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Ausgabe 73-1/1998

COMEDIAN HARMONISTS

Produktion: Perathon / Iduna / Bavaria / Senator / Televersal / DOR Film; Deutschland 1997 – Regie: Joseph Vilsmaier – Buch: Klaus Richter – Kamera: Joseph Vilsmaier, Peter von Haller, Jörg Widmer – Schnitt: Peter R. Adam – Musik: Harald Kloser – Darsteller: Ulrich Noethen (Harry Frommermann), Ben Becker (Robert Biberti), Heinrich Schafmeister (Erich A. Collin), Kai Wiesinger (Erwin Bootz), Heino Ferch (Roman Cycowski), Max Tidof (Ari Leschinikoff), Meret Becker (Erna Eggstein) u. a. – Länge: 127 Min. – Farbe – FSK: ab 6 – Verleih: Senator (35mm) – Altersempfehlung: ab 12 J.

Berlin im Jahre 1927, auch die "Goldenen Zwanziger" genannt. Doch die Zeiten sind schlecht. "Man lebt ja nur so kurze Zeit und ist solange tot" – dieser Schlager gibt treffend das Lebensgefühl jener Zeit wieder. Und leben wollen sie alle – die sechs Millionen Arbeitslosen, die Schauspieler, die Musiker, die Komponisten und Texter, die es in die Metropole Berlin zieht, europäisches Zentrum des Films, des Theaters, des Varietés. In der Saison 1926/27 ist die Rekordzahl von 13 Revue-Inszenierungen erreicht, Revuen mit den besten Unterhaltungskünstlern der Welt.

Der gänzlich unbekannte Harry Frommermann, 20 Jahre jung, Schauspielschüler und Autodidakt in Sachen Musik,  ist von der Idee besessen,  nach dem Vorbild der amerikanischen a-capella-Vokalisten "The Revellers" ein Gesangs-Ensemble auf die Beine zu stellen. Groß tönend liest sich seine Anzeige im Berliner Lokalanzeiger: "Achtung. Selten. Tenor, Bass (Berufssänger, nicht über 25), sehr musikalisch, schön klingende Stimmen für einzig dastehendes Ensemble unter Angabe der täglich verfügbaren Zeit gesucht." Die Schlange vor seiner Wohnungstür am nächsten Tag reicht bis auf die Straße. Schließlich kommt Robert Biberti herein, Sohn des bekannten Sängers, frisch, fröhlich und frech, grad' wie die Texte und Partituren, die Frommermann bereits verfasst hat. Genau der Richtige – verfügt er zudem auch noch über beste Kontakte zu anderen talentierten, unterbezahlten Sängern. Bald ist das Ensemble komplett: Frommermann, Biberti, Roman Cycowski, polnischer Ex-Opernsänger, Erich Abraham Collin, Lebemann mit sieben Fremdsprachen, Ari Leschnikoff, bulgarischer Ex-Offizier, und Erwin Bootz, Pianist.

Mit Feuereifer beginnen sie mit den Proben. Ungeduldig, hungrig und kreativ drängen fünf zum Auftritt. Doch Frommermann mit seinem Perfektionismus bremst – und wird überstimmt. Das Vorsingen gerät zum Desaster. Aus der Verzweiflung heraus finden die Musikanten fast spielerisch zu ihrem unvergleichlichen Sound – die Comedian Harmonists sind geboren. Der unaufhaltsame Aufstieg der Sechs beginnt. Biberti hat sich gewitzt zum Manager gemacht. Hinreißend die Szene, in der die Musiker eine akustische Bürokulisse arrangieren. Mit dem Erfolg wächst das Selbstbewusstsein. Frauen umschwirren die Comedian Harmonists – Harry umschwirrt unbeirrt schüchtern seine Erna, hübsche Studentin in einer jüdischen Musikalienhandlung. Biberti bietet Erna ein Zimmer zum Studieren in seiner neuen Wohnung und gesteht ihr seine Liebe. Erna ist unentschlossen, Harry gekränkt. Doch die Freude am musikalischen Projekt verdrängt persönliche Rivalitäten. Sie reisen durchs Land, entzücken ihr Publikum vor bezaubernd-kitschigen Kulissen.

1933. Der Kulissenwechsel ist schmerzhaft. Hakenkreuzfahnen auf der Bühne, in der ersten Reihe prominente Uniformierte, auf den Rängen die ersten Rufe "Juden raus". Die Comedian Harmonists fühlen sich geschützt durch ihre Popularität, die bis nach Amerika reicht. Eine Vorladung bei der Reichsmusikkammer lässt jedoch keine Zweifel zu: Die Comedian Harmonists sollen ihre Juden entlassen, das heißt: Frommermann, Cycowski und Collin. Trotz des tief sitzenden Schocks machen sie weiter, oder gerade deswegen. Die Chance, nach einem Gastspiel in Amerika zu bleiben, nutzen sie nicht. Harry Frommermann wird ein zweites Mal überstimmt – und kehrt mit ihnen zurück nach Deutschland, auch seiner Heimat. 1934 geben die Comedian Harmonists ihr letztes, schon lange im Voraus ausverkauftes Konzert. Das offizielle Auftrittsverbot liest Frommermann dem Auditorium selbst vor.

Als Regisseur und Kameramann Joseph Vilsmaier die Geschichte der Comedian Harmonists erstmals las, war er begeistert, ja "hingerissen". Wenn er so reagiert – das weiß man – wird ein Film daraus. Aber was für einer? Einer wie "Herbstmilch" oder "Stalingrad", wie "Charlie und Louise" oder "Schlafes Bruder", ein spektakulärer mit grandiosen Knalleffekten, oder ein berührender mit menschlicher Wärme. "Comedian Harmonists" gehört in die letztere Kategorie. Joseph Vilsmaier hat den Aufstieg und den von der Reichsmusikkammer verordneten Fall der Gesangsgruppe zu einer filmischen Komposition verdichtet, die gleichzeitig Interpretation des geschichtlichen Hintergrundes ist. Einfach und eindringlich zeigt er, dass der Nationalsozialismus mit seinem zur Staatsdoktrin erhobenen Antisemitismus vor nichts und niemand haltgemacht hat. Die Auswahl der Schauspieler erfolgte mit sicherem Gefühl. Keiner spielt sich auf oder den anderen aus. Die Musik ist original. Für die Ausstattung – sprich: Produktionsdesign – steht der Name des Oscar-Preisträgers Rolf Zehetbauer. Prof. Dr. Peter Czada, Chronist und Sammler der Comedian Harmonists, zeichnet für Beratung/Archiv. Der Film "Comedian Harmonists" ist Vilsmaier zu einem geglückten Zusammenklang geraten.

Gudrun Lukasz-Aden

 

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