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Ausgabe 63-3/1995

EUROPA IST WEIT

EUROPA MESSZE VAN

Produktion: Satellit-Film /MTV /Duna TV /Europa 2000 Kft /ZDF; Deutschland / Ungarn / Schweiz 1994 – Regie: Barna Kabay, Katalin Petényi – Drehbuch: Imre Gyöngyössy, Katalin Petényi – Kamera: László Zentay – Schnitt: Katalin Petényi, Mária Nagy – Musik: Ferenc Darvas – Darsteller: Levente, Géza Kaszás, Denissa Dér, Hédi Temessy, Ferenc Zenthe, Katalin Dudás u. a. – Länge: 109 Min. – Farbe – Alterseignung: ab 12 J.

Rumänien zur Zeit des Diktators Ceaucescu. Der achtjährige Petru lebt mit seinen Eltern in einem abgelegenen Gehöft in den Bergen. Für den Jungen bedeutet das unbeschwerte Leben dort inmitten der Natur ein ideales Abenteuer, fast schon Paradies. Doch Petrus Eltern, beide angesehene Akademiker, werden vom Regime verfolgt. Als man ihnen auch in der Einöde nachstellt, beschließen sie, außer Landes zu fliehen. Petru muss seinen geliebten Hund zurücklassen und obendrein ein jüngeres Mädchen als "Schwester" und unliebsame Begleiterin akzeptieren, deren ebenfalls verfolgter Vater sich schon zuvor nach Österreich absetzen konnte.

Auf ihrer dramatischen Flucht über die Grenze und durch einen Fluss verlieren Petrus Eltern ihre letzte Habe und vor allem ihre Papiere, mit der sie ihre Identität nachweisen könnten, die von den rumänischen Behörden geleugnet wird. In Österreich wird die Familie deshalb zunächst in einem geschlossenen Flüchtlingslager untergebracht. Petru findet dort immerhin einen Freund, und einige Sozialarbeiter kümmern sich geradezu rührend um das Schicksal der Familie. Dennoch sind die Zustände und Lebensbedingungen insgesamt entwürdigend, haben nichts mit der Freiheit zu tun, von der die Eltern redeten. Als ausländerfeindliche Jugendliche das Lager anzünden und Petru beinahe in den Flammen umkommt, wird die Familie auseinander gerissen. Petru fühlt sich allein und verlassen von seinen Eltern und flieht in einem Viehwaggon nach Deutschland. Ein alter Bahnwärter in Bayern nimmt sich des Jungen zuerst gegen den Willen, dann mit fürsorglicher Unterstützung seiner Frau an. Sie gewinnen den Jungen bald lieb und wollen ihn behalten und adoptieren. Doch eines Tages stehen Petrus Eltern vor der Tür. Sie haben ihren Sohn nach langer Suche endlich gefunden, doch sie werden ihn aus seiner inzwischen vertraut gewordenen Umgebung erneut herausreißen.

Wie schon "Honigkuckuckskinder" von Willy Brunner versucht auch der Film "Europa ist weit" gerade jüngeren Zuschauern die Asylanten- und Flüchtlingsproblematik auf kindgerechte Weise und aus der Perspektive bzw. über die Gefühlswelt der mitbetroffenen Kinder zu vermitteln. Das allein schon ist bemerkenswert, denn gute Filme zu diesem wichtigen und aktuellen Thema sind selten, Kinderfilme allemal. Man scheut das Risiko. Nicht von ungefähr ist diese internationale Co-Produktion nur in Zusammenarbeit mit mehreren Fernsehanstalten entstanden – aber hoffentlich nicht nur auf dem Bildschirm zu sehen.

Bei der Realisierung ihres ambitionierten Projektes standen die drei ungarischen Filmemacher (Drehbuchautor Imre Gyöngyössy verstarb noch vor Fertigstellung des gemeinsam mit seiner Frau Katalin Petényi geplanten Films) vor der schwierigen Aufgabe, einesteils die harte und brutale Realität, auch das Leiden der Kinder, nicht aussparen zu können, um dem Thema gerecht zu werden und es nicht unzulässig zu verharmlosen, andererseits gerade dem jüngeren Publikum auch wieder nicht zuviel zumuten zu wollen. Dramatische Momente, wie die Fluchtszenen oder das deprimierende Leben im Lager, sind oft in schonungsloser Deutlichkeit inszeniert. Doch selbst wenn es einmal ganz schlimm kommt, gibt es immer Fremde und Freunde, die Petru und seine Familie unterstützen, einen Ausweg wissen, Trost spenden, einfach da sind.

Darüber hinaus treten die Schrecken des Flüchtlingsschicksals im zweiten Teil des Films zunehmend zurück zugunsten von lustigen, fast märchenhaften Erzählelementen, bis hin zum versöhnlichen Schluss. Zum Schmunzeln ist auch die teilweise vielleicht zu weit ausladende Darstellung der oberbayerischen Dorfidylle und ihrer Bewohner, die vorübergehend zur neuen Heimat des Jungen wird. Von der Lederhosenkluft über das Fingerhakeln bis zum Bierkrugstemmen ist dabei kein Klischee ausgelassen. Andererseits verdeutlichen gerade solche Szenen, dass Petru lernen muss und lernt, sich in einer anderen Kultur mit gänzlich anderen Bräuchen und Sitten zurechtzufinden.

Insgesamt hätte dem Jung und Alt gleichermaßen ansprechenden Film eine leichte Straffung und Differenzierung des letzten Teils gut getan. Vollkommen überzeugend dagegen der Darsteller des Petru, der aus etwa 4000 Bewerbern ausgesucht wurde, mit seiner Präsenz und Lebendigkeit den ganzen Film trägt und über die Identifikation einen guten Zugang zum Thema ermöglicht.

Holger Twele

 

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