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Ausgabe 124-4/2010

BAL – HONIG

BAL

Produktion: Kaplan Film Prod./Heimatfilm; Türkei/Deutschland 2009 – Regie: Semih Kaplanoglu – Buch: Orçun Köksal, Semih Kaplanoglu – Kamera: Baris Özbiçer – Schnitt: Ayhan Ergürsel, Semih Kaplanoglu, Suzna Hande Güneri – Darsteller: Boras Altas? (Yusuf), Erdal Besikçioglu (Yakup), Tülin Özen (Zehra) u. a. – Länge: 103 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih: Piffl Medien – Altersempfehlung: ab 12 J.

Eigentlich sind Filme wie das leise türkische Drama "Bal" (Honig) Kino von gestern. Die Einstellungen dauern mitunter mehrere Minuten; über weite Strecken passiert überhaupt nichts. Und wo sonst stampfende Rhythmen die Handlung vor sich hertreiben, gibt es hier überhaupt keine Musik. Für musikalische Untermalung sorgen einzig die Klänge der Natur. All das aber ist die perfekte Verpackung für diese Geschichte, denn der dritte Teil von Semih Kaplanoglus Trilogie über den Dichter Yusuf ist eine Hommage an eine Welt, die es beinahe schon nicht mehr gibt. Yusuf, in den früheren Werken "Yumurta" (Ei) und "Süt" (Milch) erst vierzig, dann zwanzig Jahre alt, ist in "Bal" ein kleiner Junge. Man muss die beiden anderen Teile nicht kennen, um der Handlung problemlos folgen zu können; und der dritte ist ohnehin der schönste.

Yusuf, sechs oder sieben Jahre alt, ist ein Träumer, der in einer der vielen schönen Szenen des Films vergeblich versucht, in einem Wasser nach dem Mondlicht zu greifen. Es ist sein größter Wunsch, in der Schule endlich auch mal eine Anstecknadel für herausragende Leistungen zu bekommen. Aber Yusuf stottert und zieht es daher vor, überhaupt nichts zu sagen. Deshalb reduzieren sich die Dialoge des Films auf wenige Sätze, denn auch seine wichtigste Bezugsperson, Vater Yakup, macht nicht mehr Worte als nötig. Meist unterhalten sie sich flüsternd, weil die Wörter dann flüssig aus Yusufs Mund kommen. In der Regel aber reden sie gar nicht, wenn sie gemeinsam durch Wiesen und Wälder streifen.

Die Geschichte beginnt mit dem größten Drama, das der Kleinfamilie widerfahren könnte. Die Handlung trägt sich ebenso wie die anderen Teile der Trilogie im anatolischen Osten zu, wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Yakup ist Imker. Allerdings ist seine Form dieses Handwerks ebenso im Aussterben begriffen wie die Bergdörfer, in denen Kaplanoglu gedreht hat: Yakups Bienenkörbe stehen nicht auf der Erde, sie hängen in schwindelnder Höhe in den Kronen uralter riesiger Bäume. Dort gewinnt er den wertvollen schwarzen Honig, der auch zu medizinischen Zwecken genutzt wird. Weil die Bienen die Gegend verlassen haben, muss Yakup immer weiter weg wandern, um die Körbe aufzuhängen. Eines Tages kehrt er nicht mehr heim: Er ist abgestürzt. Zunächst gehen Yusuf und seine Mutter Zehra ihrem gewohnten Alltag nach, aber dann wird Zehra unruhig und macht sich auf die Suche nach ihrem Mann.

Weil Yakup bereits im Prolog abstürzt, sind die folgenden Szenen umso berührender, die wenigen gewechselten Worte umso bedeutsamer. Gerade wegen dieser Lakonie bleibt auch einiges unklar, aber das hat bei Kaplanoglu Methode. Er nennt seine Art des Filmemachens "spirituellen Realismus", der Wald ist für ihn ein "magisches Reich"; vermutlich soll man gar nicht alles verstehen. "Bal" ist auch ohne große Worte eine Hommage an die Ursprünglichkeit, an das einfache Leben, an die Unschuld der Kindheit. Und da der quicklebendige kleine Bora Alta? laut Kaplanoglu das exakte Gegenteil des introvertierten Yusuf ist, muss man seine Leistung (und Kaplanoglus Führung des Jungen) umso höher einstufen. Ein schöner Film, in dem man sich gern verliert. Bei der diesjährigen Berlinale ist "Bal" mit einem "Goldenen Bären" ausgezeichnet worden.

Tilmann P. Gangloff

 

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KJK-Ausgabe 124/2010

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