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Ausgabe 65-1/1996

LAZARUS

Produktion: Pleograf Ltd. / Film Studio "Tor", Polen 1994 – Regie: Waldemar Dziki – Buch: Cezary Harasimowicz – Kamera: Jaroslaw Zamojda – Schnitt: Marek Denys – Musik: Michal Lorenc – Darsteller: Karen Austin, William Armstrong, Musa Luvuno, Gary Wilmot, Alan Stocks, Ryszard Filipski, Andrzej Zielinski – Länge: 85 Min. – Farbe – Weltvertrieb: W.i.l.d. Okay Film GmbH, Kreuzbergstr. 43, D-10965 Berlin, Tel. ... 49 30 7850376, Fax ... 49 30 7859620 – Altersempfehlung: ab 14 J.

Ein Ehepaar in Großbritannien, kinderlos und reich, möchte gern ein Kind adoptieren. Weil das Adoptionsverfahren jedoch sehr lange dauert, beschließen sie, ein Kind zu "kaufen". Doch statt des erhofften dreijährigen Jungen bringt ihnen der Händler einen zehnjährigen schwarzen Jungen aus Mosambik. Ann überredet Peter, ihren widerstrebenden Mann, es dennoch mit dem Jungen Lazarus zu versuchen. Der bekommt neue Kleidung und ein eigenes Zimmer, voll gestopft mit Spielzeugen. Lazarus mag jedoch keine Kinderspiele und verhält sich auch sonst merkwürdig. So raucht er bereits und kann kochend heiße Milch trinken. Als ein Nachbarjunge ihn mit einem Spielzeugmesser bedroht, schlägt er ihn brutal zusammen. Die neuen Eltern wissen schon bald nicht mehr, was sie mit ihm tun sollen.

Als Lazarus kurz darauf einen Hund erschlägt, der Peters Vater angefallen hatte, werden die Gründe für Lazarus' Verhalten deutlich. Bei einer Polizeibefragung beginnt er zu reden: In Mosambik musste er mit ansehen, wie seine Eltern im Krieg ermordet wurden. Die Untergrundorganisation 'Renamo' bildete ihn zum Killer aus. Dass er sieben Menschen töten musste, darunter seinen besten Freund, bereitet ihm noch immer Albträume. So richtig verstehen kann ihn aber nur Peters schweigsamer Vater, der im Zweiten Weltkrieg in Polen Ähnliches erlebt hat. Von Schuldgefühlen geplagt und aus Angst, zurückgeschickt zu werden, stiehlt Lazarus eine Pistole und haut ab. Als Peter und Ann sowie einige Polizisten ihn finden, flüchtet er auf einen Baum. In seiner Verzweiflung schießt er auf alle, die ihm zu nahe kommen, und versucht dann, sich umzubringen.

Auf die Idee zu diesem Spielfilm kam Dziki bei einer Recherche-Reise durch Afrika, wo ihm Fernsehjournalisten Videobänder mit Interviews von Kindern zeigten, die im mosambikanischen Bürgerkrieg als Soldaten kämpfen und töten mussten. Die Geschichte um die Adoptionsfamilie hat er erst später hinzugefügt. Dem polnischen Regisseur Waldemar Dziki ist ein aufrüttelnder Film über die psychologischen Folgen von Kriegserlebnissen gelungen. Das Erstaunlichste an diesem sensiblen Porträt ist, dass er keinerlei explizite Gewaltszenen benötigt, um die Kriegsgräuel fühl- und begreifbar zu machen. Symptomatisch dafür ist die Szene, in der Lazarus zu Peters Vater sagt: "Ich bin kein Kind!" Die tiefere Wahrheit dieses sonderbaren Ausspruchs eines Zehnjährigen liegt darin, dass die schrecklichen Kriegserfahrungen den Jungen viel schneller haben reifen lassen als andere Heranwachsende in diesem Alter.

Bemerkenswert ist die differenzierte Zeichnung der Erwachsenen, denen die Konfrontation mit einem so "schwierigen" Kind zu wichtigen Entwicklungen verhilft. In leisen Andeutungen erfährt der Zuschauer zum Beispiel, dass Ann und Peter nicht zuletzt deshalb ein Kind adoptieren wollten, um die eigenen Eheprobleme zu überwinden. Während der polnischstämmige Peter als renommierter Konzertpianist große Erfolge feiern kann, sucht die Hausfrau Ann Zuflucht im Alkohol, weil sie sich vernachlässigt fühlt.

Besonders schöne Szenen sind dem Regisseur und Produzenten, der vor acht Jahren mit dem Kinderfilm "The Young Magician" auf sich aufmerksam machte, bei den Begegnungen zwischen Lazarus und Peters Vater gelungen. Gemeinsam sind dem älteren Polen und dem jungen Afrikaner nicht nur die Kriegserfahrungen, sondern auch, dass sie sich in Großbritannien fremd fühlen. So überrascht es keineswegs, dass sich die beiden Außenseiter auch ohne Worte verstehen.

Reinhard Kleber

 

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