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Ausgabe 120-4/2009

BABAK

ZAMANI BARAYE DOUST DASHTAN

Produktion: Farabi Cinema Foundation, Iran 2008 – Regie: Ebrahim Forouzesh – Buch: Hassan Lali – Kamera: Touraj Aslani – Schnitt: Bahram Dehghani – Musik: Mohammad Mohammad-Ali – Darsteller: Mohsen Tanabandeh, Negin Sedgh-Gouya, Ali Shadman, Behnaz Jafari – Länge: 85 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Farabi Cinema Foundation, International Affairs, Teheran, Iran, Tel.: +98 21 2274 1252, Fax +98 21 2273 4953, e-mail: intl@fcf.ir – www.fcf.ir – Altersempfehlung: ab 8 J.

Regieveteran Ebrahim Forouzesh war einer der Väter des internationalen Interesses für künstlerisch hochwertiges (Kinder-)Filmschaffen aus dem Iran. Sein Film "Der Schlüssel" aus dem Jahre 1987 wurde 1989 beim Kinderfilmfest der Berlinale gezeigt und öffnete damit das Tor für alle seine Kollegen. Diese von einfachen Geschichten in symbolstarken Bildern geprägten Filme bestimmten dann über lange Jahre das westliche Bild vom iranischen Kino. Doch natürlich gab und gibt es auch ganz andere Filme.

Babak ist ein körperlich behinderter Junge, der einen zunächst glauben lässt, er sei auch geistig zurückgeblieben. Seinem Bruder Afsin ist Babak wegen seines auffälligen Verhaltens mehr als peinlich; zudem fühlt er sich – vor allem von seiner Mutter – zurückgesetzt, weil sich in der Familie fast alles um Babak dreht. Als sich die ständigen Konflikte der Brüder zuspitzen, trifft der Vater eine radikale Entscheidung: Er setzt Babak vor einem Heim für Behinderte aus, was im Iran durchaus normal ist. Gelten doch behinderte Kinder als Schande für die Familie und dürfen deshalb auch anonym abgegeben werden. Die Mutter bringt ihn mit Beharrlichkeit dazu, Babak wieder zurückzuholen. Doch der Preis, den der Kleine dafür zahlt, ist hoch. Er wird in seinem Zimmer eingesperrt und darf nicht raus. Bei Afsins Geburtstagsfeier entdeckt ihn zufällig Majid, ein Klassenkamerad von Afsin. Die zwei werden Freunde und Majid erteilt Babak sogar heimlich Unterricht. Als er ihn eines Tages in die Schule mitnimmt, fliegt die Sache auf und die Lehrerin erfährt von Babak und seiner unhaltbaren Lage. Sie setzt die Eltern massiv unter Druck und erreicht, dass sie nun beiden Brüdern Privatunterricht erteilen kann. Dabei stellt sich heraus, dass Babak der Klügere ist – was für eine Schmach für Afsin. Doch am Ende erkennt sogar Afsin, dass sein Bruder ihn abgöttisch liebt und sich immer für ihn einsetzen wird, selbst wenn er dafür Prügel bezieht.

Die Stärke dieses kleinen Meisterwerks liegt nicht allein in der fast dokumentarischen Inszenierung, die so ganz nebenbei allerlei Alltag aus dem städtischen Iran einfängt, sondern vor allem in der Art und Weise, wie er sich und uns einen Lernprozess erlaubt. Denn – wie Afsin – ist auch der Zuschauer zunächst peinlich berührt bis genervt von diesem Behinderten: Der sabbert, kann sich nicht richtig artikulieren, zuckt und krümmt sich. Kurz: Man will ihn eigentlich fast gar nicht mehr sehen. Im Laufe des Films fällt das aber immer weniger auf und man sieht den Menschen hinter der Fassade. Ein Lernprozess, der auch beim Kinderpublikum in Frankfurt gewirkt hat: "Die Intention der Filmemacher wurde durch die Reaktionen im Kino eingelöst: Haben die Kinder im Publikum bei den ersten Bildern ... noch gelacht, so änderten sich ihre Reaktionen nach ungefähr zehn Minuten, denn das Lachen verschwand und eine echte Anteilnahme war zu spüren." (Aus der Begründung der F.I.C.C.-Jury).

Dabei macht der Film es nicht einfach: Der Vater ist keineswegs ein herzloses Ungeheuer, der Babak nur loswerden möchte. Es bricht ihm fast das Herz, als er ihn an einem kalten Winterabend vor dem Heim zurücklässt. Aber er ist einfach überfordert und glaubt aufrichtig, nur so seinen anderen Sohn vor Schlimmerem bewahren zu können. Und Afsin ist kein verstockter Bengel; er ist mindestens genauso überfordert wie sein Vater, fühlt sich von der Mutter übergangen, ja fast ungeliebt und lässt – wie Kinder das nun mal tun – seine ganze Wut am vermeintlich Schuldigen aus. Überzeugend auch der Drehbucheinfall, dass es ein Kind ist, das letztlich die Veränderung bewirkt. Denn als Außenstehender kann der kleine Majid ganz unbefangen auf Babak zugehen und ihm das geben, was dieser gerne auch von Afsin erfahren würde: Freundschaft, ja Liebe. Ein souverän inszenierter Film mit einer Kamera, die die Dinge zeigt, wie sie sind, dabei aber immer die Würde der Beteiligten wahrt – vor allem die des Darstellers von Babak. So gelang Forouzesh melodramatisches Kino mit dezenter Musik, das natürlich einen pädagogischen Anspruch erhebt, aber zuerst einmal eine intensive Familiengeschichte erzählt und nicht den Zeigefinger hebt. Ein Film, der auf keinem Kinderfilmfestival fehlen darf; denn die Chancen für einen Verleih stehen bei diesem Thema ja eher schlecht.

Lutz Gräfe

 

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KJK-Ausgabe 120/2009

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