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Ausgabe 134-2/2013

JIN

Bild: JIN
© Generation / Berlinale

Produktion: Atlantik Film, in Koproduktion mit Mars Entertainment Group / Imaj / Bredok Film Production; Türkei 2013 – Regie und Buch: Reha Erdem – Kamera: Florent Herry – Schnitt: Reha Erdem -Musik: Hildur Gudnadottir – Darsteller: Deniz Hasgüler (Jin), Onur Ünsal (Soldat), Sabahattin Yakut (Gefängnisaufseher), Yildirim Simsek (Lastwagenfahrer) – Länge: 122 Min. – Farbe – Kontakt: claudine@atlantikfilm.com – Altersempfehlung: ab 14 J.

Die 17-jährige Jin, Mitglied einer kurdischen Partisanengruppe, die sich im unwirtlichen Gelände der Berge verschanzt, stiehlt sich eines Nachts davon. Sie ist des Kämpfens müde, sehnt sich nach Bildung und einem Heim, in dem sie wohlbehütet im Kreise der Familie aufwachsen kann. Einmal versucht sich die junge Frau Zugang zu dem Ersehnten zu verschaffen, indem sie aus einem abgelegenen Anwesen Essen, ein paar Kleidungsstücke und ein Schulbuch mitgehen lässt. Dadurch hofft sie, in das begehrte Leben einfach hineinschlüpfen zu können. Doch den Feuergefechten entkommt die Heldin nicht. Indem sich Jin aus der Deckung ihrer Gruppe herausgewagt hat, hat sie sich einzig zum Freiwild gemacht. Von der Luft aus wird sie von unsichtbaren Kampfgeschwadern gejagt. Ihnen sieht sich der Zuschauer genauso hilflos ausgesetzt. Urplötzlich naht die Gefahr, zerreißt fast das Gehör, und schon schlagen die Sprengsätze in die malerische Gebirgslandschaft ein. Und auch die neue, zivile Einkleidung wird für die selbstbewusste Jin zu einer Falle. Bei der Begegnung mit einem Hirtenjungen muss sie die kränkende Erfahrung machen, dass vor einer Partisanin die Männer kuschen und unterwürfig das Brot teilen. Kaum ist sie jedoch in der landesüblichen Tracht unterwegs, zieht sie lediglich begehrliche Blicke der Männer auf sich, die selbstherrlich glauben, dass eine schöne Frau ihnen gefügig sein muss. Obwohl sich Jin jedes Mal erfolgreich wehrt, landet sie doch wieder an ihrem Ausgangspunkt. Sie hängt fest. Da sie keinen Pass hat, kann sie auch nicht die militärischen Sperren passieren. Resigniert streift sich Jin schließlich wieder die Partisanen-Uniform über.

Der diesjährige Eröffnungsfilm der Berlinale-Reihe Generation 14plus beeindruckte mit seinen erhabenen Landschaftsaufnahmen, mit denen er seelisch zu bewegen sucht. Mit weiten Einstellungen und dem sprechenden Einsatz von Umweltgeräuschen fängt er vorzüglich die Gefühle seiner Heldin ein, die dem verborgenen Feind wie den sozialen Verhältnissen ausgeliefert ist, während sie allein die gebirgigen Höhen durchquert oder über die staubigen Ebenen wandert. Von einem zivilen Leben kann sie nur träumen. Für den Zuschauer wird die Todesgefahr höchst greifbar, er spürt den zermürbenden Druck, welcher der Film der türkischen Vorherrschaft und der patriarchalischen Gesellschaftsordnung zurechnet. Gleichwohl kippen die ausdrucksstarken Bilder der gehetzten Heldin am Ende in ein pathetisches Tableau um, indem ihre Flucht zu einer Art christlichen Leidensweg überhöht wird, der unweigerlich in das Schattenreich hinab führt. Ihn vorweg nimmt das auf- und absteigende musikalische Hauptmotiv, das gleich anfangs deren Misslingen antönen lässt. So liegt Jîn zu einer toten Christusfigur stilisiert auf einem Felsen darnieder gestreckt. Aber kein Mensch weint um dieses Opfer des ewig schon schwelenden türkisch-kurdischen Nationalkonfliktes. Statt trauernder Anhänger gruppieren sich um sie Tiere wie ein Bär und ein Esel, auf die sie unterwegs traf, und suggerieren, dass in diesem Konflikt Menschen niemals human handeln werden, allein in der wilden Natur die Unschuld beherbergt ist. Indes geht die Barbarei von den Männern aus, während die junge Frau gegenüber Tier und sogar dem Feind Nächstenliebe ausübt. Damit wirkt der moralische Entwurf des Films doch aus zu grobem Stoff gewebt.

Stilistisch knüpft Erdem an Tepenin Ardis Film "Beyond the Hill" an, der letztes Jahr im Forum aufgeführt wurde. In ihm zieht eine Gruppe von Männern in eben solch grandioser Berglandschaft gegen unsichtbar bleibende Nomaden, von denen sie sich immer stärker bedroht fühlen. Auch Ardi geht es um die Brutalität in den patriarchalischen Strukturen, aber anders als Erdem stellt er diese nicht einfach nur aus, sondern deckt höchst anschaulich auf, wie deren Projektionen mehr und mehr eine soziale Gemeinschaft zerfressen.

Heidi Strobel

 

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KJK-Ausgabe 134/2013

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