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Ausgabe 121-1/2010

DAS ORANGENMÄDCHEN

APPELSINPIKEN

Produktion: Helgeland Film / Tradewind Pictures / Jaleo Films / Sandrew Metronome Norge; Norwegen / Deutschland / Spanien 2008 – Regie: Eva Dahr – Buch: Axel Helgeland, Andreas Markusson, nach dem gleichnamigen Roman von Jostein Gaarder – Kamera: Harald Paalgard – Schnitt: Per Erik Eriksen – Musik: Per Erik Eriksen – Darsteller: Anni Dahr Nygaard (Das Orangenmädchen), Mikkel Bratt Silset (Georg), Harald Thompson Rosenstrøm (Jan Olav), Rebekka Karijord (Veronika), Emilie K. Beck (Stella), Tom Erik Solheim (Joakim), Ellen E. T. Jervell (Camilla), Johannes Gundersen (Georg, 6 Jahre) – Länge: 88 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – FBW: besonders wertvoll – Verleih: Neue Visionen – Altersempfehlung: ab 12 J.

Jostein Gaarder zählt mit fast 50 Millionen verkauften Büchern international zu den bedeutendsten Bestseller-Autoren. Allein "Sophies Welt" ging 30 Millionen Mal über den Ladentisch und war 1995 das am meisten verkaufte Buch weltweit. Sein Roman "Appelsinpiken" erschien 2003; die deutsche Übersetzung wurde mit mehreren Auszeichnungen bedacht. Es gibt auch eine Hörspielfassung und eine Musicalversion. Wie in den anderen Büchern von Gaarder geht es auch diesmal um eine philosophische Vorgehensweise und Annäherung an das Thema. Hier ist es eine bewegende Hommage an die große Liebe sowie das Verantwortungsbewusstsein eines Vaters gegenüber seinem Sohn. Buch und Film zeichnen sich durch mehrere Handlungsstränge auf verschiedenen zeitlichen Ebenen aus. Besonders der Mix aus Fiktion und Philosophie macht den Autor bei seinen jugendlichen Lesern so beliebt. 2008 wurde der Roman als norwegisch-deutsch-spanische Koproduktion verfilmt. Die Dreharbeiten fanden in Oslo, in Erfurt und in Sevilla statt. Daraus ist aber nicht der befürchtete "Europudding" entstanden, bei dem die Zutaten von den Interessenlagen der regionalen und überregionalen Filmförderung bestimmt werden. Hier sind Dramaturgie und Schauplätze stimmig und handlungskonform.

Der Film erzählt zwei Liebesgeschichten (um 1980 und heute) mit zwei verschiedenen Denkhaltungen; eine Handlung, die gleichzeitig in einer metaphysischen und existenziellen Perspektive lesbar ist. An einem ganz normalen Tag irgendwo in Oslo begegnet Jan Olav dem Orangenmädchen. Sein Leben wäre wahrscheinlich anders verlaufen, wenn er an diesem Tag die Straßenbahn verpasst hätte. Doch so hat er hier eine ungewöhnliche Begegnung: In einem roten Mantel steht ein wunderschönes Mädchen in der Straßenbahn und hält eine riesige Tüte voller Orangen fest umklammert. Ein plötzlicher Ruck und die Früchte fallen aus der Tüte auf den Boden. Doch das scheint dem Mädchen nichts auszumachen, es greift eine Orange, sagt ihm auf Wiedersehen und entschwindet aus der Bahn. Jan Olav ist von ihrer Erscheinung fasziniert und strengt sich an, sie zu finden, viele Versuche bleiben ergebnislos. Dann begegnet er ihr in einem Cafe, doch dieses Zusammentreffen verläuft sehr merkwürdig. Denn das Orangenmädchen, wie Jan Olav sie insgeheim nennt, scheint ihn sehr gut zu kennen, weiß seinen Namen und seine Adresse, kennt seine Geschichte. Seine Verwirrung nimmt zu, als sie sich spontan mit einem Kuss von ihm verabschiedet und ihn bittet, sechs Monate auf sie zu warten. In dieser Zeit bleibt sie verschwunden. Eines Tages erhält Jan Olav unerwartet eine Postkarte von ihr aus Sevilla. Sie bittet ihn, noch ein wenig länger zu warten. Doch seine Geduld ist am Ende. Hals über Kopf macht er sich auf den Weg nach Sevilla und versteht endlich das Geheimnis des Orangenmädchens.

