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Ausgabe 121-1/2010

KEINE ANGST

Produktion: Tag/Traum Filmproduktion, in Koproduktion mit dem WDR; Deutschland 2009 – Regie: Aelrun Goette – Drehbuch: Martina Mouchot – Kamera: Matthias Fleischer, Uschi Keil – Schnitt: Monika Schindler – Musik: Enis Rotthoff – Darsteller: Michelle Barthel (Becky), Max Hegewald (Bente), Dagmar Leesch (Mutter von Becky), Anna Schudt (Mutter von Bente), Anian Zollner (Vater von Bente), Frank Giering (Thomas), Carolyn Genzkow (Melanie, Beckys Freundin), Wiebke Frost (Melanies Mutter), Johanna Gastdorf (Busfahrerin) u. a. – Länge: 88 Min. – Farbe – Kontakt: Tag/Traum Filmproduktion, Köln -Altersempfehlung: ab 14 J.

Die knapp 13-jährige Becky lebt zusammen mit ihrer alkoholkranken Mutter und ihren drei jüngeren Geschwistern in einer Hochhaussiedlung des sozialen Wohnungsbaus irgendwo im Ruhrgebiet. Obwohl Becky einen Herzfehler und eine schwere Operation hinter sich hat, bürdet ihr die labile Mutter einen großen Teil der Arbeit mit den drei Kleinkindern auf, die täglich in die Sozialstation gebracht und wieder abgeholt, versorgt und gefüttert werden müssen. Emotionalen Rückhalt findet Becky nur bei ihrer besten Freundin Melanie, allerdings nur so lange, wie es der in sexuellen Dingen noch gänzlich unerfahrenen Becky schlechter als ihr selbst geht. Die Freundschaft zerbricht, als Becky im Bus den gleichaltrigen Bente aus besseren Kreisen kennen und lieben lernt, während die laszive Melanie, die bei ihrer ebenfalls allein erziehenden Mutter lebt, von älteren Jugendlichen des Viertels ausgenutzt und sexuell missbraucht wird. Die romantische Liebe zwischen Becky und Bente wird zusätzlich durch den aufdringlichen neuen Freund ihrer Mutter und das Unverständnis von Bentes reichen Eltern belastet, die ihren Sohn in ein Internat abschieben wollen und auf seine Freundschaft mit dem Mädchen nur arrogant und verständnislos reagieren. Das Chaos ist komplett, als Becky eines Tages zu spät zur Sozialstation kommt, um ihre kleinen Geschwister abzuholen. Trotz alledem geben Becky und Bente nicht auf, um ihr kleines Glück zu kämpfen.

Bereits in ihrem Dokumentarfilm "Die Kinder sind tot" (2003) und in ihrem ersten Spielfilm "Unter dem Eis" (2005) hat Aelrun Goette problematische Familiensituationen, überforderte oder ignorante Eltern und unter dieser Situation leidende Kinder in den Fokus genommen. Diesem Thema bleibt sie auch in ihrem neuen Film treu, der in ruhigen Bildern einfühlsam, doch in keiner Weise melodramatisch, die Geschichte eines tapferen Mädchens auf der Suche nach ihrem persönlichen Glück erzählt. Die Erwachsenen und keineswegs nur die sozial schwachen, also das gesamte Umfeld, in dem sich diese kleinen Tragödien ereignen, kommen dabei regelmäßig schlecht weg, selbst die Lehrer und Sozialarbeiter, die das Geschehen nur am Rande mitbekommen, sind kein wirklicher Rettungsanker. Umso mehr liegt die Sympathie der Regisseurin bei den Kindern und Jugendlichen, wobei Michelle Barthel als Becky ihre Rolle mit Sanftmut, Eindringlichkeit und einem unerschütterlichen Glauben an das Gute im Menschen spielt. Die junge Darstellerin war im Kino übrigens bereits im Kinderfilm "Der zehnte Sommer" zu sehen, wo sie Kallis Freundin Franzi spielte. Wenn der Film trotz ihrer beeindruckenden Leistung, mit der sie die Erwachsenen mühelos an die Wand spielt, nicht ganz überzeugt, liegt das daran, dass Goette in der an sich sehr subtilen Inszenierung dramaturgisch die jüngeren Geschwister vernachlässigt und das Sozialdrama thematisch überfrachtet, was auf Kosten der Authentizität geht. Es reichte nicht, dass Becky ständig die Rolle der Mutter übernehmen muss, von dieser ausgenutzt und von Bentes Eltern als Hauptschülerin herablassend behandelt wird. Nein, sie muss auch noch einen schweren Herzfehler haben und am Ende vom Freund ihrer Mutter vergewaltigt werden. Soziale Realität hin oder her, weniger wäre hier mehr gewesen. Als aufrüttelnde Diskussions- und mögliche Handlungsgrundlage für die Situation von Kindern aus sozial schwachen Verhältnissen funktioniert der Film dennoch. Er erhielt auf dem "Schlingel"-Filmfestival in Chemnitz 2009 sogar den DEFA-Förderpreis, der erstmals im Rahmen der Berlinale 2010 verliehen wird.

Holger Twele

 

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