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Ausgabe 65-1/1996

VÄTERCHEN FROST

Morosko

UdSSR 1964. Produktion: Zentrales Studio für Kinder- und Jugendfilme Maxim Gorki, Moskau. Regie: Alexander Rou. Buch: Michail Wolpin, Nikolai Erdmann. Kamera: Dmitri Surenski. Musik: Nikolai Budaschkin. Darsteller: Alexander Chwylja (Morosko), Natalja Sedych (Nastja), Inna Tschurikowa (Marfa), Pjotr Pawlenko (Vater), Vera Altaiskaja (Stiefmutter). 79 Min. Farbe. FSK: ab 6 J. – Früherer Titel: "Abenteuer im Zauberwald"

Es war einmal ein kleines Dorf tief im großen Wald. Hier lebte die schöne Nastja mit ihrem schwächlichen Vater und einer dominanten, missgünstigen Stiefmutter. Diese treibt sie ständig zu niedrigsten Arbeiten an, und das bei Tag und Nacht. Dagegen verwöhnt sie ihre hässliche und habgierige eigene Tochter Marfa, wo sie nur kann und lässt ihr all die Liebe und Zuneigung zukommen, die Nastja so schmerzlich vermisst. Fast am anderen Ende der Welt lebt Iwan, ein junger und hübscher, aber auch sehr prahlerischer Jüngling, allseits von sich und seinen Fähigkeiten überzeugt. Er zieht in den Wald, trifft auf ein paar Räuber, die er kurzerhand im Kampfe schlägt, zieht weiter und begegnet einem Waldzwerg, der ihm einen Zauberbogen und Pfeile schenkt, die nie ihr Ziel verfehlen. Geführt von einer Feder trifft er auf Nastja, in die er sich Hals über Kopf verliebt und die er heiraten will. Um sich ihr zu beweisen, will er ein Bärenjunges töten, doch Nastja rettet das Tier und nun steht er auf einmal als Monster mit Bärenkopf da. Um seine wahre Gestalt wiederzuerlangen, muss er eine selbstlose Tat vollbringen. Doch alle laufen vor ihm davon, bis auf ein blindes Mütterchen, das er meilenweit durch den Wald trägt und so seine Menschengestalt zurückbekommt.

Mittlerweile soll die hässliche Marfa verheiratet werden. Doch sie besteht die Brautprobe (Zubereitung eines Gänsebratens) nicht und die Hochzeit platzt. Die Stiefmutter kann das nicht vergessen und um sich ein für alle mal die Konkurrenz vom Halse zu schaffen, befiehlt sie dem Vater, Nastja mitten im Winter im bitterkalten Wald auszusetzen. Dem Tode nahe findet sie Morosko, Väterchen Frost, und bringt sie in seinen Palast. Derweil hat Iwan auf seiner Suche nach Nastja die böse Hexe Baba Jaga getroffen und sich ihren Hass zugezogen, als er sie besiegte. Da schickt sie ihren finsteren, schwarzen Kater los, damit er Nastja töte. Er schleicht sich in den Palast und bewegt sie dazu, Moroskos Eiszepter zu berühren, worauf sie wie weiland Schneewittchen erstarrt.

Nun scheint alles verloren. Doch Iwans treuer Hund Schappa hat gespürt, was geschah, läuft in den Wald und bringt Iwan zum Palast. Als er unter Tränen seine Liebe gesteht und für seine Prahlerei um Verzeihung bittet, ist der Bann gebrochen und Nastja erwacht zu neuem Leben. Morosko schickt sie reich beschenkt zurück zu den Menschen. Das erregt den Neid der Stiefmutter, die für ihre geliebte Marfa auch so viel Glück und Reichtum möchte. Sie schickt Marfa in den Wald. Doch deren dreistes Auftreten wird von Väterchen Frost bestraft: Er schickt sie in einem von drei Schweinen gezogenen Schlitten zurück und in der Schatztruhe sind nur Krähen. Und so feiern Nastja und Iwan am Ende Hochzeit. Und wenn sie nicht gestorben sind und vor allem wenn Iwan nicht wieder der alte Prahlhans geworden ist, dann leben sie noch heute.

Ein Märchenfilm, der gleich mehrere klassische Topoi der Volksdichtung vereint: Da ist der junge Bursche, der noch viel vom Leben lernen muss, bevor er ein (Ehe-)Mann sein kann; die böse Schwiegermutter mit ihrer hässlichen Tochter, die der reinen Schönen das Leben zur Hölle macht; und böse Hexen gibt's hier genauso wie gutmütige Zauberer und tumbe Räuber. Das ganze wird von einer Erzählerin aus dem Off kommentiert, die die Geschichte einleitet und beendet, ein Prinzip, mit dem der große russische Märchenfilmkünstler Rou auch bei "Die schöne Warwara" arbeiten wird. Der Film bietet bis ins letzte stilisierte Figuren und auch die Natur ist weitaus mehr als nur Schauplatz der Handlung. Sie kommentiert die Figuren und ergreift sogar Partei: Als Nastja einmal bis zum ersten Hahnenschrei ihre Arbeit erledigt haben soll, zieht sich die Sonne beim Anblick der unfertigen Arbeit zurück und wartet, bis Nastja zu Ende gestopft hat. Und wie so oft bei Rou sind die bösen Gestalten auch immer ein wenig komisch: Die Räuber sind ein tumber Haufen und die Hexe verfügt zwar über große Macht, aber leider nur über kleinen Verstand.

Dieses klassische Entwicklungsmärchen vereint dabei eine Vielzahl von Motiven russischer Sagen, Legenden und Märchen: Morosko etwa ist in seiner Heimat so bekannt wie bei uns der Weihnachtsmann. Rous zehnter Märchenfilm ist geradezu ein Kompendium der Topoi und Figuren des Weltmärchens: Böse Eigenschaften werden bestraft, gute belohnt, die Figuren sind eher Essenzen von Eigenschaften (Der schöne Jüngling, die reine Jungfrau, die böse Schwiegermutter) und insofern stark typisiert. Natürlich fehlen auch hier nicht die im russischen Märchenfilm typischen Lieder, die jedoch diesmal unkommentiert und unübersetzt bleiben, so dass dem hiesigen Publikum sicherlich Manches verloren geht. Ein im Sinne des Wortes klassischer Märchenfilm, der Rou auf der Höhe seiner Kunst zeigt und nicht nur Kinder unterhalten wird.

Lutz Gräfe

 

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