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Ausgabe 135-3/2013

MEIN KLEINER ORANGENBAUM

Bild: MEIN KLEINER ORANGENBAUM
© Telepool GmbH, München

MEU PÉ DE LARANJA LIMA

Produktion: Passaro Films; Brasilien 2012 – Regie: Marcos Bernstein – Buch: Marcos Bernstein, Melanie Dimantas, nach dem Roman von José Mauro de Vasconcelos – Kamera: Gustavo Hadba – Schnitt: Marcelo Moraes – Musik: Armand Amar – Darsteller: João Guilherme Ávila (Zezé), José de Abreu (Portuga), Caco Ciocler (José Mauro de Vasconcelos), Eduardo Dascar (Paulo Vasconcelos) u. a. – Länge: 99 Min. – Farbe – Kontakt: Telepool GmbH, München – Altersempfehlung: ab 10 J.

Brasilien vor vielen Jahrzehnten, als Autos noch ein Luxusgut für wenige waren: Der siebenjährige Zezé wächst zusammen mit seinen drei Geschwistern in Minas Gerais in der Nähe der Stadt Rio de Janeiro auf. Sein Vater ist schon lange arbeitslos und so darüber verbittert, dass er die kleinen und größeren Streiche des aufgeweckten und stets um Hilfe bemühten Jungen mit einer gehörigen Tracht Prügel bestraft. Die Mutter, die alleine für den Lebensunterhalt der Familie sorgen muss, fühlt sich komplett überfordert und hat kein Verständnis für die Flausen ihres Sohnes. Nur die einige Jahre ältere Schwester kümmert sich liebevoll um Zezé und zeigt ihm einen im Garten wachsenden jungen Orangenbaum, der wie Zezé erst später "Früchte" abwerfen und ihm in seiner überbordenden Fantasie zum Trostspender wird. Wenn sich der Junge Zezé auf einen Zweig des Baumes setzt, fühlt er sich alsbald auf dem Rücken eines wilden Pferdes, mit dem die Freiheit grenzenlos scheint. Auch bei seinen Spielkameraden hat Zezé keinen leichten Stand, zumal er eine Mutprobe nicht bestanden hat, hinten auf den fahrenden Wagen eines schon älteren portugiesischen Griesgrams zu steigen, den alle seiner Herkunft wegen nur Portuga nennen. Doch dann tritt Zezé auf eine Glasscherbe, humpelt unter Schmerzen zur Schule – und wird ausgerechnet von Portuga im Wagen mitgenommen, der ihn umgehend zum Arzt bringt. Dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, denn Zezé bekommt von Portuga die Liebe und Aufmerksamkeit, die er bisher entbehren musste, während Portuga förmlich aufblüht, vom Talent des Jungen überzeugt ist und ihn ermuntert, seine fantasievollen Geschichten zu Papier zu bringen und ihm einen wertvollen Füllhalter aus Europa schenkt. Als Portuga durch einen tragischen Unfall ums Leben kommt, ist das für Zezé ein schwerer Schock, von dem er sich nur langsam erholt. Doch wie die Rahmenhandlung des Films gleich zu Beginn zeigt, ist aus Zezé tatsächlich ein berühmter Schriftsteller geworden, der dafür ewig seinem Mentor dankbar bleiben wird.

Dieser Schriftsteller heißt José Mauro de Vasconcelos (1920-1984), der seinen später auch in Deutschland unter dem Titel "Wenn ich einmal groß bin" erschienenen Roman 1968 schrieb. Verfilmt wurde er jetzt von Marcos Bernstein, der damit seine zweite Spielfilmregie ablieferte und sich schon zuvor als Drehbuchautor (u. a. von "Central Station") einen Namen gemacht hatte. Vielleicht mit Ausnahme der schleppend erzählten Rahmenhandlung, in der der Schriftsteller das Grab seines väterlichen Freundes besucht, kann der für Jung und Alt gleichermaßen sehenswerte Film einem Vergleich mit dem von Walter Salles ("Central Station") nach Bernsteins Drehbuch mühelos standhalten. Der Junge ist perfekt besetzt, spiegelt in seinem Gesicht jede mögliche Gefühlsregung und wird gleich zu Beginn zum uneingeschränkten Sympathieträger. Ganz aus seiner kindlichen Perspektive erzählt, die auch seine Fantasiewelt einschließt, spart der Film die physischen und psychischen Verletzungen einer stark bedrohten Kindheit nicht aus, die Zezé einmal sogar fast in den Selbstmord treiben. Einem ganz jungen Publikum sind diese Szenen noch nicht zuzumuten. Ab einem Alter von etwa zehn Jahren sollten sie allerdings gut verkraftbar sein, zumal sie filmisch in wunderbar poetische Bilder aufgelöst und mittels Humor entschärft, oder durch Mut machende, unzweideutig optimistische Passagen und eine mit energetisch hohen Tönen arbeitende Musikuntermalung in Dur aufgebrochen werden. Sei es absichtlich oder nur in den Augen eines mitteleuropäisch sensibilisierten Zuschauers: Mehrfach reflektiert der Film auch die "Qualität" dieser Beziehung zwischen einem älteren Erwachsenen und dem Jungen, der zu einem Fremden ins Auto steigt, von diesem mit Süßigkeiten und Versprechungen verwöhnt wird und ihn auch einmal spontan berührt. Letztlich bleibt es außer Zweifel, dass diese Freundschaft unschuldig ist und für beide segensreich. Dem in Deutschland erstmals auf dem Kinderfilmfest / Filmfest München 2013 aufgeführten Film ist eine deutsche Kinoauswertung zu wünschen.

Holger Twele

 

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