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Ausgabe 134-2/2013

THE WEIGHT OF ELEPHANTS

Bild: THE WEIGHT OF ELEPHANTS
© Forum / Berlinale (Sophia Olsson)

Produktion: Zentropa Entertainments5 Aps, Hvidovre / Severe Features, Auckland; Neuseeland / Dänemark / Schweden 2013 – Regie und Buch: Daniel Joseph Borgman – Kamera: Sophia Olsson – Schnitt: Molly Malene Stensgaard – Musik: Kristian Selin Eidnes Andersen – Darsteller: Demos Murphy (Adrian), Matthew Sunderland (Onkel Rory), Catherine Wilkin (Großmutter), Angelina Cottrell (Nicole), Hannah Jones (Joely), Finn Holden (Clinton) u. a. – Länge: 87 Min. – Farbe – Weltvertrieb: New Zealand Film Commission, Wellington, Neuseeland, info@nzfilm.co.nz – Altersempfehlung: ab 12 J.

Hinter dem Haus seiner Großmutter spielt der 11-jährige Adrian mit sich selbst auf einer verwilderten Wiese. Dort rotten eine Rutschbahn und eine Wippe vor sich hin. Aber ihn lockt noch mehr ein verlassenes Boot. Er setzt sich hinein und probiert die Ruder aus. Die Kamera fährt an dem Boot entlang, Musik setzt ein und der Zuschauer hört das Rauschen des Meeres und das Kreischen von Möwen. In Zeitlupe begleitet die Kamera die Bewegung des Jungen, der die Ruder rhythmisch durch das Wasser auf und nieder zieht, musikalisch pointiert durch Läufe auf dem Klavier. Einen Augenblick lang erlebt man, wie Adrian eine unbeschwerte Bootspartie allein auf dem Wasser genießt. Es ist eine wunderschöne Szene, die der Film für das Davonträumen seines Helden erfindet. Doch da fällt dessen Blick auf Onkel Rory, der ihn vom Fenster aus beobachtet. Schon ist der kurze Moment des kindlichen Glücks wieder vorüber, der Alltag hat Adrian in seinen Fängen. Und der ist für den Jungen frustrierend. Da ihn seine Mutter im Stich gelassen hat, lebt er im Hause seiner Großmutter. Die, äußerst praktisch veranlagt, will von seinen seelischen Nöten nichts wissen. So ist für ihn die wichtigste Bezugsperson Onkel Rory, ein Maler, der sich jedoch wegen einer psychischen Krankheit immer weniger um Adrian kümmern kann und schließlich in der Klinik landet. Der verletzliche, blonde Junge wird gezeigt als ein sensibler Beobachter seiner Umgebung. Immer wieder sieht man ihn in ausdrucksstarken Großaufnahmen, wie er Kränkungen, seine Ausgrenzung oder Unrecht ohnmächtig, manchmal auch staunend registriert. Die seelisch für ihn erregenden Momente werden durch den Einsatz von Zeitlupe präzise markiert. Erst in zwei neu zugezogenen Mädchen kann er gleichgesinnte Freunde finden. Sie teilen sein Schicksal auf andere Art; ihre Mutter ist bettlägerig und kann sich der Töchter nicht annehmen.

Der melancholische Film erzählt in der Figur Adrians – Demos Murphy ist ein Glücksfall für diese Rolle – vom Wunsch nach einer sorglosen Kindheit, in der Kinder ihrer Phantasie freien Lauf lassen, selbstverloren in der Natur spielen und vertrauensvolle Beziehungen aufbauen können. In der rauen Wirklichkeit hingegen kann sich die junge Generation auf die Erwachsenen nicht verlassen, sieht sich immer wieder auf sich selbst verwiesen oder muss sogar ihrerseits, wie Adrians Nachbarskinder, die Eltern versorgen. Der Film klagt diesen Zustand nicht an, sondern spürt auf eine eindrucksvolle Art die Not der Kinder auf und findet poetische Bilder dafür, wie sie sich immer wieder ein Stück ungetrübten Glücks zu verschaffen verstehen.

Die Entführung dreier Kinder, mit welcher der Film eingeleitet wird, dient als roter Faden, um der inneren Not Gestalt geben zu können. Den Stand der Ermittlungen verfolgt Adrian den ganzen Film hindurch gespannt im Fernsehen. Das medial Vermittelte beschäftigt seine Phantasie und die des Nachbarmädchens Nicole. Es wirft beider existenzielle Frage auf: Wie wichtig ist man als Kind eigentlich seinen Bezugspersonen? Und es ermöglicht Nicole, ihre große Enttäuschung über die Erwachsenen in Worte fassen zu können. So geht sie mit Adrian eines der entführten Mädchen in einem nicht mehr genutzten Schwimmbad suchen. Dort bricht die ganze Frustration aus ihr heraus: "Nobody cares". Wenn Adrian ihr schließlich verspricht, nachdem er sie vor dem Ertrinken gerettet hat, sie nicht zu verlassen, erscheint das trotzdem als lauer Trost. Denn in der parallel aufgebauten Konstruktion des Films hat ihm dies auch einmal Onkel Rory versichert. Und wie der Zuschauer weiß, konnte der Onkel das nicht einhalten, obwohl er es seinem Neffen in die Hand versprochen hatte – eine für ein Kind so ungemein bedeutsame Geste, wie die Detailaufnahme immer wieder hervorhebt. Denn gemeinsam geteilte Welten und Gesten des Versprechens garantieren keinesfalls eine Bindung auf Dauer. Das ist die tief-bittere Einsicht dieses Films.

Heidi Strobel

 

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KJK-Ausgabe 134/2013

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