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Ausgabe 132-4/2012

BERG FIDEL – EINE SCHULE FÜR ALLE

Produktion: Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) / Hella Wenders Produktion; Deutschland 2011 – Regie und Buch: Hella Wenders – Kamera: Merle Jothe – Schnitt: Verena Neumann – Musik: Thom Hanreich – Länge: 94 Min. – Farbe – FSK: o. A. – FBW: wertvoll – Verleih: W-film – Altersempfehlung: ab 14 J.

Berg Fidel heißt ein Stadtteil in Münster. So heißt auch eine Grundschule, an der lernschwache, behinderte und "normale" Grundschüler gemeinsam lernen. Hier ist die vielerorts geforderte Inklusion gelebte Praxis. Die Schule heißt alle Kinder willkommen, unabhängig von ihren Lernvoraussetzungen und -möglichkeiten und ohne Rücksicht auf ihren kulturellen, religiösen oder wirtschaftlichen und familiären Hintergrund. Wie Kinder mit Handicaps in diesem Umfeld aufblühen und wie sie lernen, sich gegenseitig zu helfen, das beschreibt eindringlich die junge Autorin und Regisseurin Hella Wenders in ihrem Dokumentarfilm, der zugleich ihr Abschlussfilm an der dffb ist. Beim Kinofest Lünen gewann "Berg Fidel" 2011 den Hauptpreis des Festivals, den Zuschauerpreis "Lüdia", im Wert von 10.000 Euro. Und beim Fünf Seen Festival erhielt der Low-Budget-Debütfilm im August 2012 den Dokumentarfilmpreis.

Die Regisseurin konzentriert sich auf vier Kinder. Drei Jahre hat sie die Schüler David, Jakob, Lucas und Anita in der Schule, zu Hause und in der Freizeit mit der Kamera begleitet. Dabei zeichnet sie keine heile Welt oder pädagogische Idylle, sondern beschreibt offen auch persönliche Rückschläge, familiäre Probleme und strukturelle Defizite. Dazu gehört, dass auf der Modellschule die Kinder nach der vierten Klasse auf weiterführende Schulen wechseln müssen, ob sie wollen oder nicht, ob ihnen das gut tut oder nicht. Für manche Schüler ist das bereits eine Vorentscheidung für ihr Leben. Hella Wenders, eine Nichte des Regisseurs Wim Wenders, lässt die Kinder von sich selbst erzählen, von ihren Wünschen und Sorgen. Man spürt dabei die Sachkenntnis und Empathie von Hella Wenders, deren Mutter als Lehrerin an der porträtierten Schule arbeitet. Bemerkenswert ist der warmherzige Blick auf die Kinder, die es in einer immer mehr von Wettbewerb und Leistungsdenken geprägten Gesellschaft schwer haben. Die Regisseurin zeigt sich beeindruckt davon, wie die Kinder in der Schule ihre Probleme lösen, und fügt hinzu: "Auch das Lernen in den altersgemischten Klassen schien dort wie von allein zu gehen, obwohl 25 Prozent der Kinder offiziell behindert waren und 60 Prozent aus dem Ausland stammten."

Heimlicher Star der Dokumentation ist der hochbegabte David, der an einem Gendefekt leidet, aber sein Leben mit viel Humor und erstaunlich altklug zu meistern scheint. David verblüfft viele Zuschauer, kann er doch schon Musikstücke komponieren und täglich neue Witze erfinden. Der Junge möchte Astronom werden und denkt schon über philosophische Fragen nach wie "Wo hat das Weltall seine Grenze?" Davids Bruder Jakob leidet unter dem Down-Syndrom, ihm sitzt aber trotzdem der Schalk im Nacken. Er benötigt eine sonderpädagogische Förderung und stellt des Öfteren die Geduld der Mitschüler mit seinen impulsiven Reaktionen auf die Probe. Gleich in mehrfacher Hinsicht schwer hat es Anita aus dem Kosovo. Das Mädchen tut sich mit der deutschen Sprache schwer und befürchtet, dass es mit der Familie auf den Balkan abgeschoben wird. Weil Anita sich um ihren jüngeren Bruder kümmern muss, findet sie zu wenig Zeit zum Lernen. Sie träumt davon, Model zu werden, dürfte aber mit ihrer Figur dafür keine Chancen haben. Lucas ist der Vierte im Quartett, er hat Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben, kennt sich dafür aber umso besser in Automechanik aus und weiß, wie man Autos "frisiert".

Die vier Schüler, die aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammen und unterschiedliche Handicaps haben, versuchen auf je eigene Art, im Leben voranzukommen. Lehrer sowie Eltern dürfen in Wenders' Film keine ausführlichen Kommentare abgeben. Im Unterschied zu der thematisch verwandten Dokumentation "Klassenleben" von Hubertus Siegert aus dem Jahr 2005 verzichtet Wenders auch auf Off-Kommentare. Ebenso verzichtet sie darauf, das Lernkonzept der Modellschule explizit zu erläutern, man kann es aber aus den Beobachtungen in der Schule weitgehend selbst ableiten. Auch wenn es zwischendurch einige Längen gibt und die Kamera zu oft TV-typische Großaufnahmen der Kinder zeigt, so ist der Film doch ein eindringliches Plädoyer für mehr integrative Schulen, gerade angesichts der aktuellen Diskussion über eine "offene Schule" und zu frühe Ausgrenzungen schwacher Schüler.

Reinhard Kleber

 

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