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Ausgabe 127-3/2011

SINTFLUT

MABUL

Produktion: K5 International Producers; Israel / Kanada / Deutschland / Frankreich 2010 – Regie: Guy Nattiv – Buch: Noa Berman-Herzberg und Guy Nattiv, nach dem gleichnamigen Kurzfilm von Noa Berman-Herzberg – Kamera: Philippe Lavalette – Schnitt: Tali Halter-Shenkar – Musik: Patrick Watson – Darsteller: Yoav Rotman (Yoni), Michael Moshonov (Tomer), Ronit Elkabetz (Mutter Miri), Tzachi Grad (Vater Gidi) u. a. – Länge: 101 Min. – Farbe – Weltvertrieb: K5 International, email: carl@k5mediagroup.com – Altersempfehlung: ab 12 J.

Yonis großer Tag, seine Bar Mizwa, rückt näher – viel Zeit bleibt da nicht mehr für den Stimmbruch und die ersehnte tiefere Stimme fürs Rezitieren aus der Tora. Dass der mehr um seinen Ruf besorgte Rabbi ihn ständig für seinen unsicheren, leisen Vortrag über die Sintflut tadelt, streut nur noch Salz in die Wunde. Auch sonst laufen die Dinge nicht so gut: Ein paar Jungen aus der Schule spielen ihm übel mit, sein Vater lässt die Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten schleifen und überhaupt haben seine Eltern vollauf mit sich zu tun und unterstützen ihn wenig. Als Yonis älterer, autistischer Bruder Tomer nach Hause kommt, weil das Heim unerwartet geschlossen wurde, ist das Maß voll für Yoni. Alle sind überfordert mit der neuen Situation – und nun soll er sich auch noch um Tomer kümmern, den er doch eigentlich gar nicht kennt und der die Familie noch kaputter aussehen lässt als ohnehin! Einziger Lichtblick in Yonis Leben ist die hübsche und selbstbewusste Tochter des Rabbis, mit der er sich anfreundet. Vielleicht sind es die entspannten und schönen Momente mit ihr, durch die Yoni sich wider Erwarten auf seinen Bruder einlassen kann – auch wenn der Druck von außen immer größer wird. Als es zu einer lebensbedrohlichen Situation kommt, ist die ganze Familie gefragt.

Die Spielfilmfassung des Kurzfilms "Mabul", der 2002 den Gläsernen Bären auf der Berlinale gewann, erzählt die Geschichte einer Familie, die längst auseinandergebrochen ist und deren  Mitglieder sich mit ihren jeweiligen Problemen, Sehnsüchten und (geplatzten) Träumen allein gelassen sehen. Die Ehe der Eltern ist schon vor Jahren gescheitert. Miri gleicht einem fragilen Phantasiewesen, wenn sie mit ihren Kindergartenkindern spielt und tanzt. Sie flüchtet sich in eine Affäre, die ihre Sehnsucht nach Liebe doch nicht stillen kann. Der Vater gesteht weder sich noch seiner Familie ein, dass seine Karriere als Pilot nach aufgeflogenem Drogendelikt vorbei ist. Nun fliegt er nur noch high vom Kiffen und bleibt dabei buchstäblich am Boden. Yoni schließlich wäre gerne größer und stärker, als er ist, und versucht es gar mit Anabolika und einer Art „Urschrei-Therapie“. In gewisser Weise sind sie alle so autistisch wie Tomer, mit ihren Fluchten in Ersatzwelten, in denen sie für die anderen unerreichbar sind. Dass und in welcher Weise ausgerechnet der autistische Sohn seiner Familie die Chance gibt, wieder ins gemeinsame Leben zu finden, berührt zutiefst in diesem warmherzigen Film und ist dank einer sensiblen Dramaturgie und wunderbarer Darsteller glaubwürdig und kitschfrei umgesetzt.

Die Bar Mizwa kennzeichnet den Übergang in die (religiöse) Mündigkeit. Und tatsächlich reift Yoni an den Herausforderungen und lernt, Verantwortung zu übernehmen, für sich, seinen Bruder, die Familie. Hat er zuvor seine Mutter barsch auf ihre Pflicht hingewiesen ("Er ist dein Sohn!") und Mitgefühl sowie Hilfe verweigert, beginnt er sich allmählich für den fremden Bruder zu interessieren und entdeckt Gemeinsamkeiten. Es ist schön zu beobachten, wie die vorsichtige Annäherung der Brüder parallel zur Vorbereitung auf die Bar Mizwa geschieht. Bei der Zeremonie stimmt Tomer schließlich in Yonis Rezitieren mit ein und gibt dem kleinen Bruder damit mehr Stimme. Die titelgebende "Sintflut" bildet den roten Faden der Handlung: In der Tora heißt es, vor der Flut war die Erde "verderbt und gewalttätig"; nach der Flut würde alles besser werden. Wie auf Noahs Arche muss auch Yonis Familie in diesen stürmischen Zeiten zusammenrücken und sich auf das Wesentliche besinnen. Der Regen, der zu Yonis Bar Mizwa vom Himmel (bzw. vom Flugzeug) fällt, wäscht alle(s) rein und bereitet symbolisch den Neuanfang vor, für die Familie, für die ganze Gemeinde womöglich.

"Sintflut" erhielt von der Kinderjury der Generation Kplus eine lobende Erwähnung auf der Berlinale 2011: "Die gefühlvoll entwickelte Geschichte hat uns auf realistische Art und Weise das Leben einer Familie in einer sehr schwierigen Phase gezeigt. Besonders beeindruckt hat uns das sich langsam aufbauende, liebevolle Verhältnis zweier Brüder. Die Schauspieler waren großartig." Dem kann ich nur voll und ganz zustimmen.

Ulrike Seyffarth

Zu diesem Film siehe auch:
KJK 127-3/2011 - Interview - "Kindheit ist sehr intensiv. Auch was die Schmerzen betrifft"

 

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