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Ausgabe 64-4/1995

HOMMAGE AU CINÉMA

Eine dreiminütige HOMMAGE AU CINÉMA

Der Kanadier Alain DesRochers hat 1992 mit seinem dreiminütigen Kurzspielfilm "Hommage au Cinéma" die Entwicklung des Mediums kurz und gut auf den Punkt gebracht. Der Film ist als 16mm-Lichttonkopie jetzt auch in der Bundesrepublik Deutschland, in Österreich und in der Schweiz verfügbar. Gerade rechtzeitig zu "100 Jahre Kino". Innerhalb kürzester Zeit rauscht die Filmgeschichte über die Leinwand – und das ist konsequent: Cinema steht auch für Movie, für Bewegung, für Action und Speed.

In einer langen Fahrt auf einem Feldweg nimmt die Kamera aus einer zunächst halbtotalen Einstellung heraus einen kleinen Jungen auf; eine Sequenz, die Chaplins "The Kid" assoziiert; gleichzeitig eine Chiffre, die für das neue Medium stehen kann: jetzt noch klein und allein, aber schon munter und guter Dinge. Der Junge entdeckt die sich langsam von ihm entfernende Kamera. Er reagiert schnell und spurtet hinterher. Eine zweite Person kommt hinzu. Bald werden es immer mehr, die von der sie filmenden Kamera fasziniert sind und ihr nachrennen, zunächst noch neugierig und staunend, dann laut und lärmend. Die Gruppe wird immer größer, der Blick und die Einstellung auf sie bleiben unverändert. Zu erkennen sind Bäuerinnen, Feldarbeiter, Soldaten des Ersten Weltkrieges, Fahnen schwingende Revolutionäre, Gangstertypen der 20er-Jahre, Revue-Girls, Sportler und Soldaten des Zweiten Weltkrieges.

Werden zu Beginn die Bilder in ihrer Ästhetik wie von verkratzten Schwarzweiß-Stummfilmkopien präsentiert und von Geigenmusik begleitet, so ändern sich nun auffällig die formalen Mittel. Den technischen und stilistischen Entwicklungen der Bilder passt sich die Musik an: Vom Slapstick zum Jazz und später über die populären Songs der Nachkriegszeit hin zum Beat und Rock. Das scheinbar Dokumentarische vermischt sich mit dem bewusst Inszenierten, mit Anspielungen und Zitaten. Die Musik wird schneller, das Tempo zieht an, das Bild wird farbig. Eine Cinéma Vérité-Crew stößt hinzu, dann Highschool-Girls aus Hollywood-Filmen der 60/70er-Jahre, zwei Easy-Rider, eine Hippie-Clique, Schulkinder, Rennradfahrer usw. usf. Die aus der Verfolgergruppe heraus den Siegeszug des Mediums begleitenden Kameras werden kleiner und flexibler. Die Gruppe behält ihre Richtung bei und folgt begeistert der Führungskamera. Der Weg wird zur Straße und mündet in einem Ort. Die Kamera stoppt und steigt wie ein Ballon nach oben, das Objektiv ist aus der Aufsicht auf das dicht gedrängte Publikum gerichtet, das begeistert nach oben winkt und schreit. "Cinéma! Cinéma!"

Der Film ist zu Ende. Das Equipment wird abgebaut. Was so spielerisch aussah und improvisiert wirkte, ist mit einem großen Aufwand an Technik und Personal verbunden. Der Kreis schließt sich. Das Publikum, einmal in Bewegung geraten, lässt sich nicht mehr aufhalten und geht eigene Wege. Die Formation der Gruppe löst sich auf, die Menschen laufen quer durchs Bild. Zu sehen ist am Ende noch der kleine Junge, der Anlass und Auftakt zu dieser Parforcejagd gab.

In dieser Schlusssequenz findet sich die finale Folgerung: Film ist nicht nur Kunst, sondern auch Ware. Film steht auch für Produktion, Arbeit und Organisation. Wie kein anderes Medium hat es die Massen in Bewegung gebracht. Es gibt weder Rückschritt nach Stillstand. "Movie, Action und Speed" sind angesagt!

"Hommage au Cinéma" kann in drei Minuten selbstverständlich keine allgemein verbindliche Aussage über "100 Jahre Film und Kino" machen. Aber es ist erstaunlich, an wie viele Epochen, Genre, Kultfilme und Meisterwerke der Filmgeschichte in dieser kurzen Zeit erinnert wird: an die klassischen Slapstickfilme von Chaplin, Keaton & Co; an den russischen Revolutionsfilm; an die frühen Gangsterfilme mit James Cagney, später an den Film noir; an die "Ziegfeld Follies" und die Musicalfilme, an den italienischen Neorealismus; an Kriegsfilme und das Actionkino; an Musik- und Jugendfilme wie "American Grafiti"; an "Easy Rider" und die anderen Roadmovies; an "Hair" und die Filme der Protest- und Friedensbewegungen usw. usf.

Diese Zusammenstellung ist nicht vollständig; andere Assoziationen und Wiedererkennungen sind möglich und gewünscht. Die Zuschauer sehen nicht nur die rekonstruierten Bilder und erinnern sich an die Originale, sondern es wird ihnen wieder einmal vor Augen geführt, in welch starkem Masse der Film die Lebensstile und Lebensziele prägt: der Einfluss auf das Outfit, auf Freizeit- und Konsumgewohnheiten, die Übernahme von Attitüden der angebeteten Stars und Verhaltensmechanismen der Helden und Idole, die Aufforderung zu politischem Engagement oder konkreten Aktionen.

"Hommage au Cinéma" ist ein Film für alle Altersgruppen ab 6 Jahre aufwärts und im wahrsten Sinne des Wortes zeitlos, geeignet für alle Jahreszeiten und viele Gelegenheiten – zum Auftakt einer Filmreihe oder einer Veranstaltung ebenso wie zum Abschluss. Mit ihm können Cinephile ganze Quizabende gestalten oder sich zu feuchtfröhlicher Nostalgie animieren lassen. "Hommage au Cinéma" entfaltet sich besonders als Gruppenerlebnis, macht Lust auf Film und Kino, weckt unsere kommunikativen Bedürfnisse und macht uns stark in unserem Entschluss, sich vom Bildschirm ab- und der Leinwand zuzuwenden.

Die 16 mm-Kopie des Films "Hommage au Cinéma" wird zum Preis von DM 150,-- angeboten von Matthias-Film Gem. GmbH, Gänsheidestraße 67, 70184 Stuttgart, Tel. 0711/243456, Fax 0711/2361254.

Horst Schäfer

 

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