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Ausgabe 134-2/2013

Für Egon Schlegel

1936-2013

Hintergrund

Egon Schlegel hat zwischen 1974 und 1990 einige der schönsten und spannendsten Kinderfilme der DEFA gedreht. Seine burleske Adaption des Grimmschen Märchens "Wer reißt denn gleich vorm Teufel aus" (1977), voller sinnlicher Heiterkeit, Spielfreude und Farbenpracht, riss jüngere und ältere Zuschauer zu Begeisterungsstürmen hin. Mit "Das Pferdemädchen" (1979) gelang ihm ein poesievoller Film über die Beziehung eines jungen Mädchens zu einer blinden Stute, eine Reflexion über das Verhältnis von Mensch und Natur, weit entfernt von dem gefühligen Kitsch der Immenhof-Serie. In "Max und die siebeneinhalb Jungen" (1980) thematisierte Schlegel Probleme bei der Vermittlung von Geschichtskenntnissen über die NS-Diktatur an die junge Generation und plädierte für einen neuen, unorthodoxen Zugang zum politischen Generationengespräch. "Die Schüsse der Arche Noah" (1984), nach dem gleichnamigen Jugendbuch von Peter Abraham, begleitete einen Zehnjährigen auf seiner Odyssee von Ostpreußen in Richtung Westen am Ende des Zweiten Weltkrieges: ein Film, in dem der Regisseur tragische und grotesk-komische Momente verflocht. Vor allem die beiden letzten, gedanklich komplexen Arbeiten Schlegels sind heute weitgehend vergessen. Es ist an der Zeit, sie wieder zu entdecken, könnten von ihnen doch anregende Impulse auch für den neuen deutschen Kinderfilm ausgehen.

Egon Schlegel, geboren am 13. Dezember 1936 in Zwickau, hatte zunächst Elektriker gelernt und dann als Hochspannungsmonteur gearbeitet, bevor er sich zu einem Regiestudium an der Potsdam – Babelsberger Filmhochschule entschloss. Während dieses Studiums gründete er mit mehreren Kommilitonen, darunter den späteren DEFA-Regisseuren Rainer Simon und Günter Meyer, das sogenannte "Kollektiv 63", das sich auf die Fahnen geschrieben hatte, wahrhaftige Gegenwartsfilme über den Alltag in der DDR zu drehen. Das 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965, nach dem fast eine ganze Jahresproduktion der DEFA verboten wurde, setzte diesem Ideal allerdings ein schnelles Ende: Schlegels abendfüllender Diplomfilm "Ritter des Regens", den er gemeinsam mit Dieter Roth zu inszenieren begonnen hatte, musste abgebrochen werden: Der realistische Blick auf den Arbeitsalltag in der DDR, inspiriert von Vorbildern des italienischen Neorealismus und des britischen Free Cinema, war nicht erwünscht. Die beiden jungen Regisseure wurden als "Verräter der Arbeiterklasse" tituliert und vom DEFA-Spielfilmstudio nicht übernommen, das bereits gedrehte Material wurde vernichtet.

Schlegel trat eine Assistentenstelle beim Dokumentarfilm an, wurde von Andrew und Annelie Thorndike ("Gruppe 67") zur Mitarbeit an Produktionen über deutsche Geschichte herangezogen. 1972 wechselte er als Assistent zum Spielfilmstudio, und als 1974 sein Regiekollege Claus Dobberke, der eine Science-Fiction-Komödie für Kinder, "Abenteuer mit Blasius", vorbereitet hatte, plötzlich erkrankte, wurde Schlegel beauftragt, den Film zu inszenieren. Er ergriff diese Chance und setzte den Stoff über einen menschenähnlichen Roboter, der von zwei Jungs für einen Spion gehalten wird, mit Phantasie und Erzähllust, Elementen des Märchens und des Musicals um. "Jedenfalls wurde in einem Kinderfilm lange nicht so gelacht, und das ist nun wirklich Grund genug zu Anerkennung und Freude", schrieb selbst die gefürchtete "Eulenspiegel"-Kritikerin Renate Holland-Moritz: ein Lob, das Schlegels Weiterarbeit beflügelte. Vor allem "Wer reißt denn gleich vorm Teufel aus" vermittelte dann mehr als nur eine Ahnung davon, welcher filmischen Tradition Egon Schlegel einst, während seines Studiums, folgen zu können gehofft hatte: Sein großes cineastisches Vorbild war Federico Fellini. "Außer Fellini und Mozart, den er den ganzen Tag hörte, ließ er nichts gelten", erinnerte sich Rainer Simon an die gemeinsame Studienzeit, "wir waren maßlos in unseren Ansprüchen und in unserer Kritik. Egon vielleicht der Maßloseste. Eigentlich wollte er etwas alle Rahmen und Fesseln Sprengendes drehen ..." In seinen beiden letzten Lebensjahrzehnten litt Egon Schlegel an manischer Depression, trank viel, erlitt einen schweren Brandunfall; und im vergangenen Jahr erkrankte er an Krebs. Am 22. Februar 2013 verstarb er, der ein kleines, pralles, doch eben auch weithin unvollendetes Lebenswerk hinterlässt, in Groß-Glienicke bei Berlin.

Ralf Schenk

 

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KJK-Ausgabe 134/2013

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