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Ausgabe 131-3/2012

INKLUSION – GEMEINSAM ANDERS

Produktion: PROVOBIS FILM, im Auftrag von BR alpha; Deutschland 2011 – Regie: Marc-Andreas Bochert – Buch: Christopher Kloeble – Kamera: Andreas Höfer – Schnitt: Antonia Fenn – Musik: Eike Hosenfeld, Moritz Denis, Tim Stanzel – Darsteller: Paula Kroh (Steffi Harder), Max von der Groeben (Paul Fischer), Florian Stetter (Albert Schwarz), Julia Brendler (Claudia Schwarz), Milena Dreißig (Pauls Mutter), Kirsten Block (Direktorin) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – Altersempfehlung: ab 12 J.

2006 verabschiedeten die Vereinten Nationen die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, die "Inklusion" auf allen Ebenen der Gesellschaft fordert. 2009 hat Deutschland diese Konvention ratifiziert und ist damit zu deren Umsetzung verpflichtet. Nach der Definition des österreichischen Inklusionswissenschaftlers Walter Krög "will Inklusion die Verschiedenheit im Gemeinsamen anerkennen, d.h. der Individualität und den Bedürfnissen aller Menschen Rechnung tragen. Die Menschen werden in diesem Konzept nicht mehr in Gruppen (z.B. hochbegabt, behindert, anderssprachig ...) eingeteilt. Während im Begriff Integration noch ein vorausgegangener gesellschaftlicher Ausschluss mitschwingt, bedeutet Inklusion Mitbestimmung und Mitgestaltung für alle Menschen ohne Ausnahme. Inklusion beinhaltet die Vision einer Gesellschaft, in der alle Mitglieder in allen Bereichen selbstverständlich teilnehmen können und die Bedürfnisse aller Mitglieder ebenso selbstverständlich berücksichtigt werden." Was auf dem Papier so einleuchtend klingt, ist in der Tat visionär und wird derzeit vor allem im Bildungsbereich heiß diskutiert, da Inklusion eine grundlegende Veränderung der Gesellschaft voraussetzt. Denn dafür, dass Menschen mit Behinderungen – egal welchen Ausmaßes – in der Schule oder im Job mitbestimmen und -gestalten können, muss ja zumindest erst einmal der Leistungsdruck wie der finanzielle Druck abgeschafft werden.

Marc-Andreas Bochert, der 2010 bereits für BR alpha den Episodenfilm "Empathie" inszeniert hat, beschäftigt sich nun in seinem neuen Fernsehfilm mit diesem Thema: Steffi, ein intelligentes Mädchen, das im Rollstuhl sitzt, und Paul, ein liebenswerter Junge, der "langsam im Kopf ist", werden in die 9b der Rousseau-Schule aufgenommen. Diese Gesamtschule hat sich Inklusion auf ihre Fahnen geschrieben, vor allem auch der junge, engagierte Klassenlehrer Albert Schwarz. Da die Inklusion "kostenneutral" umgesetzt werden muss, sind die Probleme vorprogrammiert. Lehrer Schwarz soll sich um die beiden Neuankömmlinge ohne den vorgesehenen Schulhelfer kümmern, das Gebäude selbst ist nicht barrierefrei gebaut, niemand hat sich Gedanken gemacht, wer Steffi zur Toilette begleitet und ihr in der Kabine hilft, und niemand ist da, der den noch mit den Fingern rechnenden Paul im Matheunterricht unterstützt. Hinzu kommt, dass Steffi ihre körperliche Behinderung nicht verwinden kann und äußerst aggressiv auf ihre Mitschüler und Lehrer reagiert, so dass sie schon bald von allen gemieden wird.

Albert Schwarz aber verliert den Mut nicht. Er stemmt sich gegen die Beschwerden der Eltern, die fordern, dass ihre Kinder so gut und effektiv wie nur möglich ausgebildet werden, er ignoriert das Murren seiner Schüler, die nicht einsehen, dass Paul und Steffi ständig "bevorzugt" werden, und setzt sogar seine Ehe aufs Spiel, weil es in seinem Denken und Tun nur noch um die Probleme in der Klasse geht. Letztendlich schafft es der Lehrer, Steffi und Paul in die Theatergruppe zu integrieren und denkt sich ein amüsantes Programm aus, an dem sie sich mit ihrer Behinderung beteiligen können. Bei der Schulaufführung ernten die Jugendlichen einen riesigen Applaus, bis es noch auf der Bühne zu einem Eklat kommt und alle Inklusionserfolge wieder in Frage gestellt werden.

Fast dokumentarisch und recht ausgewogen zeigt Marc-Andreas Bochert in seinem Film auf, welche Chancen sich aus dem Inklusionsanspruch ergeben, vor allem aber auch welche Diskrepanz dabei zwischen Theorie und Praxis, Anspruch und Realität vorherrscht. Eingebunden in eine interessante Alltagsgeschichte spart er aber jegliche Zuspitzungen (nicht umsonst haben Steffi und Paul eine "händelbare" Behinderung) bzw. philosophische Erörterungen aus, sondern wendet sich den ganz normalen, auf der Hand liegenden Problemen zu. Dabei bleibt er dicht bei seinen Protagonisten und erreicht somit eine hohe Glaubwürdigkeit. Überzeugend spielen Florian Stetter den idealistischen Lehrer Schwarz, Paula Kroh die zickige Steffi und Max von der Groeben den gutmütigen Paul. Manchmal etwas zu "leichtverdaulich", wie oft bei Fernsehproduktionen üblich, bewegt dieser Film und regt auf jeden Fall an, sich mit dieser Problematik intensiv auseinanderzusetzen.

"Inklusion – gemeinsam anders" wurde am 23. Mai 2012 im Hauptabendprogramm der ARD in der Reihe "FilmMittwoch im Ersten" ausgestrahlt.

Barbara Felsmann

 

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