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Ausgabe 65-1/1996

DANGEROUS MINDS – WILDE GEDANKEN

Produktion: Hollywood Pictures, USA 1995 – Regie: John N. Smith – Buch: Ronald Bass nach dem Roman "My Posse don't do Homework" von Lou Anne Johnson – Kamera: Pierre Letarte – Schnitt: Tom Rolf – Musik: Wendy & Lisa – Darsteller: Michelle Pfeiffer (Lou Anne Johnson), George Dzundza (Hal Griffith), Courtney B. Vance (George Grandey), Robin Bartlett (Carla Nichols), Beatrice Winde (Mary Benton) u. a. – Länge: 99 Min. – Farbe – Verleih: Buena Vista (35mm) – Altersempfehlung: ab 14 J.

Die ehemalige Marinesoldatin Lou Anne Johnson benötigt dringend einen Job, und als man ihr in der heruntergekommenen Parkmont High School eine Stelle als Englischlehrerin anbietet, freut sie sich wie ein Schneekönig. Doch am nächsten Morgen vor der Klasse schmilzt die Freude wie Schnee in der Märzsonne. Die zumeist farbigen Schüler toben wie die Wilden, entpuppen sich als wahre Monster, denen nichts heilig ist. Niemand hat sich bisher ehrlich um sie gekümmert, warum sollten sie auf irgend jemanden Rücksicht nehmen? Ihre Lieblingsbeschäftigung heißt Lehrer schikanieren und möglichst in die Klapsmühle bringen. Aber Lou Anne hat den Drill bei den Marines überlebt und zeigt sich den Kids als ebenbürtig. Ihre unkonventionellen Unterrichtsmethoden wie Karatetricks oder die Interpretation eines Bob-Dylan-Songs, der die Lebenswelt der Jugendlichen tangiert, imponiert den Jugendlichen. Außerdem lässt sie sich von niemandem einschüchtern, sucht die Eltern sogar zu Hause auf, wenn's nötig erscheint. Schon bald gewinnt sie das Vertrauen der Null-Bock-Generation, die erstmals das Gefühl hat, ernst genommen zu werden.

Nach den ersten Erfolgen kommt's jedoch knüppeldick: Die rigide Schulleitung versucht, jegliche unorthodoxe Initiative der Lehrerin zu unterbinden, ein farbiger Schüler darf nicht mehr zu der "weißen Hexe", ein anderer wird von einem Drogendealer ermordet, eine der aufgewecktesten Schülerinnen soll wegen Schwangerschaft auf eine Mütterschule. Die Klasse, in der kurzfristig so etwas wie Solidarität geherrscht hatte, bricht auseinander. Lou Anne ist enttäuscht, will den Kampf aufgeben, doch so leicht lassen "ihre" Schüler sie nicht ziehen ...

Ein Film über Straßenkids gerät schnell zur gefährlichen Gratwanderung zwischen Sozialromantik, Sozialkritik und sozialer Realität. Der Kanadier John N. Smith umschifft diese Klippen in seinem US-Filmdebüt geschickt. Jedes Mal, wenn tränenreicher Armuts-Kitsch droht, versucht er, nicht zu dick aufzutragen. Er zeichnet die unterschiedlichen Charaktere in ihrer Widersprüchlichkeit, ohne sie bloßzustellen, vermittelt nicht nur das Bild einer No-Future-Jugend, sondern einer Jugend, die, mit der richtigen Motivation, zur Änderung der eigenen Situation fähig ist. Er lässt durchklingen, dass man nicht der Gesellschaft allein die Schuld an aller Misere in die Schuhe schieben kann, propagiert Eigeninitiative und Selbstverantwortung – nicht aus der Perspektive des besser wissenden Erwachsenen, sondern ganz einfach als Möglichkeit, aus den Slums herauszukommen.

Dass die Geschichte trotz einiger Eindimensionalität gut funktioniert (nach ca. zehn Minuten kann man sich vorstellen, wie sich der Handlungsverlauf entwickelt), liegt nicht zuletzt an Michelle Pfeiffer, die sich diesmal nicht im Luxus-, sondern im Unterschicht-Milieu tapfer schlägt und als weiblicher Sisyphus burschikos in Lederjacke und Jeans das Prinzip Hoffnung verfolgt, auch wenn sie anfangs gegen Beton rennt. Aber auch die Mischung von Profi-Schauspielern und Laien gibt dem Film eine Art Authentizität und wird jugendliche Zuschauer ansprechen. Mag das Ende auch sehr optimistisch erscheinen, die Botschaft stimmt: "Du hast keine Chance, aber nutze sie." Der "american dream" wird hier mal wieder wahr. Manchmal hilft allein schon der Glaube, Berge zu versetzen. Jedenfalls im Film ...

Margret Köhler

 

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