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Ausgabe 139-3/2014

DAS MEER SEHEN

Bild: DAS MEER SEHEN
© Kinderfilmfest München

POJEDEME K MORI

Produktion: Bio Illusion / Ceská televize; Tschechische Republik 2014 – Regie und Buch: Jirí Mádl – Kamera: Edita Kainrathová – Schnitt: Jakub Vansa – Musik: René Rypar – Darsteller: Petr Simcák (Tomás Hrobsky), Jan Marsál (Haris Kubálek), Ondrej Vetchy (Tomás’ Vater), Lucie Trmíková (Tomás’ Mutter), Jaroslava Pokorná (Großmutter), Jan Hlavác (Tomás’ Bruder), Anastázie Chocholatá (Stána), Michaela Majerníková (Haris’ Mutter), Ondrej Vesely (Haris’ Vater), Lukás Hrabák (Haris’ Bruder), Roman Nevecny (Fußballtrainer), Miroslav Táborsky (Taxifahrer), Miloslav Smídmajer (Kinokartenverkäufer) u. a. – Länge: 90 Min. – Farbe – Weltvertrieb: Arrow Entertainment International Inc., Toronto/Kanada, Tel. +1 416 – 516 0815, E-Mail: steve-arroyave@arrow-entertainment.com – Altersempfehlung: ab 10 J.

Man kann sich seine Familie nicht aussuchen. Aber man kann sie filmen. Dies mag dem elfjährigen Tomás Hrobsky eingefallen sein, als er zum Geburtstag Kamera und Video-Schnittprogramm geschenkt bekommen hat. Unverzagt begibt er sich an die Umsetzung dieses Vorsatzes. Gemeinsam mit seinem Freund Haris Kubálek will er eine Art Alltagschronik in bewegten Bildern gestalten – mit den modernen technischen Möglichkeiten im wahrsten Wortsinne ein "Kinderspiel" und ohnehin interessanter als Fußball. Im Mittelpunkt sollen vor allem seine eigene, aber auch die Familie von Haris, ihrer beider Freunde und die Schule stehen.

Doch der Plan, eine schöne heile Welt in den Computer zu zaubern, erweist sich als Illusion. Die Wirklichkeit bekommt Risse, die das Kameraauge rücksichtslos aufdeckt: Die von Tomás ersehnte Romanze mit der entzückenden Mitschülerin Stána erhält unerwartet eine für ihn entmutigende und peinliche Wendung. Die Familie von Haris, die eigentlich aus Kroatien stammt, entzieht sich völlig der Optik – der beste Freund verheimlicht irgendetwas. Und vor allem – das eigene Haus steckt voller Ungereimtheiten und Rätsel. Lieben sich Mama und Papa oder nicht? Und wird es noch ein Geschwisterchen geben? Warum aber verlässt der Vater, der zu Hause einen Online-Handel betreibt, immer an zwei Tagen der Woche heimlich seinen Arbeitsplatz? Wohin fährt er und wen trifft er dort? Die Mutter und auch Großmutter Zdena scheinen nichts davon zu wissen. Tomás Hrobsky wird klar: Der eigenen Familie droht die Gefahr einer Scheidung, und er muss mit seiner Kamera eingreifen.

Mit akribischem Spürsinn im Stil einer spannenden Detektivgeschichte decken die beiden Jungen den geheimnisvollen Fall auf. Es stellt sich heraus, dass eine Scheidung von Tomás’ Eltern zum Glück nicht stattfinden wird, aber das Wort "Familie" erhält nun einen für ihn völlig neuen Inhalt. Schrecklicher sieht es allerdings bei Haris aus. Hier ist die Trennung der Eltern im Prinzip schon vollzogen, und schlimmer noch: Häusliche Gewalt seitens des Vaters steht auf der Tagesordnung. Mutter und Kinder beschließen, nach Kroatien zurückzukehren. Die erträumte gemeinsame Fahrt von Tomás und Haris ans dortige Meer – für beide das Sinnbild für Glück und Harmonie – muss wohl auf später verlegt werden.

Regisseur Jirí Mádl lässt die Szenen mit Kinderaugen aufnehmen und benennt Tomás als den eigentlichen Schöpfer. Dieser Trick gibt ihm viel Freiheit für die Gestaltung origineller, unkonventioneller und auch lustiger Einstellungen. Da die Kamera für den Zuschauer stets präsent ist und der aufgeweckte Junge "seine" Filmarbeit selbst auf erfrischende Weise kommentiert, stellt sich wie nebenbei ein gewisser medienpädagogischer Effekt ein. Dabei nutzt Madl zur Entwicklung seiner Geschichte geschickt die Erzähl- und Spielfreude der Kinder, deren Fantasie und deren Fähigkeit zur unverklemmten Darstellung von Emotionen.

Tomás vermittelt zu Beginn die Weisheit, man solle mit dem zu drehen beginnen, was man am besten kenne – sich selbst, seine Familie und seine Freunde. Es ist anzunehmen, dass Mádl sich in seinem Debüt selbst an diesen Vorsatz gehalten hat. Einige Indizien dafür gibt der Film direkt preis. So stellt das südböhmische Ceské Budejovice (Budweis) die Kulisse für die Handlung – es ist die Heimatstadt des Regisseurs. Am Schluss sprechen der Abspann und mit ihm der Regisseur ausdrücklich eine warme Huldigung an zwei Persönlichkeiten aus: eine an den tschechischen Regisseur Milos Forman, der in Hollywood zu großer Berühmtheit gelangt war. Auch der kleine Tomás weist im Film immer wieder auf sein großes Vor- und Leitbild Forman hin. Desweiteren würdigt der Abspann Großmutter Zdena, ohne Zweifel das Vorbild für Tomás’ gleichnamige Kino-Oma.

Nicht hingegen lässt sich eine Beziehung zwischen den Berufswünschen des kleinen Helden im Film und dem "richtigen" Schöpfer des Werkes knüpfen: Jiri Mádl, der umjubelte tschechische Jungstar des beginnenden neuen Jahrtausends, hatte wohl nie unmittelbare Ambitionen zum Filmemacher, vielmehr drängte es ihn frühzeitig zur Feder; er schrieb schon in der Schule gern Essays, Stücke und Liedtexte. Auch sein Erfolg als Schauspieler ergab sich eher überraschend. Dass der angehende Drehbuchautor nun selbst – überzeugend – Regie führen durfte, hatte sich wohl erst im Laufe der Stoffentwicklung ergeben.

Volker Petzold

 

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