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Ausgabe 134-2/2013

NORDSTRAND

Bild: NORDSTRAND
© Bergfilm, André Lex

Produktion: Bergfilm Produktion, in Koproduktion mit Radio Bremen; Deutschland 2013 – Regie und Buch: Florian Eichinger – Kamera: Andre Lex – Schnitt: Jan Gerold – Musik: André Feldhaus – Darsteller: Anna Thalbach (Mutter), Rainer Wöss (Vater), Daniel Michel (Volker), Martin Schleiß (Marten), Luise Berndt (Enna), William Boer (Volker als Kind), Louis Lex (Merten als Kind) u. a. – Länge: 89 Min. – Farbe – Kontakt: Bergfilm Produktion & Verleih, Hamburg, Tel.: 040 422 98 52 – Altersempfehlung: ab 14 J.

Kaum sind die Eltern für einen Spaziergang am Strand aus dem Haus, holen Marten und sein drei Jahre jüngerer Bruder Volker eine Schnapsflasche aus dem Wohnzimmerschrank und genehmigen sich heimlich einen Schluck. Als die Eltern unerwartet zurückkehren, bleibt ihnen kaum Zeit zur Vertuschung. Routiniert greift auch der Vater gleich zur Flasche, bemerkt das Fehlen des Verschlusses, holt in aller Ruhe drei Gläser und schickt seine Frau nach draußen. Dann zwingt er die Kinder, ein ganzes Glas des Schnapses zu trinken, wobei sie anschließend auch körperlich gezüchtigt werden.

Viele Jahre später kehrt Marten, inzwischen 30, in das rote Backsteinhaus hinter den Dünen und dem endlosen, herrlichen Sandstrand zurück und macht sich sogleich ans Aufräumen und Putzen. Er erwartet seinen Bruder, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Zweck des Treffens ist, Volker zu überreden, die Mutter aus dem Gefängnis abzuholen, die demnächst entlassen wird. Doch Volker möchte das Haus verkaufen, denn er benötigt dringend das Geld. Die Mutter kann ihm gestohlen bleiben, das latente Spannungsverhältnis zum Bruder droht immer mehr zu eskalieren. In zahlreichen Andeutungen stellt sich heraus, dass Marten wie sein Vater alkoholkrank wurde und gesundheitlich schwer angeschlagen ist. Immer noch in Sorge um seinen jüngeren Bruder, dem er einst gegen den cholerischen Vager nicht genügend beistehen konnte, ist er zugleich derjenige, der versucht, die Familie weiterhin zusammenzuhalten, der das Haus, in dem beide Kinder so schreckliche Erlebnisse hatten, behalten möchte, der für die Mutter Verständnis entwickelt, dass sie in ihrer Not irgendwann den Vater getötet hat und dafür ins Gefängnis kam. Volker dagegen findet diese Tat weitaus schlimmer, als die durch den Vater erfahrenen Demütigungen, war dieser doch wenigstens physisch anwesend. Die Mutter dagegen sah viel zu lange weg und nahm ihm am Ende auch noch für immer den Vater. Schon als Kind hatte Volker dicht gemacht, nichts und niemanden an sich heran gelassen, nicht einmal seine Jugendliebe Enna, die zunächst überglücklich ist, die Brüder wiederzusehen. Die erfahrene Gewalt hat Volker verinnerlicht, sie ist ein Teil von ihm selbst geworden. Ein Video, das er der Mutter zum "Geschenk" machen möchte, zeigt ihn, wie er einen Mann brutal auf der Straße zusammenschlägt. Reue empfindet Volker nicht, dem um ihn besorgten Bruder wird er später erklären, sich bloß keinen Kopf zu machen, denn er sei "nie anders gewesen".

Autorenfilmer und Produzent Florian Eichinger erzählt in ruhigen Bildern, in mitunter fast quälend langen Einstellungen von einer zerstörten Kindheit und ihren Spätfolgen für die Opfer, von dem unterschiedlichen Umgang mit Gewalterfahrungen, bei denen die Opfer später manchmal zu Tätern werden, aber auch von der Hilflosigkeit und den Schuldgefühlen der Umwelt, die Bescheid wusste oder wenigstens eine dunkle Ahnung von den Vorgängen im Haus hatte, und doch nicht helfen konnte oder nicht wusste, wie zu helfen sei. Die Gewalt und ihre Spätfolgen werden allenfalls in Andeutungen gezeigt, weniger in Nahaufnahmen als aus der Totale, etwa wenn Marten und Volker sich einen erbarmungslosen Schwimmwettkampf liefern oder ihre gegensätzliche Musikvorliebe auf völlig unterschiedliche Verarbeitungs- und Verdrängungsmechanismen schließen lässt. Ein äußerlich stiller Film, der die stummen Schreie umso eindringlicher hören lässt. Der vom "Bündnis für Kinder – gegen Gewalt" unterstützte Film wurde beim Ophüls-Festival 2013 mit mehreren Preisen ausgezeichnet.

Holger Twele

 

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KJK-Ausgabe 134/2013

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