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Ausgabe 124-4/2010

WEIL DER MENSCH EIN MENSCH IST

Hintergrund

Deutschland 2007 – Farbe, Digibeta, 28:15 Min. – Buch, Regie, Schnitt, Ton: Frauke Finsterwalder & Stephan Hilpert – Produktion HFF München, im Auftrag von ZDF/ 3sat – Preise: Bayrischer Dokumentarfilm-Oskar 2007, Spezialpreis der Jury ON/OFF Filmfestival Warschau 2008, Polen – Verleih: über DOK.fest München, www.dokfest-muenchen.de – besonders geeignet für Schüler der Jahrgangsstufen 6 bis 8., ab 11 J.

Das 25. Internationale Dokumentarfilmfestival München veranstaltete 2010 erstmalig die Filmreihe DOK.education. Diese Filmdokumentation bündelt Erfahrungen, die das DOK.education Team in sieben Veranstaltungen mit Schülern der Klassen 6 bis 10 aus München und Umgebung gesammelt hat. Insgesamt 20 Schulklassen (etwa 430 Schüler) sahen den Dokumentarfilm "Weil der Mensch ein Mensch ist". Die Veranstaltung war zweigeteilt: Zuerst wurde der Film angeschaut, danach gab es eine etwa einstündige medienpädagogische Interaktion, konzipiert und geleitet von der Dramaturgin/ Medienpädagogin Caren Pfeil und der Filmemacherin Yvonne Rüchel-Aebersold.

Inhalt
Der elfjährige Nils verbringt seine Sommerferien in einem Zeltlager der Roten Falken und ist stolz darauf, als er in das Kinderparlament des Lagers gewählt wird. Aber nach kurzer Zeit wird er wieder abgewählt, zugunsten des cooleren Enrico, der schon mit den Mädchen knutscht. Nils kann das nur schwer akzeptieren. Er gerät in eine Außenseiterposition, in der er für die anderen Kinder zur Zielscheibe von Spott und Gewalt wird. Die Idylle bricht, der Ort wird zum Martyrium. – Ein beklemmender Film über das Entstehen von subtilen Machtstrukturen, Mobbing und Gewalt.

Entstehung des Films
Die beiden Autoren hatten geplant, einen Film über das Erlernen von Demokratie zu drehen. Stattdessen wurden sie hautnahe Zeugen, wie aus Machtspielchen Mobbing wird, wie Hierarchien entstehen, die Täter und Opfer hervorbringen. Das brachte auch die Filmemacher in Konflikt mit ihrer Verantwortung als Erwachsene, in diese Situationen eingreifen zu müssen, andererseits die filmenden Beobachter zu sein, die das "Drehmaterial" für den Film brauchten. Dieser Aspekt wurde in der medienpädagogischen Nachbereitung besonders hinterfragt, da er für die Kinder einerseits im direkten Zusammenhang zum Thema Mobbing stand (sie erwarten von Erwachsenen helfend einzugreifen) und andererseits das Verhältnis von Wirklichkeit und Fiktion, also die ästhetische Formung von Wirklichkeit durch den Regisseur, begreifbar machte.

Reaktionen während der Vorstellung
Der Film beginnt damit, dass die "Hauptfiguren" sich vorstellen. Schon hier fällt Nils durch seine besondere Art auf, die Zuschauerkinder lachten. Auch in anderen Szenen, etwa wenn zwei Mädchen sich bei einem Spiel küssen oder eine kleine Liebesgeschichte erzählt wird, reagierten die Kinder mit der alterstypischen leichten Abwehr, also mit Lachen. Mit der zunehmend bedrückenden Stimmung des Films wurde es im Zuschauerraum stiller. In Szenen, in denen Nils von mehreren Jungen geärgert und auch körperlich bedrängt wird, gab es keine Lacher mehr. Die Kinder verfolgten sehr aufmerksam einen Film, der es vermeidet, Gewaltszenen zu zelebrieren, sondern diese nur andeutet oder unterschwellig spürbar macht. Die Reaktionen waren dementsprechend verhalten. Durch die sehr eindrücklichen Naturbilder, die metaphorisch die Gefühle von Nils spiegeln, und bestimmte Stimmungen (etwa ein Fest mit Disco und Feuer), die durch besonderes Licht und Musik erzeugt werden, wird ein emotionaler Zugang ermöglicht. Im Kontrast dazu wird die zunehmende Isolation von Nils mit relativ sachlich geführten Interviews deutlich. Der Film setzt also sowohl auf den mitdenkenden Zuschauer, forciert aber auch maßvoll das emotionale Erleben.

