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Ausgabe 126-2/2011

DER GANZ GROSSE TRAUM

Produktion: deutschfilm / Cuckoo Clock Entertainment / Senator Film; Deutschland 2011 – Regie: Sebastian Grobler – Buch: Philipp Roth, Johanna Stuttmann – Kamera: Martin Langer – Schnitt: Dirk Grau – Musik: Ingo Ludwig Frenzel – Darsteller: Daniel Brühl (Konrad Koch),  Burghart Klaußner (Schuldirektor Gustav Merfeld), Justus von Dohnányi (Richard Hartung), Thomas Thieme (Geschichtslehrer Dr. Bosch), Axel Prahl (Schricker senior), Kathrin von Steinburg (Klara Bornstedt),  Adrian Moore (Joost Bornstedt, Theo Trebs (Felix Hartung) u. a. – Länge: 110 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Senator – Altersempfehlung: ab 10 J.

Als der junge Lehrer Karl Koch nach einem Aufenthalt in England im Jahr 1874 seine neue Stelle an einem deutschen Gymnasium antritt, herrschen dort noch strenge Sitten. Die Autorität der Lehrer wird nicht hinterfragt, das Sagen hat der Sohn aus reichem Elternhaus, die erfolgreichen Schlachten gegen die Franzosen dienen der seelischen Erbauung – so wie der gleichförmige Turnunterricht den Körper trainieren soll. Nur eine richtige Gemeinschaft gibt es nicht an dieser Schule, an der Unterordnung und das Recht des Stärkeren gilt. Wie ein Fremdkörper wirkt Koch, als er mit einem Lederball, den ihm englische Freunde geschenkt haben, die bestehenden Regeln durcheinander bringt. Eine neue Sportart soll den Schülern einen Sinn für Teamgeist vermitteln. Zusammenspiel statt Konfrontation – und nebenbei wird auch sprachlich noch über den begrenzten Horizont geschaut und somit der Blick für das Andere geöffnet.

Während die meisten Schüler sich vom Fußballspiel begeistern lassen, stößt die Sportart bei den anderen Lehrern auf Ablehnung. Die Schüler lassen sich nicht mehr so leicht einschüchtern und die freien Spielabläufe stehen in krassem Gegensatz zum disziplinierten Turnsport. Sogar Joost, der Junge aus ärmlichen Verhältnissen, zeigt plötzlich Talent und wird von den anderen Jungen akzeptiert. Die Macht des Wortführers Felix hingegen schwindet zunehmend, weil er auf dem Platz keine Leistung zeigt und von seinem Vater ohnehin auf preußischen Drill, Disziplin und Gefühlskontrolle getrimmt wurde. Als auch der Förderverein von den seltsamen Unterrichtsmethoden von Koch erfährt, gerät dieser nach einem Missgeschick umso mehr in Bedrängnis. Das Fußballspiel soll verboten werden. Einem Geheimbund ähnlich treffen sich die Schüler anfangs heimlich nachmittags im Park zum ersten Match.

Mit jungenhaftem Charme spielt Daniel Brühl den fußballbegeisterten Lehrer Koch, der sich die Lust am Spielen erhalten hat ebenso wie den Mut, sich nicht anzupassen und eigene Wege zu gehen. Genau in dieser historischen Figur nimmt sich der Film die meisten Freiheiten und konstruiert sie als Gegenpol zur spießigen Wilhelminischen Gesellschaft des Kaiserreichs. Den Anstoß für die allmähliche Modernisierung und die Veränderung der Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern, Kindern und Eltern, liefert schließlich nicht die große Politik, sondern ein leichter Ball aus Leder. Ausgelöst durch Koch bricht im Film eine neue Zeit an, die nicht mehr nur rückblickend in den Siegen gegen Frankreich schwelgt und die Schlacht von Verdun preist, sondern die weit über den deutschen Tellerrand hinausblickt und Grenzen durch die faire sportliche Auseinandersetzung einreißt. Die wundersame Begeisterung für den seltsamen neuen Ballsport ebnet dabei nach und nach auch die Standesgrenzen ein zwischen Schülern aus armen und reichen Familien, zwischen Außenseitern und Wortführern, die sich plötzlich als Team auf dem Spielfeld wiederfinden.

Fast schon zu pathetisch und versöhnlich wirkt das Ende, wenn alle Probleme gelöst sind und über Texttafeln schließlich die Brücke zur deutschen Fußballbegeisterung der Gegenwart geschlagen wird. Gerade dieser Unterschied zwischen der heutigen Bedeutung des Ballsports und dem Misstrauen, das man dem Fußball damals entgegengebracht hat, kann aber den Reiz für ein junges Publikum ausmachen. Der "Club der toten Dichter" trifft in dieser Variante auf dem Rasen. Und "Oh Captain, mein Captain" erhält eine neue Bedeutung.

Stefan Stiletto

 

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KJK-Ausgabe 126/2011

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