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Ausgabe 72-4/1997

MEIN LEBEN IN ROSAROT

MA VIE EN ROSE

Produktion: Haut et Court / La Sept Cinéma / TF1 Films / WFE / RTBF / Freeway Films; Belgien / Frankreich / Großbritannien 1997 – Regie: Alain Berliner – Buch: Chris van der Stappen, Alain Berliner – Kamera: Yves Cape – Schnitt: Sandrine Deegen – Musik: Dominique Dalcan – Darsteller: Michèle Laroque (Hanna), Jean-Philippe Écoffey (Pierre), Hélène Vincent (Elisabeth), Georges Du Fresne (Ludovic) u. a. – Länge: 89 Min. – Farbe – FSK: ab 12 – Verleih: MFA (35mm) – Altersempfehlung: ab 12 J.

Welche Eltern werden nicht vom schlechten Gewissen geplagt, vielleicht etwas 'falsch' gemacht oder gar versagt zu haben, wenn die eigenen Kinder sich nicht so entwickeln, wie man sich das vorgestellt oder gewünscht hatte? Und welche Fluchtpunkte stehen Kindern noch offen, wenn sie nicht so 'funktionieren', wie die Eltern und andere erwachsene Bezugspersonen es gerne hätten, die sich ihrerseits viel unmittelbarer mit dem Druck gesellschaftlicher Erwartungshaltungen auseinandersetzen müssen – und der ist umso größer, je restriktiver oder scheinliberaler sich das soziale Umfeld gibt.

Alain Berliner erzählt eine Geschichte, die so noch nicht erzählt worden ist im Kino. Es ist die tragikomische Geschichte eines kleinen Jungen, der davon träumt, einmal ein Mädchen zu sein. Der belgische Regisseur stellt die verschiedenen Aspekte dieses Konflikts für alle Beteiligten differenziert dar und überlässt es dem Zuschauer, sich eine eigene Meinung zu bilden über das, was 'normal' ist bei Kindern in einer Gesellschaft, die sich für 'normal' hält. Wie so häufig fängt alles ganz harmlos an: Ludovic ist der jüngste Spross einer Familie mit vier Kindern, die in einer gutbürgerlichen Villengegend wohnt. Zum Leidwesen seiner Eltern schlüpft der mädchenhafte Sohn bald auch in aller Öffentlichkeit gerne in Mädchenkleider. Er schminkt sich, spielt vorzugsweise mit Puppen, gerne aber auch mit dem Nachbarsjungen, den er später einmal heiraten möchte – als seine Frau natürlich. Das führt zu allerlei erheiternden und amüsanten Episoden (für den Zuschauer), stößt bei den Nachbarn und in der Schule aber zunehmend auf Ablehnung und entlädt sich schließlich in offener Feindseligkeit gegenüber Ludovics Familie. Der Freundeskreis der Eltern bröckelt ab; man ist besorgt um die eigenen Kinder, die Ludovics Verhalten am Ende noch zum Beispiel nehmen könnten, gerade in einem Alter, in dem sehr viele Kinder nach der eigenen sexuellen Identität suchen. Für Ludovics Vater ist das 'seltsame' Verhalten des Sohnes, der sich durch nichts von seinen Vorstellungen abbringen lässt, auch ein Angriff auf die eigene Männlichkeit, und dementsprechend rigoros reagiert er. Die Mutter ist zuerst noch toleranter, hält ihren Sohn dann aber auch für 'krank' und betrachtet ihn schließlich als Fluch, der die ganze Familie zu zerstören droht. Am Ende wird dem Vater gekündigt, die Familie zieht in einen fremden Stadtteil, wo sich alles zu wiederholen scheint, bis Ludovic und seine Eltern eine überraschende Entdeckung machen ...

Würde "Mein Leben in Rosarot" nur von den Problemen der Erwachsenen und ihrem Zwiespalt zwischen der Liebe zu ihrem Kind und ihrer Furcht vor dem Anderssein des Sohnes und – als Folge – ihrer eigenen Ausgrenzung aus der Gesellschaft handeln, der Film wäre für Kinder zwar interessant, aber nicht unbedingt sehenswert. Doch über weite Strecken ist die Geschichte ganz aus der Perspektive von Ludovic erzählt, der sich in eine kindliche Traumwelt flüchtet. Die einzige Person, die ihm Verständnis entgegenbringt, ist seine Großmutter, doch die wohnt weit weg. So zieht sich der Junge, der im Film auch tatsächlich von einem Jungen gespielt wird, in die Vorstellungswelt seiner magischen Heldin Pam zurück. Sie ist einer Fernsehsendung für Kinder nachempfunden. Auf diese Weise gelingt es ihm, das Desaster um ihn herum nahezu unbeschadet zu überstehen, auch wenn der Schluss offen lässt, wie Ludovic sich weiterentwickeln wird. Kein klassischer Kinderfilm also, vom Regisseur auch nicht als solcher beabsichtigt, aber ein filmisches Kleinod für Jung und Alt, in dem jede Altersstufe 'ihren' Zugang finden wird und etwas für sich entdecken kann.

Holger Twele

 

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