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Ausgabe 138-2/2014

Der zwangsläufige Preis des Erwachsenwerdens …

Gespräch mit Cao Baoping, Regisseur des chinesischen Films "Einstein und Einstein"

(Interview zum Film EINSTEIN UND EINSTEIN)

Cao Baoping wurde 1962 in Peking geboren, studierte Literatur und Theater an der Pekinger Filmakademie, wo er seit 1989 als Dozent für Drehbuch tätig ist. Nach der Ko-Regie für den Film "Absolute Emotion" (2001) inszenierte er Spielfilme ("The Trouble Maker, 2005, "The Equation of Love and Death", 2007) und nahm an internationalen Filmfestivals teil. Sein Film "Einstein und Einstein" lief im Wettbewerb von Generation 14plus der Berlinale 2014.

KJK: Ist die Geschichte von Li Wan typisch für die Situation junger Menschen im heutigen China?
Cao Baoping: Eigentlich ist die geschilderte Situation mit dem Kreislauf der Gewalt und der falsch verstandenen Liebe nicht nur für die heutige Generation beispielhaft, sondern auch schon für viele Generationen zuvor. Schon meine Generation hat das genauso erlebt.

Sie haben in einem Gespräch erwähnt, im Film gehe es um die Liebe zwischen Eltern und ihren Kindern. Ich hatte eher den Eindruck, dass der Film von den Schwierigkeiten handelt, diese Liebe zu zeigen.
Das Kernproblem ist, wie Liebe gezeigt wird, dass dies auf falsche oder problematische Weise geschieht. Es geht nicht darum, dass die Kinder nicht geliebt werden, sondern dass diese Liebe den Kindern einfach aufgezwungen wird, ohne diese zu fragen oder zu schauen, was sie tatsächlich brauchen, welche Art der Zuwendung sie eigentlich benötigen.

Sie meinten auch, es handele sich hier um eine allgemeine Form von Gewalt. Welche Auswirkungen hat diese Form der Gewalt auf die Gesellschaft insgesamt?
Vermutlich wird das Verhältnis zwischen den Generationen, bei dem diese Form von Gewalt zum Ausdruck kommt, in China anders verstanden als etwa in Europa. Zumindest führt diese Form von Gewalt nicht dazu, dass die Kinder ihre Eltern nicht mehr lieben oder gar hassen würden. Andererseits bedeutet das nicht, dass diese Form der Liebe richtig wäre. Es gibt natürlich Familien, in denen diese Form der subtilen Gewalt zum Tragen kommt, aber nach außen hin trotzdem alles in Ordnung ist. Mit meinem Film möchte ich in Frage stellen, ob diese Form der Liebesbekundung wirklich richtig ist. Was die jungen Menschen im Laufe ihrer Sozialisation durchmachen müssen, also dass sie belogen und betrogen werden, scheint mir der zwangsläufige Preis des Erwachsenwerdens und sie müssen lernen, sich damit zu arrangieren und auseinanderzusetzen.

Klingt das nicht doch etwas pessimistisch, wenn das von Generation zu Generation einfach weitergegeben wird? Für Deutschland beispielsweise habe ich den Eindruck, dass sich in den vergangenen Jahrzehnten gerade im Generationenverhältnis einiges geändert hat, nicht zuletzt durch die Medien.
Das Ziel meines Films ist nicht, hier eine große Wende einzuleiten. Ich wollte die momentane Situation exemplarisch herausarbeiten und dazu einladen, darüber nachzudenken. Entscheidend sind natürlich der Bildungsfaktor und der Zugang zu den Medien. Selbstverständlich wird sich der demokratische Gedanke über die Generationen hinweg etablieren und damit zu einem Umdenken führen, da bin ich mir sicher. Aber das ist ein langer Prozess.

Steht der Hund Einstein etwa auch symbolisch für den Umgang zwischen den Generationen?
Die Art und Weise, wie der Vater seine Tochter behandelt, hat natürlich auch einen Einfluss darauf, wie Li Wan mit dem Hund umgeht und wie sie generell die Welt um sich herum behandelt. Das ist eine stetige Wechselwirkung.