Beobachtungen und Erkenntnisse der medienpädagogischen Interaktion/ Nachbereitung
Die Kinder wurden mit Informationen zum Dokumentarfilm allgemein und mit konkreten Beobachtungsaufgaben zum Film empfangen. Durch die verschiedenfarbigen Blätter mit Beobachtungsthemen, die sie von Beginn an auf ihren Plätzen vorfanden, war beabsichtigt, sie in der Sitzordnung zu mischen, um die üblichen gruppendynamischen Verhaltensmuster zu durchbrechen.
Nach dem Film wurde der spontanen emotionalen Reaktion der Kinder Raum gegeben, allerdings ohne auf ihre persönlichen Geschichten tiefgründig eingehen zu können. Das Thema Mobbing ist ein so allgegenwärtiges für die Kinder. Das pädagogische Begleitmaterial gibt deshalb Anregungen für eine Nachbereitung mit dem Lehrer/ der Lehrerin im Klassenverband, also in der vertrauten sozialen Gruppe. Ein Schwerpunkt unserer Veranstaltung war die eigenständige Arbeit der Schüler in gemischten Gruppen, in denen sie selbst Fragen erörterten wie: Was machen die Bilder mit mir? Wo haben die Filmemacher geschummelt? Wie wird ein Zeitsprung dargestellt?

Die Anwesenheit einer der Filmregisseure erwies sich als sehr hilfreich, weil so ganz authentisch nachvollziehbar wurde, wie mit dem Wirklichkeitsmaterial eine neue filmische Wirklichkeit geschaffen wird. Was unterscheidet eine Dokumentation von einem Spielfilm, von der Dokusoap? Die Kinder glaubten zum Beispiel nicht, dass der Stein, auf den Nils beinahe fällt, echt ist. "Der ist aus Schaumgummi, der ist doch hingelegt, damit sich der 'Darsteller' nicht verletzt!"  Allein anhand dieses Details, was uns in dieser Interpretation dann doch sehr überraschte, konnten wir das Thema mediale Wirklichkeit sehr eindrücklich bearbeiten. Ästhetische Formung von Wirklichkeit – wie erkenne ich das? Wie gehe ich damit um? Woran erkenne ich, ob etwas "echt" ist oder nicht?

Zusammenfassend kann man sagen, dass das Thema des Films sehr dicht am Erfahrungshorizont der Kinder sein muss – Mobbing ist so ein Thema –, will man mit ihnen das Medium Film untersuchen, um letztlich ihre Medienkompetenz zu erhöhen. Auch die konkreten Nachfragen bestätigen: Die Kinder interessieren sich für Filme, die ganz eng an ihren eigenen Lebenswelten dran sind. Oft haben wir gehört: "Es müsste mal ein Film über mich gemacht werden!"

Eignung des Films für die Kinderkulturarbeit
Es ist notwendig, dass der Film immer mit einer Nachbereitung gekoppelt ist, was wegen seiner Kürze auch gut möglich ist. Diese kann sofort im Anschluss oder zeitnah am nächsten Tag stattfinden, von den Lehrern geleitet werden oder von Filmleuten / Medienpädagogen, ganz in Abhängigkeit davon, welcher Aspekt in den Mittelpunkt gestellt wird – das Thema Mobbing oder das Thema Medienkompetenz.
Die Geschichte ist überschaubar, die Figuren sind ausschließlich "ihresgleichen" – die Kinder sind also sofort mittendrin in einer Wirklichkeit, die sie gut kennen. Dadurch kann der Film ein hervorragender Anstoß sein, um miteinander über solche und ähnliche Tendenzen und Vorfälle in der eigenen Klasse zu sprechen. Der erste Schritt, um Mobbing zu verhindern, besteht ja darin, diese Vorgänge für und vor allen Beteiligten offen zu legen. Und der Film zeigt ganz deutlich, welche Mechanismen funktionieren müssen, dass einer zum Opfer und viele zu Tätern werden.
Zum anderen sind hier Thema und ästhetische Verarbeitung so eng miteinander verknüpft, dass sich die Gelegenheit bietet, medienspezifische Aspekte zu untersuchen und durchschaubar zu machen. Heutige Kinder und Jugendliche gehören einer Generation an, die in bisher nicht gekanntem Ausmaß Nutzer – Zielgruppe aber eben auch "Opfer" –verschiedener Medien ist. Eine große Herausforderung besteht für uns – die Erwachsenen, Eltern, Lehrer, die ganze Gesellschaft – darin, sie zu befähigen, kritisch und selbstbewusst mit diesen Medien umzugehen.
Geeignet für alle Schulformen ab Klasse 5/6 (Realschule, Hauptschule, Gymnasium, Berufsschule).

Caren Pfeil

 

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KJK-Ausgabe 124/2010

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