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Ausgabe 124-4/2010

I KILLED MY MOTHER

J'AI TUÉ MA MÉRE

Produktion: Mifilifilms; Kanada 2009 – Regie und Buch: Xavier Dolan – Kamera: Stéphanie Weber-Biron – Schnitt: Hélène Girard – Musik: Nicholas Savard-L'Herbier – Darsteller: Xavier Dolan, Anne Dorval, François Arnaud, Suzanne Clément, Patricia Tulasne, Niels Schneider, Pierre Chagnon u. a. – Länge: 96 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Rezo Films, infosrezo@rezofilms.com – Verleih: Kool (ab 02/2011) – Altersempfehlung: ab 14 J.

Ein Sechzehnjähriger schreibt ein Drehbuch, er organisiert Geld, produziert schließlich seinen eigenen Film, worin er die Hauptrolle spielt, führt Regie und landet damit einen echten Überraschungscoup auf den Filmfestspielen in Cannes, wo er drei Preise einheimst! Jetzt ist sein Filmdebüt die kanadische Einreichung  zum Auslands-Oscar. Das hört sich an wie ein schlechtes Hollywood Drehbuch, ist aber die reale Geschichte des jungen Xavier Dolan, der 2009 mit "I killed my mother" seinen Erstlingsfilm vorlegte. Wie der Titel schon vermuten lässt, geht es um die Auseinandersetzung des jugendlichen Hauptdarstellers mit seiner Mutter. Die Mutter wirkt eigentlich ganz patent, steht beruflich auf eigenen Füßen, ist etwas zu kitschig gekleidet und seit zehn Jahren allein erziehend. Hubert aber wehrt sich mit allen Mitteln gegen ihre Mutterliebe. Oftmals wirken die Beiden wie ein altes Ehepaar, wenn sie beispielsweise schon morgens im Auto darüber streiten, welchen Sender sie anhören wollen – die Mutter sitzt wie so häufig am längeren Hebel und wirft Hubert schließlich entnervt aus dem Auto. Erst ganz allmählich registriert man, dass dies auch die Geschichte eines Coming out ist, Hubert ist seit zwei Monaten mit einem Freund zusammen, aber seine Mutter ahnt nichts davon. Sie wird es schließlich durch Zufall erfahren und dann zutiefst darüber gekränkt sein, dass ihr Sohn kein Vertrauen zu ihr hat. Aber Huberts Bekenntnis zur Homosexualität ist nicht das Hauptanliegen des Films, sondern wird eher nebenbei abgehandelt.

Es ist verblüffend, mit welcher Stilsicherheit dieser junge Regisseur seinen ersten Film in Szene gesetzt hat. In der Verwendung verschiedener Erzähltechniken macht sich bereits ein souveräner Umgang mit den filmischen Möglichkeiten bemerkbar. So gibt es immer wieder schwarz/weiß aufgenommene Kommentare, in denen sich Hubert offensichtlich im Badezimmer mit einer kleinen Digicam filmt. Als sei die Kamera rein zufällig abgestellt, zeigt sie sein Gesicht meist nur halb oder aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel. Hier reflektiert Hubert dann über seine Beziehung zur Mutter und formuliert einerseits seine Traurigkeit wegen seiner Hassliebe zu ihr, andererseits lässt er hier auch seiner Wut ganz freien Lauf. Es sind die authentischsten Szenen des Films, da er vorgibt, unbeobachtet zu sein: Psychische Reflexionen als filmisches Tagebuch festgehalten. Diese Bänder wird die Mutter schließlich finden und erkennen, dass ohne räumliche Trennung das Verhältnis zum Sohn nicht zu retten ist. Den dokumentarisch wirkenden Aufnahmen konträr entgegen gesetzt sind Traumsequenzen in Zeitlupe, in denen er mit seiner Mutter als Braut gekleidet durch den Herbstwald tanzt.

In Anlehnung an die Titelmusik aus "In the Mood for Love" von Wong Kar-Wai, einem wunderbar traurigen Liebesfilm, setzt Dolan den Soundtrack sparsam aber effektiv ein. Manchmal zeigt er uns auch nur einige Filmstills von Accessoires seiner Mutter wie Engelputten, Schmetterlingen oder kitschigen Wandbildern und dazu stakkatohaft getaktete Musik. Dann ahnt man, welcher Pein er ausgesetzt ist, als Jugendlicher in einer Welt zu leben, die in keinem Fall seine eigene sein kann und  deshalb muss er seinen Schulaufsatz unweigerlich "I killed my Mother" nennen!

Katrin Hoffmann

 

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KJK-Ausgabe 124/2010

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