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Ausgabe 120-4/2009

KLEINE TRICKS

SZTUCZKI

Produktion: Zjednoczenie Artystów i Rzemieslników / Telewisza Polska / Opus Film; Polen 2007 – Regie und Buch: Andrzej Jakimowski – Kamera: Adam Bajerski – Schnitt: Cezary Grzesiuk – Musik: Tomasz Gassowski – Darsteller: Damian Ul (Stefek), Ewelina Walendziak (Elka), Rafal Guzniczak (Jerzy), Thomasz Sapryk (Vater), Iwona Fornalczyk (Mutter), Joanna Liszowska (Violka) u. a. – Länge: 96 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih: Kool Filmdistribution – Altersempfehlung: ab 8 J.

Filme aus Polen, zumal wenn sie nicht von einem der wenigen Altmeister des polnischen Kinos stammen, haben es im deutschen Kino schwer. Daher ist dieser Film, der in bester polnischer Erzähltradition steht, ein doppelter Glücksfall. Im Mittelpunkt dieses poetischen Werks steht der siebenjährige Stefek auf der Suche nach seinem vom Rest der Familie getrennt lebenden Vater. Obwohl weitgehend aus seiner Perspektive und aus seiner Gefühlswelt heraus erzählt und von der FSK ab 6 Jahren freigegeben, wird dieser wunderschöne, sinnliche Film, in dem Kinder und Erwachsene gleichermaßen angesprochen werden und mit dem sich zugleich (wieder) das Sehen lernen lässt, von vielen Erwachsenen nur ungern als Kinderfilm bezeichnet. Immer noch gilt dieses Attribut in Deutschland offenbar weniger als Auszeichnung denn als Mangel, einigen überaus erfolgreichen Kinderliteraturverfilmungen der letzten Jahre zum Trotz.
Einen weiteren, miteinander verwobenen Erzählstrang bildet Stefeks fast erwachsene Schwester Elka, die nach dem Weggang des Vaters auf den Jungen aufpasst, bereits einen festen Freund hat und für eine Stellenbewerbung in einem ausländischen Konzern Italienisch lernt. Sie ist dem Vater seines Verhaltens der Familie gegenüber böse, sehnt sich wie ihr Bruder aber nach einer kompletten Familie. Als Jugendfilm ist "Kleine Tricks" bisher jedoch ebenfalls nicht bezeichnet worden, den darin angesprochenen jugendaffinen Themen und der positiv gezeichneten Geschwisterbeziehung zum Trotz. Bleibt festzuhalten, dass der Film ungeachtet allen Schubladendenkens für Kinder dennoch bestens geeignet ist, selbst wenn er ihren heutigen TV-Sehgewohnheiten aus Trickfilm, Soap und Musikvideos wohl nicht ganz entspricht. Aber ist das ein Mangel?

Von seiner Schwester Elka hat Stefek gelernt, wie sich mit zwei Zinnsoldaten und Münzen das Schicksal beeinflussen lässt oder wie beispielsweise eine am Boden abgestellte volle Sandwichtüte ohne eigenes Zutun sicher in einem Abfallbehälter landet. Als Stefek eines Tages auf dem Bahnhof einen sympathisch wirkenden, etwas traurig blickenden Fahrgast beim Umsteigen beobachtet, ist er sich sofort sicher, dass dieser Mann sein Vater sein muss. Der Vater hatte die Familie verlassen, als Stefek noch ganz klein war. Stefeks einzige Erinnerungsstütze ist ein altes Foto, das mit einem Stift offenbar aus Wut und Enttäuschung fast unkenntlich gemacht wurde. Obwohl Elka abrupt abwiegelt, ist sich Stefek seiner Sache sicher und hofft nun, auch in diesem besonderen Fall das Schicksal beeinflussen zu können. Der Vater soll freiwillig und ohne Verpflichtung zu seiner Familie zurückkehren, daher gibt sich der Junge auch nicht als Sohn zu erkennen. Und Stefek hat auch schon einen Plan. Mit vielen kleinen Tricks gelingt es ihm, den Mann, der inzwischen auf Stefek aufmerksam wurde, am Bahnhof aufzuhalten, so dass er seinen Anschlusszug verpasst und den Aufenthalt zu einem Stadtbummel nutzt. Der Weg führt ihn tatsächlich in Richtung der Wohnung, in der die Geschwister mit der Mutter wohnen. Doch ganz so einfach, wie Stefek das gehofft hatte, lässt sich das Schicksal nun doch nicht beeinflussen.

Der zweite Spielfilm des polnischen Regisseurs Andrzej Jakimowski ist stark autobiografisch gefärbt und schöpft aus seinen eigenen Erfahrungen mit einer älteren Schwester. Jakimowski hat für sein Filmkunstwerk sympathische Laiendarsteller gefunden, die absolut authentisch wirken. Ohne viele Worte erzählt der Film in atmosphärisch dichten Bildern und Tönen anhand von kleinen Episoden und Alltagsbeobachtungen eine fast schon märchenhaft-poetische Geschichte, in der sich Stefek an die Welt der Erwachsenen herantastet und sich darin durch nichts und niemanden entmutigen lässt. Frech spannt er mit einer kleinen Lüge seiner Schwester den Freund aus, um anschließend mit ihm allein eine Spritztour auf dem Motorrad unternehmen zu können. An die Geheimnisse der Liebe und Sexualität tastet er sich im wörtlichen Sinn bei der erwachsenen Nachbarstochter heran, der er beim Baden einen Blutegel entfernt. Zugleich bekommt er bei jeder Gelegenheit aber zu hören, dass er noch zu jung sei und deswegen selbst die Tauben, die einst seinem Vater gehörten, nicht auf ihn reagieren. Erst nach wiederholten Versuchen mit verschiedenen Attributen aus der Welt der Erwachsenen findet er heraus, womit er die Tauben beeindruckt und sie auffliegen lassen kann. Ähnlich hindernisreich gestaltet sich das mehrmals verschobene Bewerbungsgespräch der Schwester, woran Stefek nicht ganz unschuldig ist. Aber da alle das Herz am rechten Fleck haben, obsiegen am Ende Verständnis und Toleranz und auch die Hoffnung bleibt nicht auf der Strecke.

Holger Twele

 

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