Viele Jahre später findet der 16-jährige Georg, der Sohn von Jan Olav, unter seinen Geburtstagsgeschenken einen merkwürdigen Brief. Den früh verstorbenen Vater und den tiefen Schmerz seines Verlustes hatte er schon aus seinen Gedanken verdrängt. Nur die Leidenschaft für die Sterne und Planeten scheint Georg noch mit seinem Vater zu verbinden. Widerwillig nimmt Georg den väterlichen Brief mit auf seinen Ausflug in die verschneiten Berge, doch Blatt für Blatt entdeckt er die wahre Hinterlassenschaft dieses Schreibens. Sein Vater erzählt ihm eine magische Geschichte über die Liebe, ihre Fragilität und ihre Vergänglichkeit in der Zeit. Es ist die Geschichte einer großen Liebe, der Liebe zum Orangenmädchen. Aus einer schlichten Ski-Tour wird plötzlich eine Reise in die Vergangenheit. Von Hütte zu Hütte gleitet Georg auf seinen Skiern durch unendliche Schneelandschaften und scheint dabei die Zeit aus den Augen zu verlieren, lediglich das Herzklopfen, das er verspürt, wenn er mit der gleichaltrigen Stella zusammen ist, erinnert ihn an sein Hier und Jetzt.  Georg findet allerdings nicht den Mut, sich auf das Mädchen einzulassen, doch der Brief fordert die jugendliche Neugier Georgs heraus. Wie einst Jan Olav muss auch Georg feststellen, dass sich die größten Geheimnisse und Wunder zwar oft in der eigenen Vergangenheit verbergen, sie aber umso dringender in der Gegenwart gelebt werden müssen. Für seinen Sohn bedeutet dies eine Herausforderung, der er sich stellen muss.

Die verschiedenen Handlungs- und Zeitebenen mit anspruchsvollen, mitunter komplizierten Rückblenden, unterliegen einer filmisch-dramaturgischen Konzeption, die keine direkte Annäherung an die Alltagsrealität von Jugendlichen gestern und heute versucht. Eher ist dieser Film ein romantisches Märchen voll poetischer Imagination. Es geht um aus der Balance geratene Gefühlswelten sowie um innere und äußere Spannungen, die jugendliche Zuschauer nachvollziehen können. Der Film stellt das ganz bewusst mit einfachen Mitteln dar und somit sind die Protagonisten in einigen Situationen von Klischee-Vorgaben belastet, die der Glaubwürdigkeit ihres Verhaltens entgegenstehen. Reizvoll an der Konzeption von Buch und Regie sind hingegen in erster Linie neben dem Spiel mit den Zeit-Ebenen die visuellen Seherlebnisse für die Zuschauer, die sich aus den verschieden Schauplätzen ergeben: Oslo als Großstadt, die endlose Schneelandschaft in den norwegischen Bergen und das sonnendurchflutete Sevilla. Erzählt wird eine sich überkreuzende Liebesgeschichte aus zwei Generationen. Die beiden Beziehungen reflektieren und kontrastieren sich und beschreiben so auch eine Vater-Sohn-Beziehung, die über den Tod hinaus geht. Die Brücke, die die beiden Geschichten miteinander verbindet, ist Jan Olavs Brief, den er kurz vor seinem Tod geschrieben hat und in dem er über existenzielle Probleme nachdenkt. Er fragt sich und seinen Sohn Georg, wie man trotz der Gewissheit um die eigene Sterblichkeit das Leben genießen kann.

Horst Schäfer

 

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KJK-Ausgabe 121/2010

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