Produktion: Film Roman, USA 1992 – Regie: Phil Roman – Buch: Dennis Marks – Schnitt: Sam Horta – Musik: Henry Mancini – Länge: 84 Min. – Farbe – FSK: o. A. – Verleih: Jugendfilm (35mm)
Das Haus, in dem Tom und Jerry ihre Streiche getrieben haben, soll der Abrissbirne zum Opfer fallen. Es ist nämlich das letzte Vororthäuschen, das noch zwischen den ringsum dräuenden Wolkenkratzern verblieben ist. Die Menschen laden ihr Auto voll. Kater Tom soll natürlich mitkommen. Da er aber verhindern will, dass Jerry auch mitkommt, bleiben letztendlich beide im Haus zurück und haben am nächsten Morgen ihre liebe Not, dem Hausabriss lebend zu entkommen. Danach beginnt ein neues Leben, in dem die beiden erst lernen müssen, miteinander auszukommen und ... zu reden! (Eine der witzigsten Szenen für die Kenner der "Tom & Jerry"-Cartoons ist die Szene, in der Tom und Jerry miteinander reden, dann stutzen und erstaunt ausrufen "Du kannst ja reden!").
Reden müssen sie ab diesem Zeitpunkt auch, weil die weitere Filmhandlung nicht in der üblichen Slapstick–Manier möglich ist. Tom und Jerry treffen ein Mädchen, das auf der Flucht vor der bösen erbschleichenden Tante und deren Anwalt ist, weil der Vater des Mädchens bei einer Expedition als verschollen gilt. Tom und Jerry helfen natürlich dem Mädchen, retten dabei eine ganze Horde für Tierversuche eingesperrte Tiere und geraten an einen verrückten Puppenspieler, bis am Ende alle Bösen einander ausgetrickst haben und der verschollene Vater seine Tochter wieder in die Arme schließt. Und Tom und Jerry? Die bekommen als Retter ein luxuriöses Zimmer. Da es ihnen nun wieder gut geht, brauchen sie nicht mehr zusammenzuhalten und können sich wieder gegenseitig Streiche spielen.
Anders gesagt: Es ist wieder alles beim alten. Und man darf getrost wieder vergessen, was zwischen Filmbeginn und -ende passiert ist. Oder vielleicht doch nicht ganz. Der Film hat einige lichte Momente, zugegeben. Stellenweise ist er auch überaus komisch. Aber insgesamt gesehen ist er doch ein etwas seltsames Gemisch aus "Bernard und Bianca", "Tom und Jerry" und den "Glücksbärchis". Für einen Trickfilm, der anders als die "T&J"-Cartoons primär für Kinder gemacht ist, sind die Schurken zudem zeitweilig eine Spur zu karikaturhaft, exzessiv oder schmierig abstoßend. So mancher Handlungsstrang verläuft im Sande und manche Figuren sind zu widersprüchlich konzipiert. So unterhaltsam und temporeich witzig der Film stellenweise ist, so süßlich und zerdehnt ist er an anderen Stellen. Eben, leider, allenfalls Durchschnitt.
Was aber an diesem ohne Altersbeschränkung im Kino gezeigten Film wahrhaft ärgerlich war, ist nicht der Film an sich, sondern die cine-drastische Art der Präsentation im regulären Kinobetrieb, die man in Pressevorführungen ja nie zu sehen bekommt. Dass in einem Kinokomplex mit mehreren Kinos die Kinopreise nicht familienfreundlich sind, sondern – gerade an den Wochenenden – vom Kleinkind bis zum Greis auf allen Plätzen des eher winzigen Vorführraums der gleiche Höchstpreis von DM 11,-- gilt (während es wochentags ermäßigte Preise gibt), mag wirtschaftlich verständlich sein. Völlig unverständlich ist jedoch, dass – gerade bei einem Film ohne Altersbeschränkung – fast eine geschlagene halbe Stunde Vorprogramm gezeigt wird, das aus nichts als WERBUNG besteht. Und zwar nicht irgendeine Werbung, sondern zu rund fünfzig Prozent Werbung für Zigaretten und Alkoholika! Wenn man bei drei Vorstellungen die Werbung wegließe, bliebe die Zeit für eine komplette weitere Vorstellung des Films. Wäre das nicht sinnvoller, als Kindern den Kopf mit Alkoholika-Vorbildern vollzuknallen?
Wolfgang J. Fuchs
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