Produktion: Pixar Animation / The Walt Disney Company; USA 1995 – Regie: John Lasseter – Buch: Joss Whedopn, Andrew Stanton, Joel Cohen, Alec Sokolow – Schnitt: Robert Gordon, Lee Unkrich – Musik: Randy Newman – Länge: 77 Min. – Farbe – Verleih: Buena Vista (35mm) – Alterseignung: ab 8 J.
Sobald der kleine Andy aus dem Zimmer stürmt, erwachen seine Spielzeuge zum Leben. Unbestrittener Chef im Kinderzimmer ist die Cowboy-Puppe Woody. Als Andy zum Geburtstag jedoch eine High-Tech-Figur namens Buzz Lightyear geschenkt bekommt, ist der gute alte Woody erst einmal abgemeldet. Doch so leicht lässt sich der Cowboy den Rang als Andys Lieblingsspielzeug nicht streitig machen. Kurzerhand versucht er, den lästigen Konkurrenten loszuwerden. Doch die Intrige misslingt: Beide fallen aus dem Fenster und landen in der feindlichen Außenwelt. Nach allerlei Abenteuern geraten sie schließlich in die Fänge des fiesen Nachbarjungen Sid, der seine Spielzeuge ziemlich übel behandelt. Zwar können Woody und Buzz entkommen und ihm mit vereinten Kräften seine Missetaten ordentlich heimzahlen, doch zum geplanten Umzug von Andys Familie kommen sie zu spät. Der Lastwagen mit Möbeln und Spielzeugkisten ist gerade losgefahren. Da heißt es nur: Nichts wie hinterher!
Spielzeuge, die zum Leben erwachen, das ist ein altbekanntes Literaturmotiv, das im Übrigen auch im Film schon längst erprobt wurde. Was ist also das Besondere an dem jüngsten Produkt aus dem Hause Disney? Es gibt weder Schauspieler noch Kulissen, ja es gab noch nicht einmal eine Kamera. Der Animationsfilm entstand nämlich komplett im Computer. Keine einzige der 76 Figuren ist je mit einer menschlichen Hand, einem Bleistift oder Pinsel in Berührung gekommen, alle wurden vielmehr in den Pixar Studios digital erzeugt. Auch die rund 1,2 Millionen Blätter an den Bäumen in Andys Wohngebiet existieren nur elektronisch. Vier Jahre brauchten Dutzende von Computerspezialisten, um das Wunderwerk für die Leinwand zu gestalten.
Regisseur John Lasseter hat sich für das aufwendige Projekt mit erfahrenen Disney-Mitarbeitern zusammengetan, die den bunten, aber kühlen Figuren aus dem Rechenknecht erst Leben einhauchten. Denn ob Woody oder Buzz, Porzellinchen Bo Peep, Mr. Potato Head oder Charlie Naseweis – Andys Spielzeuge weisen mehr oder weniger menschliche Charakterzüge auf, die man nun mal in einer spannenden Story braucht, um ein breites Publikum mitzureißen. Das Drehbuch variiert die bewährte Konstellation des "Buddy Movie": Zwei Menschen, die sich zunächst gar nicht mögen, müssen gemeinsam Abenteuer bestehen. So ist denn auch "Toy Story" konsequent aus der Sicht der beiden Hauptrivalen erzählt.
In technischer und dramaturgischer Hinsicht ist das Spielzeugmärchen nahezu perfekt. Die Handlung ist flott inszeniert und bietet neben vielen lustigen Einfällen jede Menge Spannung und "Action". Von geradezu atemberaubender Rasanz ist etwa die lange Verfolgungsjagd kurz vor Filmende, bei der Woody und Buzz gar eine Feuerwerksrakete zünden, um gemeinsam zu Andy zurückzukehren. Ästhetisch jedoch lässt die Figurengestaltung zu wünschen übrig. Andy, dessen Mutter und die anderen Menschen wirken so steril und unpersönlich wie Schaufensterpuppen. "Die Menschen superrealistisch darzustellen, das hätten wir einfach nicht geschafft", räumt der 38-jährige Regisseur ein. Denn wegen der organischen Beschaffenheit von Haaren, Haut und Kleidung zählen menschliche Figuren zu den Dingen, die per Computer am schwierigsten zu erzeugen sind. Es scheint, als ob selbst die vielen Hochleistungscomputer eben noch keine echt wirkenden Menschen auf die Leinwand zaubern können, zumindest derzeit noch nicht.
Ungeachtet dieser Unzulänglichkeiten stieg "Toy Story" im Vorjahr zum dritterfolgreichsten Film in den USA auf. Bis heute spielte der 77 Minuten lange Film, der aus genau 1.561 Einstellungen besteht, rund 200 Millionen Dollar ein. In den drei Kategorien Bestes Drehbuch, Beste Filmmusik und Bester Titelsong ("You've Got a Friend" von Randy Newman) für den Oscar nominiert, ging "Toy Story" bei der Preisverleihung Ende März d. J. allerdings leer aus. Regisseur Lasseter kann sich allerdings mit einem Spezial-Oscar für die Entwicklung des ersten abendfüllenden computererzeugten Films trösten. Es ist bereits seine zweite derartige Auszeichnung, holte er doch schon 1989 mit dem kurzen Animationsfilm "Tin Toy" ebenfalls einen Spezial-Oscar. Angesichts des bisherigen Kassenerfolgs von "Toy Story" ist es kein Wunder, dass die Pixar Studios bereits am zweiten von drei mit Disney vereinbarten Filmprojekten arbeiten.
Reinhard Kleber
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