Wie stark ist das Bild der Familie im heutigen China im Wandel begriffen?
In jeder Generation gibt es im Moment immer schnellere und immer größere Umbrüche. Das wirkt sich allerdings nur wenig auf die Erziehung der Kinder aus, bei der man in alte Traditionen zurückfällt wie in einem atavistischen Reflex. Bei der Generation der Eltern spiegeln sich diese äußeren Umbrüche daher nur wenig wider. Ich möchte in meinem Film zeigen, wie schwierig dieses Erwachsenwerden im Moment ist, und das betrifft nicht nur China allein, sondern hat überall auf der Welt seine Gültigkeit.

Die Hauptfigur Li Wan fügt sich am Ende den Regeln der Gesellschaft. Ist das die einzige Möglichkeit für sie, um erwachsen zu werden?
Ich sehe da nicht generell noch einen anderen Weg und die Entwicklung von Li Wan auch eher positiv. Sie ist am Ende nicht verloren. Es hängt immer vom Individuum und den Charaktereigenschaften des Einzelnen ab, wie Dinge aufgenommen und rezipiert werden und was aus dem Menschen dann wird. Meine Intention war jedenfalls nicht, Kritik an dieser Entwicklung zu üben oder gar zu behaupten, dass man es so nicht machen kann, sondern zu zeigen, dass es nach dieser schwierigen Phase der Bedrohung und der Einsamkeit auch für Li Wan ein positives Ende gibt. Inwieweit sie mit ihren Erfahrungen später einen eigenen Weg geht, bleibt offen und ist nicht Thema des Films.

Am Ende bekommt Li Wan von der Familie Hundefleisch als Delikatesse vorgesetzt. Wir in Deutschland können uns kaum vorstellen, Hunde als des Menschen bester Freund zu essen. Wie ist das in China?
Da gibt es ganz große Unterschiede zwischen früher und heute. Bei der heutigen jungen Generation, der es viel besser geht, ist die Einstellung fast genauso wie in Deutschland. Es wäre auch für sie unvorstellbar, Hunde zu essen, zumal viele Familien einen Hund als Haustier haben. Aber in entlegenen Regionen mit großer Armut kommt das immer noch vor. Das sind dann allerdings keine Haustiere, sondern Hunde, die extra dafür gezüchtet werden, so genannte Speisehunde. Ich selbst bin übrigens Vegetarier und esse gar kein Fleisch.

Inwieweit muss das Verhalten von Li Wans Vater, der erneut heiratet und mit seiner zweiten Frau einen Sohn bekommt, auch vor dem Hintergrund der "Ein-Kind-Politik" in China gesehen werden?
Der Aspekt ist mit drin, mehr jedoch die sich rasch ändernden wirtschaftlichen Umstände in China. Diese nehmen großen Einfluss auf die Familien. Was die "Ein-Kind-Politik" betrifft, hatte sie bei ihrer Einführung ihre Berechtigung. Es hätte vielleicht auch andere Möglichkeiten gegeben, die aber schwieriger umzusetzen gewesen wären. Ursächlich ist es das niedrige Bildungsniveau gewesen, was viele Familien damals zwang, viele Kinder zu haben. Aus heutiger Sicht und vor dem Hintergrund der inzwischen erwachsenen Einzelkinder ist ganz klar, dass diese Politik mit Fehlern behaftet ist. Das wird besonders deutlich, wenn zwei Einzelkinder heiraten und sich dann später um zwei Elternpaare, also vier Erwachsene kümmern müssen. Wenn man dann noch in Betracht zieht, dass mit einem Einzelkind auch mal etwas passieren kann, ist es offensichtlich, dass es nicht so weitergehen kann.

Wie kam denn der Film in China selbst an?
Er hat noch keinen offiziellen Starttermin und wurde bisher nur auf mehreren Festivals gezeigt. Dort hat er sehr gute Kritiken bekommen und auch das nationale Bewertungskomitee gab ihm eine hohe Punktzahl. Insbesondere junge Menschen mögen den Film.

Mit Cao Baoping sprach Holger Twele während der Berlinale

 

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