Produktion: Solofilms / Les Films Séville; Kanada 2010 – Regie: Richard Roy – Buch: Michel Michaud, Richard Roy – Kamera: Yves Bélanger – Schnitt: Michel Arcaud – Musik: FM Le Sieur – Darsteller: Antoine Pilon (Frisson), Alice Morel-Michaud (Chantal), Guillaume Lemay-Thivierge (Tom Faucher), Evelyne Brochu (Hélène Paradis, Lehrerin) u. a. – Länge: 101 Min. – Farbe – Kontakt: Entertainment One Films Canada, 175 Bloor Street East, Suite 1400, North Tower, Toronto, Ontario M4W 3R8, Tel.: 416.646.2400, Fax: 416.646.2399 – Altersempfehlung: ab 14 J.
Wenn gestandene Filmemacher reiferen Alters mit einem ihrer Werke zurückblicken in die eigene Zeit der Kindheit und Jugend, ergibt das nicht automatisch einen guten Film für ein junges Publikum. Dem kanadischen Fernsehregisseur Richard Roy ist dies gelungen, obwohl er zurückblendet in das Jahr 1969, in die Zeit der Hippie-Bewegung, der ersten Mondlandung und des legendären Woodstock-Festivals, bei dem die wichtigsten Musikgrößen jener Zeit wie etwa Jimmy Hendrix auftraten. Es war eine Zeit des Aufbruchs, der Experimente und der Änderungen, aber auch der Utopien und der Hoffnung auf ein friedvolleres, besseres Leben, vor allem auf Freiheit, was immer darunter zu verstehen war. Für die heutige junge Generation ist diese Zeit vermutlich nur schwer nachvollziehbar und günstigenfalls haben sie schon einmal von Jimmy Hendrix gehört, der wie jüngst Amy Winehouse im Club der im gleichen Alter und zu früh verstorbenen Musikeridole zu finden ist.
Richard Roy spricht mit seinem Film aber keineswegs nur 68er-Veteranen an. Seine historisch konkret verortete und zugleich zeitlose Geschichte über Verlust und Hoffnung ist konsequent aus der Perspektive des zwölfjährigen Frisson erzählt, einem stets zu Streichen aufgelegten Jungen, der sich Jimmy Hendrix zum Idol genommen hat. Frissons Vater ist in seiner Freizeit selbst ein begeisterter Rockmusiker und so wollen Vater und Sohn bald das Woodstock-Festival besuchen, um ihr Idol einmal live erleben zu können. Daraus wird nichts, als der Vater bei einem Arbeitsunfall an einem Strommast ums Leben kommt. Den schweren Verlust meistert der Junge nicht zuletzt deshalb, weil er das mit dem Vater gesetzte Ziel allein weiter verfolgt und am Ende dafür auch belohnt wird.
Ihren besonderen Reiz entwickelt die Geschichte dennoch weniger aus dem Mut machenden Umgang mit der Tragik des väterlichen Tods und dem beharrlichen Wunsch, das Festival zu besuchen, als aus der äußerst humorvollen und mitunter auch respektlosen Schilderung eines pubertierenden Jungen. Frisson beginnt gerade, die Welt der Erwachsenen und damit auch die Sexualität zu entdecken – und er hat es in aller "Unschuld" faustdick hinter den Ohren. Mit dem Luftgewehr zielt er auf die zum Trocknen aufgehängte Unterwäsche der Nachbarin, und in die neue junge Lehrerin an der Schule verliebt er sich so stark, dass er nicht einmal davor zurückscheut, auf einen Baum zu steigen, um auch intimere Momente von ihr zu erhaschen. Kein Wunder, dass eine ihn anhimmelnde Klassenkameradin zunächst keine Chancen bei Frisson hat. Auf etwaige bewahrpädagogische Bedenken, die zu jener Zeit erstmals grundsätzlich in Frage gestellt wurden, nimmt der Film jedenfalls nicht allzu viel Rücksicht. Stattdessen gelingt es ihm, seine Geschichte emotional ansprechend zu erzählen, voller Sympathie und Einfühlungsvermögen in die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens, die offenbar auch damals nicht leichter als heute waren. Seine deutsche Erstaufführung hatte der Film beim Schlingel-Filmfestival in Chemnitz 2011, wo er auch den Preis der Fachjury für den besten Juniorfilm erhielt.
Holger Twele
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