheint: "Meine Mutter war an zwei Tagen im Monat normal. Ich habe mir die ganze Zeit über gewünscht, dass sie so ist wie an diesen zwei Tagen im Monat."

Die überdurchschnittlich traumatisierte Hauptfigur Mia, rotzig-trotzig gespielt von Alice Dwyer, will sich mit fünfzehn in einer bizarren Erwachsenenwelt etablieren. Nachdem sich die drogensüchtige Mutter umgebracht hat, zieht sie nach Berlin zu ihrer neurotischen Tante Cleo samt beziehungsgestörter Mitbewohnerin Elise und landet im angestrengt-anstrengenden Boheme-Bezirk Prenzlauer Berg voller Snobisten und Narzissten – verantwortungsbewusste Erziehungsberechtigte sind nirgends in Sicht, die Bedürfnisse eines halben Kindes haben hier keinen Platz. Parallelen zwischen Film und Realität sind offensichtlich. Helene Hegemann war 13 Jahre, als ihre Mutter starb und sie von Bochum nach Berlin zu ihrem Vater Carl Hegemann kam, dessen Job als Volksbühnen-Dramatiker ihr eine neue Welt erschloss: Hier rekrutierte sie auch die Volksbühnen-Stars Jule Böwe, Lars Eidinger und Sebastian Baumgarten für ihren Film. Auch der Herr Papa durfte mitwirken.

Helene Hegemann hat – ganz ohne Filmschulwissen und ohne Dramaturgen-Hilfe – einen überraschenden Coming-of-Age-Film gemacht, der wohl so wörtlich wie nie zuvor aus der Perspektive eines Jugendlichen erzählt wird: Und diese Sicht eines Mädchens auf die Exzesse der Erwachsenen in der Berliner Kulturszene enthüllt, dass Überforderung keine Frage des Alters ist. Jugendliche müssen vernünftiger sein als die Erwachsenen, auch wenn der Film Antworten auf die Fragen nach dem Warum verweigert: Für Mias Versuch, wie ein Vergewaltigungsopfer auszusehen und ihre Rache an dem Mann mit Hut für den eingeforderten Schlag gibt es kaum Erklärungen. Dafür verblüfft bei aller Ernsthaftigkeit ein geradezu spielerischer Umgang mit filmischen Formen und der gezielte Verstoß gegen Konventionen, wenn Schauspieler aus ihrer Rolle fallen oder die Regisseurin selbst im Bild zu sehen ist. Spätestens da stellt der Film wieder eine Frage: Kann zwischenmenschliche Verständigung überhaupt funktionieren? Auch hier wird die Antwort verweigert, die müssen die Zuschauer selbst suchen.

Manfred Hobsch

 

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KJK-Ausgabe 119/2009

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